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Limitiertes Sondermodell Guinand HS 100 zum 100- Geburtstag von Helmut Sinn.
Auf 100 Exemplare limitiert: Sondermodell Guinand HS100 zum 100. Geburtstag von Helmut Sinn. (Foto: Guinand)

Legende lebt: Guinand HS100 zum 100. von Helmut Sinn

Die Guinand HS100 ist einem äußerst bemerkenswerten Menschen gewidmet. Aber beginnen wir ganz am Anfang.

Rückblende: Der Doppeldecker jagt mit ohrenbetäubendem Lärm sehr tief über die Scheune eines Bauernhofs im Elsass hinweg.

Doch der Sechsjährige, der diesem Anfang des letzten Jahrhunderts besonders spektakulären Szenario beiwohnt, hat keine Angst. Er ist so bewegt und begeistert von diesem Anblick des tollkühnen Mannes in seiner knatternden Kiste, dass er unverrückbar den Entschluss fasst, später selbst Pilot zu werden.

Heute begeht der am 3. September 1916 in Metz, Lothringen geborene Junge seinen 100. Geburtstag. Und seinen Traum hat er wahr gemacht.

Helmut Sinn, bekannt für die nach ihm benannten Fliegeruhren, hat alles erreicht, wovon ein Jahrhundert später immer noch alle artgerecht aufgezogenen Jungen träumen.

Helmut Sinns 100. Geburtstag
Space Cowboys: Astronaut Klaus-Dietrich Flade trug auf der MIR-Mission diese Sinn 142 S, die er zum 100. Geburtstag ihres Schöpfers Helmut Sinn (Mitte) mitbrachte (Foto: S. Schickedanz)

Wenn man sich vor Augen führt, womit wir heute unisono von Ärzten, Wissenschaftlern, Medien und Weltverbesserern gegängelt werden, wie wir uns zu verhalten haben für ein langes und gesundes Leben, taugt der Lebenslauf des Draufgängers eher als abschreckendes Beispiel.

Er flog riskante Kriegseinsätze im 2. Weltkrieg für die deutsche Luftwaffe, landete dabei mit seiner Ju 52 sogar im Kessel von Stalingrad, wurde dann Blindfluglehrer („meine Freunde wurden als Jagdflieger an der Front verheizt“), fuhr Wüstenrallyes und flog auf Frauen.

Damit nicht genug. Wer jetzt denkt, der „schnelle Helmut“ würde diesen Tag in einem Sanatorium im Kreise einiger Familienmitglieder begehen, der kennt den unverwüstlichen Flieger nicht. Sinn feiert wie ein Popstar in einer Frankfurter Location mit einem Haufen Leuten.

Guinand HS100: Das schenkt man einem Pionier zum 100. Geburtstag

Ein besonderes Geschenk kommt von seiner ehemaligen Firma. Nicht von der, die seinen Namen trägt – die hat immerhin eine Anzeige geschaltet –, sondern von seiner letzten unternehmerischen Spielwiese: Guinand stellte am Tag vor dem runden Geburtstag das Sondermodell Guinand HS100 vor.

Ausgewiesen wird die Pretiose durch die gravierte Limitierungsnummer „XXX von 100“ zwischen den Bandanstößen. Der mechanische Fliegerchronograf ist schließlich strikt auf 100 Exemplare limitiert.

Er baut auf einem Klassiker der 1960er Jahre auf und verwendet ein Automatikuhrwerk vom Kaliber ETA/Valjoux 7750 mit rot ausgelegter Gravur des Rotors hinter Saphirglas.

Die Guinand HS100 bietet die wichtigsten Chronographen-Funktionen (30-Minuten-, 12-Stundenzähler und große Stoppsekunde) sowie eine Fliegerlünette aus Leichtmetall für Kurzzeitmessungen, die man nach beiden Seiten drehen kann.

Die Chronographendrücker der Guinand HS100 sind geschützt und wie die verschraubte Krone mit doppelten O-Ringen abgedichtet.

Der Flieger-Chronograph ist wasserdicht bis zu einem Prüfdruck von 20 bar, unterdrucksicher, stoßsicher (nach DIN 8308) und antimagnetisch (nach DIN 8309).

Durch die neue Anordnung der Totalisatoren pflanzt Guinand dem 40,6 mm durchmessenden Chronografen eine Datumsanzeige an der Position 4 Uhr ein und bietet damit eine zusätzliche, den heutigen Anforderungen entsprechende Funktion.

