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Bentley an der Box, Nürburgring 2015
Bentley beim Boxenstopp (Foto: S. Schickedanz)

Mit Naim und Bentley am Nürburgring

Gewöhnlich kenne ich den Nürburgring vom 6-Stunden-Rennen unseres Partners Four Motors, der mit seinem Bioconcept-Car für eine alternative Form des Rennens wirbt und wo zu den Mahlzeiten im Fahrerlagerzelt der Grill angeworfen wird und statt Chardonnay oder Champagner Ketchup und Mayo in Strömen fließen. Nun war ich zu einem anders gelagerten Ereignis hier: Das Rennen der Blancpain Endurance Serie, bei dem auch schwere Bentley-Limousinen mit 250 Kilometer pro Stunde über den Nürburgring kacheln. Ich wollte bei dieser Gelegenheit gleich einen Hörtest des Naim-Systems eines Bentley Continental GT machen, den ich kurz auf den Straßen der Eifel fahren konnte.

Nun also bin ich am Ring und alles ist so schön multi-kulti hier, kein Mensch spricht Deutsch. Was auf volkstümlicher Ebene gelegentlich Reibungsverluste erzeugt – hier funktioniert das Zusammenleben der Kulturen wie geölt. Mein Ansprechpartner für den Hörtest am Rande des Rennens ist Doug Graham, der Verkaufsdirektor des englischen High-End-Spezialisten Naim Audio, der genau wie ich zur zügigen Fahrweise neigt.

Dough Graham, Naim Audio
Sales Director Doug Graham von Naim Audio zeigte einigen Journalisten am Nürburgring, wie gut die Zusammenarbeit mit Bentley Motors läuft. Der HiFi-Hersteller aus Salisbury liefert nicht nur Anlagen für das ganze Modellprogramm, er sponsert sogar das Rennauto von M-Sport (Foto: S. Schickedanz)

Nach einem der Marke Bentley angemessenen Edel-Snack kommt Bewegung in die Sache. Zusammen mit Doug lasse ich mich von einem Herren im weißen Rennoverall auf den VIP-Parkplatz zu einem zweitürigen Coupé in Graumetallic führen. Der Rennfahrer setzt sich neben meinen englischen Begleiter auf den Beifahrersitz des Continental GT, damit er notfalls eingreifen kann. Bentley möchte nichts dem Zufall überlassen – für mich eine Gelegenheit, den mit edlem Leder ausgeschlagenen, geräumigen Fond kennen zu lernen.

Bentley Continental GT
Der Continental GT ist die 2,3 Tonnen schwere Basis des GT3-Rennwagens. Er bietet Leder und Luxus-Sound von Naim Audio (Foto: S. Schickedanz)

Nach zehn Minuten drängt uns der Aufpasser, umzudrehen und zurück zum Start zu fahren, wo auf den GT der nächste Testfahrer und auf uns neue Attraktionen warten. Die Zeit reicht gerade noch, ein paar Fotos für meinen Bericht zu schießen und von Doug das Steuer zu übernehmen.

Der Bentley ist ein Smoothie auf vier Rädern

Der Continental GT fährt sich smooth und schwerelos. Alles geht leicht und ich spüre das hohe Gewicht von 2,3 Tonnen auf der kurzen, schnellen Landstraßen-Runde eigentlich nur beim Bremsen, wo der Continental vorne tief in die Federung eintaucht. Der 12-Zylinder aus dem Volkswagen-Baukasten zieht gleichmäßig und unaufgeregt. Er wirkt trotz seiner rund 600 Pferdchen keineswegs brutal im Anzug.

Stefan Schickedanz im Bentley Continental GT
Die Testrunde war viel zu kurz, um den Sound des Naim-High-End-Systems zu goutieren (Foto: S. Schickedanz)

Der avisierte Hörtest wird leider durch den Zeitplan stark eingeschränkt. Der Rennfahrer neben mir hat einen eigentümlichen Musikgeschmack; dazu spielt er Aufnahmen von fragwürdiger Klangqualität auf seinem über Bluetooth verbundenen iPad und es scheint, als hätte jemand planlos an den Klangreglern oder den acht DSP-Programmen herumgespielt.

Doch in der Hektik blieb keine Zeit, die Einstellungen zu überprüfen. Zum Glück kenne ich die Naim-Anlage in den Grundzügen schon aus der Limousine Continental Flying Spur Speed, die ich vor Jahren für die sport auto testete und für sehr gut befand.

