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Jamie T: Südlondoner mit veilen musikalischen Wurzeln
Jamie T: Schnörkellos, immun gegen Firlefanz und very british: Jamie T(reays) ist ein echtes „london kid“ – The Clash, die Babyshambles und die Libertines sind Eckpfeiler seines Musikkosmos. Mit „Trick“ feuert er eine vehemente Breitseite gegen die populistischen Prediger der Gegenwart. Die Waffen des 30-Jährigen aus Wimbledon: Punkrock, HipHop, Raggamuffin und Elektroclash (Foto: Virgin/Universal)

Jamie T Trick – CD der Woche 35/2016

LowBeats Autor Christof Hammer hat Auge und Ohren in allen Musik-Genres und stellt bei uns jede Woche besonders hörenswerte Alben vor. Die zweite (von zwei) LowBeats CDs dieser Woche ist Jamie T Trick. Darin bearbeitet der englische „street boy“ Jamie T vehement die Schnittstelle zwischen Rap und Indie-Rock – also genau wie Banks & Steelz von der ersten Platte der Woche (Anything But Words). Allerdings kommt Jamie T zu einem gänzlich anderen Ergebnis …

Doch, es gibt sie sehr wohl, die Youngsters aus der (englischen) Szene, die den Indie-Gitarrenrock mit HipHop und Rap unter einen Hut bringen. Ähnlich wie Kollege Mike Skinner (aka The Streets) ist der Jamie T ein musikalisches „street kid“. Eleganz und Noblesse sind nicht seine Sache.

Mit hartem Südlondoner Akzent gerappte Lyrics und technoide Sounds bestimmen den Auftakt und das Finale seines dritten Albums Trick. In „Tinfoil Boy“ und „Drone Strike“ rappelt es ordentlich in den Speakern – hier zeigt sich Jamie T als Rock-Rebell, der die produktionstechnischen Mittel der Gegenwart benutzt, um Haltung zu zeigen.

Im Mittelteil von Trick wechselt der 30-Jährige dann die Waffen, nicht aber die Attitüde. Punk, Spurenelemente von weißem Großstadtreggae und viel kerniger Indierock betonen die angelsächsischen Gene dieses Sounds.

Vor allem aus seiner Liebe zu The Clash hat Jamie T ja nie einen Hehl gemacht – in „Robin Hood“ tritt sie offensiv und mit der richtigen Portion Dreck und musikalischem Anti-Establishment zu Tage. „Tescoland“ ist dann eine Hommage an Pete(r) Dogherty und die Babyshambles, und „Power Over Men“ knüpft dort an, wo 2005 die seinerzeit famose Britrock-Band Hard-Fi (remember Cash Machine?) anfing, aber seither leider nicht weitergemacht hat.

Jamie T Trick: Raue Wahrheiten rau präsentiert

So positioniert sich Jamie T als Musikertyp mit Mut zur klaren Kante – das gilt für den sehr kernigen Klang, aber auch politisch: Für das Cover wählte er ein 1843 entstandenes Bild des englischen Malers Paul Falconer Poole (1806-1879).

Es zeigt den fundamentalistischen Quäker Solomon Eccles (oder auch „Eagle“) – im von der Pest heimgesuchten London des 17. Jahrhunderts predigte dieser missionarische Wirrkopf vom Seuchentod als göttlicher Strafe für ein vermeintlich unchristliches, nicht gottgefälliges Leben.

Religiös verbrämter Blödsinn mit tödlichen Risiken und Nebenwirkungen, wie ihn allzu viele Populisten der Moderne in Amerika und Europa in abgewandelter Form auch heute wieder hinausposaunen.

So ist Jamie T Trick nicht nur ein Brett aus kernigem, schnodderig-britischem HipHop-Rock, sondern auch ein Statement gegen die Rattenfänger der Gegenwart mit ihren miesen Tricks, in einer Welt voll immer komplexerer Probleme eine vermeintlich billige (Er-)Lösung zu versprechen.

Cover Art von Jamie T Trick
Cover – ein Bild des englischen Malers Paul Falconer Poole – mit politischer Botschaft. Jamie T Trick mahnt vor Populisten (Cover: Amazon)

Jamie T Trick ist erschienen bei Virgin/Universal und erhältlich als Audio-CD, Vinyl LP und MP3-Download

Jamie T Trick
2016/09
Test-Ergebnis: 3,7
GUT – SEHR GUT
Bewertung
Musik
Klang
Repertoirerwert

Gesamt

Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.