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Wiederkehr der Compact-Cassette: Nakamichi RX505
Eine Zeitlang die Krönung seiner Art und heute wieder sehr begehrt: Nakamichi RX 505 mit automatischer Cassettenwende-Mechanik

Erstaunliche Wiederkehr der Compact-Cassette

Wenn Retro die Wiederkehr eines Trends von früher ist und Vintage etwas Originales von damals, wo gehören dann eigentlich die Audiocassetten hin? Die gibt es nämlich immer noch, und sie erfreuen sich erhöhter Nachfrage. Logisch, sie gehören natürlich in die Abteilung Retro. Ich meine, wir stehen kurz vor der Wiederkehr der Compact-Cassette. Und ausgerechnet Justin Biber gab den Ausschlag.

2015 wurden in den USA 43.000 bespielte Audiotapes verkauft. 2016 waren es schon dreimal so viele. Wer hätte das jemals erwartet! In Zahlen ausgedrückt ist das zwar noch recht bescheiden, wie sprechen hier von 129.000 Stück, aber immerhin. Doof nur, dass es keine neuen Tapedecks mehr gibt, nicht mal der tragbare Kassettenrekorder Panasonic RQ-2102 ist noch zu haben.

Seit 1994 hatte Panasonic das Teil dem Vernehmen nach bereits in der neunten Revision im Handel, knapp 20 Jahre später war dann Schluss. Ob für diese Entscheidung dieselben Schlaumeier verantwortlich waren, die auch damals bei Technics den Stecker zogen, ist mir nicht bekannt. An den Kosten von Panasonic AVC Networks in Xiamen, im Südosten Chinas gelegen, wird es kaum gelegen haben.

Aber ich schweife ab. Ich gebe zu, mir fehlt die Compact-Cassette. Das nicht Perfekte. Mir fiel schon der Wechsel von Vinyl auf CD schwer, nicht so sehr wegen des Klangs, sondern immer wieder erwartete ich den gewohnten Kratzer auf der Lieblings-LP, den es auf der Compact Disc nicht gab.

Compact-Cassette TDK SA-X
Die TDK SA-X kam 1979 erstmals auf den Markt. Heute ist sie fast nur noch gebraucht zu haben (Foto: Pixabay)

Ähnlich ging es mir bei Cassetten. Bei bestimmten Stücken rechnete ich innerlich noch immer mit dem abrupten Ende oder (hohe Kunst) einem eleganten Ausblenden. Das ging recht lange so. Was habe ich Moderatoren (Thomas Gottschalk soll da gefürchtet gewesen sein) verflucht, wenn sie wieder in ein lang ersehntes Musikstück reinquatschten.

Ausblenden ging da nicht, da half nur die Pausentaste, in der Hoffnung, dass wieder in dasselbe Stück eingeblendet wurde. Meistens vergebens. Ja, da wurde die Musik noch mit der Hand gemacht! Nun ja, die Aufnahme. Bei mir und meinen Freunden galt die eiserne Selbstverpflichtung, stets Alben zu kaufen, die keiner von uns hatte, aber jeder haben wollte.

Wer sich eine neue Scheibe leisten konnte, gab diese dann zum Mitschneiden her. Heute ist alles beliebig und deutlich günstiger mit Streaming-Diensten zu haben. Auch für unterwegs. Musik hat eben leider nicht mehr den Stellenwert, den sie früher einmal hatte. Eigentlich gibt es keinen Grund für die Wiederkehr der Cassette.

Bin ich sentimental? Bestimmt! Zumindest bei der Compact-Cassette. Dabei habe ich noch nicht mal mit den Tonbändern angefangen. Liebe Freunde der HiFi-Kunst, diese geballte Wucht an Mechanik, das hat doch was! Und jeder versteht, wie das technisch funktioniert. Fast wie ein Grammophon.

In diesem Zusammenhang gibt es übrigens ganz hervorragende Nachrichten. Tatsächlich hat sich die Schweizer Edelschmiede und Tonbandlegende REVOX überzeugen lassen, eine neue Bandmaschine herzustellen!

Das Gerät basiert auf der Studer B-676 und soll noch in diesem Sommer für voraussichtlich 4.500 Euro auf den Markt kommen.

Doch zurück zu Compact-Cassette. Auch wenn mich die Kollegen in der LowBeats Redaktion mit meinem Fetisch zur Bandaufnahme auf den Arm nehmen; aber dieses stets leichte Rauschen im Hintergrund und der Zwang, eine Compact-Cassette durchzuhören, das fehlt mir.

Vorspulen war ja eine Katastrophe, man traf ja eigentlich nie die richtige Stelle, zudem dauerte es ewig. Durchhören war und ist angesagt. Und 45 Minuten pro Seite haben da eigentlich gelangt. Platte war kürzer. Und, liebe Kollegen, wenn nicht auch ihr in euren Tagträumen damals einem Nakamichi Dragon oder einer ZX-1000 nachhingt, dann will ich nicht mehr Weber heißen!

Es gibt übrigens noch eine kleine Ecke in der Welt, die noch heil ist. Die befindet sich in Asien, genauer gesagt in Malaysia. Dort schätzt man die Robustheit (sic!) der Tapes, zudem ist es angesagt, sie zu besitzen.

Der eigentliche Grund liegt jedoch darin, dass es für Newcomerbands zu teuer ist, auf Vinyl zu produzieren. Eine Compact-Cassette kostet die Bands einen Dollar in der Herstellung, eine Schallplatte etwa 15 Dollar. Einfacher Grund: Es gibt dort keine Werke, die Platten pressen könnten, aber noch Fabriken für Leerkassetten und die sind einfach gnadenlos billig.

Eines gilt es bei der Wiederkehr der Cassette noch aufzuklären: den Cassettenboom in den USA. Ausgerechnet Teenagerschwarm Justin Biber zeichnet dafür mitverantwortlich.

Sein Album „Purpose“ erschien auch in einer 1000er Audio-Cassetten-Auflage, die schnell ausverkauft war, ebenso wie Sondereditionen von Eminem oder Prince. Aber seien wir ehrlich: Das ist nicht dasselbe. Da fehlt der Cliffhanger.

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