Guinand HS100: Die Kunst des Weglassens

Als ich die Guinand HS100 zu Gesicht bekam, war ich angenehm überrascht. Guinand hat unter seinem neuen Eigentümer Matthias Klüh der Versuchung widerstanden, irgendeinen womöglich noch vergoldeten Vintage-Sammler-Kitsch mit stilistischen Anklängen an die Fliegeruhren aus der Zeit zu Sinns Geburt aufzulegen.

Die Optik der Guinand HS100 entspricht nicht nur der Zeit, in der Helmut Sinn in Frankfurt am Main seinen Handel mit Fliegeruhren begann. Es gab auch mal ein sehr ähnliches Modell, das eng mit der erfolgreichen Sinn 103 verwandt ist.

Die Farbgebung mit schwarzem Zifferblatt, weißen Totalisatoren und einem Touch von Rot orientiert sich an den Stadtfarben von Frankfurt, passt aber auch perfekt zur Epoche, auf die das sachliche Instrumenten-Design zurückgeht.

Limitiertes Sondermodell Guinand HS100 zum 100- Geburtstag von Helmut Sinn.
Auch das gelochte Lederband der Guinand HS100 ist Teil des besonderen Designs. Schwarz, Weiß und Rot symbolisieren die Farben Frankfurts auf dem sachlich klaren Zifferblatt (Foto: Guinand)

Schließlich war es jene Sachlichkeit, die leichter Ablesbarkeit im Einsatz bei der Fliegerei oder bei Rallyes dient, die den Erfolg des Entrepreneurs begründete.

Nach dem Krieg, den er mit Lungentuberkulose im Gefangenenlager mit Ach und Krach überlebte, begann Helmut Sinn mit Uhren zu handeln, die anfangs allerdings gar nichts mit seiner späteren Erfolgsformel zu tun hatten.

Die erste Sinn-Uhr kam in Gestalt eines Hündchens, bei dem die beiden Augen die Funktion von Zeigern übernahmen. Mit diesem Kitsch machte der Unternehmer bei den Besatzern Kasse.

Helmut Sinn kalkuliert alles mit ein

Dabei spielten neben unternehmerischer Kalkulation gewisse Emotionen eine Rolle. Sinn rechnete wie folgt: 30 Mark im Einkauf, 45 Mark im Verkauf und fünf Mark Aufschlag für Amerikaner.

Der Grund dazu liegt in seiner Vita. Mit der TBC-Infektion vorzeitig aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, machte sich Sinn auf den beschwerlichen Weg nach Hause.

Ein US-Soldat verpasste dem schwerkranken Mann unterwegs einen brutalen Fußtritt mit den zynischen Worten „willkommen in der Freiheit, Sonnyboy.“ Das traf ihn ins Mark – und ins Steißbein, wo er lange an den Schmerzen des „Befreiungstritts“ litt.

Bald importierte Sinn Profiuhren des schweizerischen Herstellers Heuer (inzwischen TAG Heuer), bevor er selbst mit der Entwicklung von Fliegeruhren begann.

1961 gründete er die Firma Sinn Spezialuhren, die er bis in die 90er alleine führte. Die romantische Vorstellung des Alphatiers, nach dem Verkauf seines Unternehmens noch in Teilzeit dafür tätig zu sein, zerschlug sich in kürzester Zeit.

Limitiertes Sondermodell Guinand HS 100 zum 100- Geburtstag von Helmut Sinn.
Die allererste Sinn-Uhr: Nach dem Krieg verkaufte Helmut Sinn einen Hund mit Augen als Zeiger an GIs als Souvenir aus dem besetzten Deutschland (Foto: S. Schickedanz)

Der ehemalige IWC-Ingenieur Lothar Schmidt hatte verständlicherweise seine eigenen Vorstellungen, als er die vom Uhrenmagazin als „Perle der Uhrenindustrie“ bezeichnete Firma 1994 übernahm.

Das muss einen Macher wie Sinn so gewurmt haben, dass er sich nicht nur erst mal trotzig zurückzog, sondern nach kurzer Pause gleich wieder als Unternehmer aktiv wurde.

Neustart mit 79 Jahren

Guinand, 1865 in Les Brennets, Schweiz gegründet, war seinem bisherigen Unternehmen über lange Jahre als Lieferant verbunden und befand sich Mitte der 90er in wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Da sprang Helmut Sinn 1995 als Retter ein und war über Nacht wieder Uhren-Hersteller – im zarten Alter von 79 Jahren.

Fast schien es, dass der verhinderte Rentner aus dieser Tätigkeit enorme Kraft bezog. Erst im hohen Alter unternahm Sinn einen erneuten Rückzugsversuch.