In der Limousine beeindruckte damals die Mühelosigkeit, mit der die selbst entwickelte 1.100 Watt starke Class-D-Endstufe Dynamiksprünge umsetzte. Im speziellen Naim-Live-Setup des DSP wirkte die Tonalität etwas sonderbar (was ihr in einem anderen Test Negativpunkte einbrachte), aber in der normalen Einstellung waren die Klangfarben sehr natürlich.

Besonders beeindruckte der extrem knackige und differenzierte Bass. Das äußerte sich in den besten Kesselpauken, die ich bis damals in einem fahrenden Automobil gehört habe. Mein einziger Kritikpunkt bezog sich auf die fehlende Klangbühnen-Abbildung, die aber angesichts der extrem klaren und spritzigen Wiedergabe in meinen Ohren leicht zu verschmerzen war.

Gentleman, start your engines

Gegen die damalige Ausfahrt mit einem AUDIO-Kollegen von Stuttgart zum Bodensee und nachts auf einer leeren Autobahn mit Warp-Speed zurück ist die Spritz- beziehungsweise Blitz-Tour im GT allenfalls ein kleiner Appetithappen, demnächst noch mal in Ruhe reinzuhören – sofern sich eine Gelegenheit bietet.

Nach gut 10 Minuten mit Gentleman-Racer-Feeling rund um den Ring schlängelte ich mich mit dem überraschend übersichtlichen Continental Coupé im Schritt-Tempo durch die Besuchermenge und parke es zwischen zwei Oberschicht-Limousinen auf dem VIP Parkplatz.

Die Last von 10.000 Pfund Selbstbeteiligung im Falle von Missgeschicken fällt von unseren Schultern, ich beschließe, mit Doug erst mal ein Bierchen zu trinken.

Bentley Mulsanne Blick vom Rücksitz
Dekadenz pur: Mit dem über 2,7 Tonnen schweren Mulsanne – das Auto ist nach einer Geraden benannt – raste ein Rennprofi mit uns um den Nürburgring (Foto: S. Schickedanz)

 

Der Bentley mit der Startnummer 7 mit Guy Smith, Steven Kane and Andy Meyrick lieferte sich packende Duelle und belegte am Ende den 2. Platz – auch in der Blancpain Endurance Serie. (Foto: Stefan Schickedanz)
Der Bentley mit der Startnummer 7 mit Guy Smith, Steven Kane and Andy Meyrick lieferte sich packende Duelle und belegte am Ende den 2. Platz – auch in der Blancpain Endurance Serie (Foto: S. Schickedanz)

Dann geht es in die Bentley-Box, wo wir einen Überblick über die Arbeit des Werksteams M-Sport bekommen. Doch das Beste kommt danach: Zwei schnelle Runden auf dem Grand Prix Kurs des Nürburgrings in einem Bentley Mulsanne Speed.

Ja, Sie haben richtig gelesen, in der größten Limousine aus dem Programm des britischen Herstellers. Über 5,5 Meter Außenlänge, fast 3,3 Meter Radstand und rund 2,7 Tonnen ohne Extras – doch dieses Prachtexemplar ist vollgestopft mit allem, was gut und teuer ist, inklusive Bar-Fach mit gekühltem Champagner, passenden Gläsern plus drei Journalisten als zusätzlichem Ballast.

Nomen est Omen: Die Mulsanne ist eine Gerade

Eigentlich sollte man meinen, das Automobil tauge nur zum Geradeausfahren, zumal es sinnigerweise nach einer Geraden benannt wurde. Mulsanne steht auf dem legendären Kurs von Le Mans für hohen Top Speed und Motorleistung – Punkte, an denen immerhin mit über 500 PS, 6,8 Liter Hubraum, über 1100 Nm Drehmoment und über 300 km/h wahrlich kein Mangel herrscht.

Der Fahrer ist ein Rennprofi, der den Wagen richtig ausquetscht, wobei er ihm bemerkenswerte Fahrleistungen abtrotzt. In einer schnellen Kurve bricht gar das Heck aus. Doch nichts knarzt oder verwindet sich. Selbst die Bremsen überstehen die Tortur mit links.

