de
Sinkane Life And Livin'It
Stylish by nature: Ahmed Gallab alias Sinkane könnte glatt als Doppelgänger des amerikanischen Black-Music-Überfliegers Pharell Williams über den Broadway tigern – falls er nicht zuvor wegen seiner Herkunft ein Opfer der Politik des derzeitigen amerikanischen Präsidenten wird.

Sinkane Life & Livin’ It – LowBeats CD der KW 7

Die LowBeats CD der KW 7 kommt von dem afrikanischen Musiker Ahmed Gallab aka Sinkane. Eine Afropop-CD also? Viel mehr als das, meint LowBeats Musikautor Christof Hammer. Sinkane Life & Livin’ It  ist ein famoser, vielschichtiger Soundhybrid, der sich nicht auf seine afrikanischen Roots beschränken lässt, sondern das Beste aus Indierock, Elektropop, Soul, Funk und vielem mehr in sich vereint.

Keine Ahnung, wo Ahmed Gallab sich gerade herumtreibt, aber sollte er  außerhalb der USA unterwegs sein: Vielleicht hängt auch er in irgendeinem Winkel dieser Erde fest – „lost in translation“, gestrandet zwischen den Welten im Chaos der Einwanderungspolitik von Donald Trump. Der in New York lebende Multiinstrumentalist Gallab hat schließlich sudanesische Wurzeln – das genügt in Zeiten wie diesen, um schwuppdiwupp vom Bürger zur persona non grata zu werden.

Was der in Ohio aufgewachsene, in New York lebende Musiker aus dieser Situation machen würde? Wahrscheinlich ein Studio buchen und weiter an seinen durch und durch modernen Soundentwürfen basteln, die seine Herkunft und seine Weltoffenheit zugleich reflektieren – und den Antrieb seines Lebens ausmachen: Ohne Musik geht es für ihn nicht.

Tough times? Lass uns das Beste draus machen! „Die Zeiten sind schwierig“, erklärt Sinkane, „doch Kämpfe zu führen war schon immer Bestandteil unseres Lebens. Aber Hoffnung und Optimismus helfen uns, am Leben zu bleiben, morgens aufzustehen, Musik zu machen und mit anderen Menschen zusammenzukommen.“

Wo auch immer er gerade arbeitet oder performt: Ahmed Gallab ist ohnehin ein Wanderer zwischen den Welten. Er spielte für das und mit dem kanadischen Elektropop-Projekt Caribou ebenso wie für dessen amerikanisches Gegenstück Yeasayer und dessen englisches Pendant Hot Chip, agierte 2014 als musikalischer Direktor der (Mr. President, bitte übernehmen Sie …) Atomic Bomb Band, einer von dem nigerianischen Funkmusiker William Onyeabor gegründeten Weltmusik-Supergroup und versammelte dort Gäste wie Blur-Mastermind Damon Albarn, Ex-Talking-Head David Byrne sowie die Elektroclash-Bands LCD Soundsystem oder The Rapture zu fulminanten Sessions. All das spiegelt nun auch Sinkanes inzwischen sechstes Soloalbum.

Sinkane Life & Livin’ It: „Afro-Indie-Synthie-Funky-Cola“

Sinkane Life & Livin’ It ist sozusagen die „Afro-Indie-Synthie-Funky-Cola“ im musikalischen Getränkemarkt – der Exot und bunte Farbtuper, der im Einerlei der übersüßten Allerweltsbrausen für überraschende Geschmackserlebnisse sorgt. Die Sinne kommen dabei sofort auf Touren, denn Sinkane versteht sich auf prickelnde Grooves ebenso gut wie auf süffige Melodien. Englische Texte und digitale Klänge treffen auf Bläser, Percussion oder eine Flöte, die afrikanisches Flair in den Sound einbringen.

„Deadweight“ eröffnet das Programm mit einem Talking-Heads-artigen Mix aus E-Gitarren und züngelnder Percussion und kombiniert zudem eine Orgel in Doors-Manier mit diffus umherlichternder Elektronik: ein satt groovender Schieber mit dunklem, großstädtischem Flair. Das nachfolgende „U’Huh“ besticht mit schnittigen Bläsern und pumpendem Bass und besitzt erneut jenen funky-neurotischen Unterton, der leicht an David Byrne erinnert.

Mit dem unbeschwerten „Favorite Song“ steht hingegen ein Partysong parat, der in den Bars und Cafés vom Prenzlauer Berg bis zum Glockenbachviertel zum Sommerhit der Saison avancieren. „Fire“ wiederum zeigt eine Nähe zum dunklen Soulfunk der 70er Jahre im Stil des Temptations-Klassikers „Papa Was A Rolling Stone“ und Isaac Hayes’ „Shaft“-Soundtrack.

Und dass gerade Hinz und Kunz im Falsett singt, mag anderswo gelegentlich leicht deplatziert wirken; Sinkane indes steht die hohe Kopfstimme ziemlich gut – zumal er auch eine Oktave tiefer prima zurechtkommt. „Telephone“ oder „Won’t Follow“ (mit dezentem Reggae-Groove) schlagen mit elektronischen Grooves und handgemachten „talking drums“ einmal mehr die Brücke zwischen afrikanischen und westlichen Sounds und zeigen Sinkane als polyglotten Soundforscher, der einen viel zu weiten Horizont besitzt, um sich mit nur einem oder zwei musikalischen Stilen oder Klangfarben zu begnügen.

Cover Art Sinkane Life & Livin’ It
Sinkane Life & Livin’ It vermittelt schon per Cover ein buntes Lebensgefühl (Cover: Amazon)

Sinkane Life & Livin’ It erscheint bei City Slang im Vertrieb von Universal und ist erhältlich als Audio-CD, als LP in farbigem Vinyl und als MP3-Download.

Sinkane Life & Livin’ It
2017/02
Test-Ergebnis: 4,0
SEHR GUT
Bewertung
Musik
Klang
Repertoirerwert

Gesamt

Autor: Christof Hammer

Avatar-Foto
Seit vielen Jahrzehnten Musikredakteur mit dem Näschen für das Besondere, aber mit dem ausgewiesenen Schwerpunkt Elektro-Pop.