Er setzte den Uhrenfachmann Horst Hassler sowie einen seiner Söhne als Geschäftsführer ein und fungierte als Image-Träger und halbwegs stiller Teilhaber.

Helmut Sinn wird 100
Helmut Sinn übt hier nicht für einen Auftritt mit den Rolling Stones, wo er beileibe nicht als Ältester durchginge. Aus dem Stand hielt der Popstar der Uhrenbranche – mit 100 immer noch ein Enfant Terrible – eine pointierte Rede, die manchen aufhorchen ließ (S. Schickedanz)

Doch auch Hassler und Sinns Sohn hatten inzwischen längst das Rentenalter erreicht und wenig Vergnügen daran, das vom Schweizer ETA-Monopol mit seinen Werken abhängige Geschäft auf ewig weiterzuführen. Sie suchten erfolglos nach geeigneten Nachfolgern und machten 2014 die Firma dicht.

In allerletzter Minute erfuhr der Sinn-Fan Matthias Klüh von der Geschäftsaufgabe und sprang mit Erfahrungen und Ersparnissen ein, die er unter anderem im Vertrieb von Messtechnik für Industrieanlagen bei einem großen Konzern gemacht hatte.

Doch die GmbH war schon aufgelöst, die Räume gekündigt, die Mitarbeiter hatten neue Jobs. So übernahm er Namen, Lieferanten und Teilevorräte und wagte Ende letzten Jahres einen kompletten Neustart.

Helmut Sinns 100. Geburtstag
Prominenten in den Mund gelegt: Matthias Klüh (Guinand): „Also Helmut, wir entwickeln schon mal die HS130, die paar Jahre schaffst Du doch mit links“ (Foto: S. Schickedanz)

Seitdem kommen nur noch die Roh-Werke aus der Schweiz, die restlichen Teile, Veredelungen und die Montage sind „Made in Germany“ – wie der Aufdruck auf dem Zifferblatt verdeutlicht.

Damit vollendet Klüh den schrittweisen Umzug von Guinand nach Deutschland, ließ aber gleichzeitig den Kontakt zu den Nachfahren des Firmengründers aufleben.

Mit der am 2. September in den neuen Geschäftsräumen im Hausener Weg 61 im Norden Frankfurts vorgestellten Guinand HS100 liefert der Frankfurter Hersteller eine individuelle, aber gleichzeitig funktionelle Zeitmaschine, über die schon Wochen vor der Premiere in den einschlägigen Uhrenforen spekuliert wurde.

Wir gratulieren Guinand zu diesem raren, aber erschwinglichen Musthave für alle Sinn-Fans und dem U(h)r-Gestein Helmut Sinn zum vollen Jahrhundert, das er selbstbestimmt, selbstbewusst und selbstfahrend am Steuer eines eigenen Autos vollendet.

Kein Zweifel, dass er sein höchstes Ziel der späten Jahre ebenfalls erreicht: Sinn will 103 Jahre alt werden – mindestens…

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Weitere Informationen auf der Website von Guinand Uhren

 

Autor: Stefan Schickedanz

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Schneller testet keiner. Deutschlands einziger HiFi-Redakteur mit Rennfahrer-Genen betreut bei LowBeats den Bereich HiFi im Auto sowie die Themengebiete Mobile- und Smart-Audio.

2 comments

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    Stefan Schickedanz

    Heute hat Guinand auf seiner Facebook-Seite bekannt gegeben, dass die auf 100 Stück limitierte Jubiläumsuhr HS100 bereits ausverkauft ist und es definitiv keine weiteren Exemplare geben wird. Statt dessen können sich alle, die leer ausgegangen sind, durch Anruf bei Guinand in eine Wartelist eintragen lassen, falls noch einer abspringt. Wer eine ergattert hat, darf sich freuen, weil eine positive Wertentwicklung unter diesen Umständen sehr wahrscheinlich ist.

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    Stefan Schickedanz

    Weil die Limited Edition bereits in einer Woche ausverkauft war, versteigert Guinand den Prototyp der HS100 für einen guten Zweck. Der Erlös der Versteigerung kommt der Aktion „FAZ Leser helfen“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu Gute. Aktuell liegt das höchste Gebot der bis zum 11. Dezember laufen Auktion schon über 2100 Euro. Das ist einiges mehr, als der zu Ehren Helmut Sinns (100) in 100 Exemplaren aufgelegte Sportchronograph laut Listenpreis neu gekostet hat. Mehr finden Sie hier auf der Website des Herstellers: https://www.guinand-uhren.de/prototyp-hs100.html