Vor 10 Jahren bin ich die Strecke mal selbst mit einem BMW M3 gefahren; damals hätte ich mir nie träumen lassen, sie noch einmal aus dieser extravaganten Fond-Perspektive zu sehen.

Nissan GT-R und Continental GT3-R am Nürburgring 2015
Um sich mit Sportwagen wie der roten Flunder rechts duellieren zu können, speckte Bentley den Continental GT3-R auf 1.300 Kilo ab (Foto: S. Schickedanz)
Bentley Continental GT Logo
Das Bentley-Wappen verleiht dem Continental GT Flügel: Der 2,3-Tonner wirkt fast schwerelos, sofern man ihn nicht zu hart pusht (Foto: S. Schickedanz)

Nach dieser Ehrenrunde mit dem Bentley-Fanclub im Corso sind wir bereit für die Hauptattraktion und mir bleibt der Mund offen stehen: Das Rennen der Blancpain Endurance Serie ist Racing für Erwachsene.

Beim 24-Stunden-Rennen hauen die Wagen nach einem kurzen Gastauftritt auf der Kurzanbindung des Grand-Prix-Kurses für eine gefühlte Ewigkeit auf die Nordschleife ab. Und das Starterfeld ist so riesig, dass man auch auf den Monitoren in den VIP-Lounges nur Fragmente hingeworfen bekommt.

Eigentlich lebt der 24-Stunden-Klassiker vor allem vom Trubel im Fahrerlager und der Lagerfeuer-Romantik an der Strecke. Doch hier kann man vom Turm fast die ganze Strecke einsehen und bekommt im Ring-TV die packenden Duelle rausgepickt.

Und wenn man auf dem Balkon vor der Lounge steht, braucht man nur etwas über eine Minute bis zur nächsten Vorbeifahrt der Favoriten zu warten. Außerdem bieten die Autos in dieser Serie einen genialen Sound, der allerdings ohne Ohrenschützer richtig weh tut.

Bentley im Finale: Der zweite Platz und trotzdem alles richtig gemacht

Am Ende belegten die Bentley-Boys Guy Smith, Steven Kane und Andy Meyrick den zweiten Platz des Rennens und sicherten sich den zweiten Platz der Meisterschaft. Das nötigt mir schon Respekt ab.

Wenn man sieht, mit welchen hochkarätigen Sportwagen das ursprünglich über 2,3 Tonnen schwere Herrenfahrerauto sich packende Zweikämpfe liefern kann, kann man erahnen, wie viel Arbeit in die Renn-Variante einfloss.

Schließlich bringt es selbst die Straßenversion des Bentley GT3-R noch auf stattliche 2,2 Tonnen. Die ausgeräumte und durch reichlich Carbon-gepimpte Rennversion wiegt dagegen „nur“ 1,3 Tonnen, was von beachtlichem Wissen um Karosseriebau zeugt.

Den Nissan GT-R, den der schnellere der beiden Bentleys bis zu dessen Abflug gut im Griff hatte, kenne ich vom Stowe Circuit in Silverstone und einem Straßentest. Das Auto ist eigentlich eine Waffe und würde um den komfortbetonten Schwergewichtler von heute Morgen Kreise fahren.

Also Chapeau – ich ziehe den Hut vor Bentley M-Sport. Die meinen es ernst und machen einen richtig guten Job. Und außerdem haben sie mir mit dem Day at the Races eines meiner schönsten Rennwochenenden bereitet. Und dass der Hörtest so mager ausfiel, konnte diesen Eindruck nur ein ganz klein bisschen trüben …

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Bentley GT3-R beim Boxenstop Nürburgring 2015
Beim Boxenstopp zählt jede Sekunde (Foto: S. Schickedanz)
Bentley und Nissan GT-R an der Box, Nürburgring 2015
Beinahe kommt es zum Crash zwischen dem Bentley GT3-R und Nissan GT-R (Foto: S. Schickedanz)
Bentley und Nissan GT-R Beinah-Crash Nürburgring 2015
Beide Autos entgehen dem Crash nur knapp und gehen in der gleichen Reihenfolge wie vorher zurück ins Rennen (Foto: S. Schickedanz)
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Autor: Stefan Schickedanz

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Schneller testet keiner. Deutschlands einziger HiFi-Redakteur mit Rennfahrer-Genen betreut bei LowBeats den Bereich HiFi im Auto sowie die Themengebiete Mobile- und Smart-Audio.