Bose ist bekannt für beeindruckende Produkt-Präsentationen, die selbst abgebrühte Profis bisweilen ungläubig staunen lassen. Doch zwischen dem spontan begeisternden Lärmschutz-Kopfhörer QC20 und für unsereins wenig ansprechenden Massenprodukten wie dem bunten SoundLink Colour zündet der kürzlich vorgestellte Bose SoundTouch 10 in zwei Stufen.
Erst fragst Du Dich ganz leise, was an dem schmucklosen, in Dunkelgrau oder Zahnweiss der Vor-Bleeching-Ära erhältlichen Wireless-Speaker so revolutionär sein soll, dass Bose darauf so stolz ist.
Vom optischen Auftritt her landet die Bluetooth-Box keinen Stich gegen den direkten Rivalen Omni 10 von Harman/Kardon. Der wird wenigstens in richtigem Schwarz und strahlendem Glanzweiss angeboten und lässt mit seinen organischen, klaren Formen den Newcomer reichlich bieder wirken. Kleiner Trost: Das Design der Sonos-Player ist auch nicht unbedingt der Hit.
Nun spielt das Bose SoundTouch 10 zum Test in meinen eigenen vier Wänden und ich komme aus dem Staunen nicht mehr raus. Ja, es ist kein Designwunder. Ja, es greift viele Lösungen der restlichen SoundTouch Familie auf, die inzwischen gemeinsam mit einigen Soundbars, dem Wave Music System und Lifestyle-Systemen auf WLAN und Bluetooth erweitert wurden.
Aber mit dem, was dieser 200-Euro-Speaker unter Praxisbedingungen leistet, beeindruckt er mich auf seine Art – wie kürzlich die neue B&W 802 D3.
Die je 100 Kilo schweren Superboxen verschieben zwar Grenzen, verschlingen andererseits aber auch 22.000 Euro – ohne die nötige Elektronik. Dafür kaufen sich, mit Verlaub, andere Leute ein Auto.
Für 200 Euro – soweit lehne ich mich aus dem Fenster – kannst Du derzeit kaum besser Musik genießen. Bequemer schon gar nicht. Vergiss Stereo, vergiss Kabelsalat, vergiss das ganze Gerede über Frequenzgänge. Die Kiste, deren Installation mit dem Anschluss an das Stromnetz schon größtenteils abgeschlossen ist, macht einfach Musik. Musik mit Seele.
Keine Ahnung, wie die Amerikaner das hingekriegt haben. Stellenweise grenzt es schon an Magie. Wenn Roger Waters oder David Gilmour in den alten Meilensteinen von Pink Floyd in die Saiten greifen, fängst Du zwangsläufig an, Luftgitarre zu spielen.
Das SoundTouch 10 im Praxistest
Man merkt unter realen Bedingungen sofort: Da hat sich jemand jede Menge Gedanken gemacht; den ersten Aufschlag, den Bose vor einiger Zeit mit der SoundTouch-Serie machte, nur als eine Art Entwicklungsplattform begriffen und sich die kleinen, hier und da geäußerten Kritiken zu Herzen genommen.
Nachdem ich bei meinem Test für allesbeste.de gemeinsam mit Thilo Röscheisen noch das Sonos-System trotz klanglicher Abstriche über die Bose-Lösung stellte, kehren deren Fortschritte bei Hard- und Software das Bild für über 80 Prozent der Benutzer komplett um.
Wer bei Null anfängt und daher keinen Wert auf Vernetzung der schönen neuen HiFi-Welt mit seiner bestehenden Old-School-HiFi-Anlage legt und zumindest für die nächste Zeit ohne die mit Sonos möglichen Stereo-Anwendungen auskommen kann, ist mit dem aktuellen SoundTouch-System bestens bedient.
Wer partout in Hi-Res-Qualität streamen will, der sollte sich dagegen in Richtung Harman/Kardon Omni oder Teufel Raumfeld orientieren. Aber wie gesagt, für das Gros der Anwender bietet jetzt Bose die beste Lösung.
Warum ist ein alter High-End-Hörer so begeistert von der kleinen Aktiv-Box? Da wäre zunächst die Installation. Du schaltest das Bose SoundTouch 10 an und kannst erst mal drahtlos über Bluetooth oder über Mini-Klinkenkabel via AUX Musik hören. Und zwar direkt aus dem Musik-Player Deines Handys. Wer auf Multi-Room machen möchte, der braucht etwas mehr Zeit, aber kein IT-Diplom.
Die knappe, gedruckte Anleitung führt einen zum Download der Apps für Smartphone (iOS oder Android), Mac oder PC. Dann übernimmt die Benutzerführung auf dem Bildschirm, die ihre Sache recht gut macht. Dass ich trotzdem etwas genervt war, lag an der fummeligen Eingabe meiner ganzen WLAN-Netzwerk-Einstellungen samt ewig langem Sicherheitsschlüssel aus lauter Zahlen in winzigen Feldern.
Nächster Punkt, der mir wieder positiv auffiel: Die Flexibilität der Hardware. Die Verbindung zweier Funktechnologien für kleine und mittlere Reichweite sorgt für hohen Praxisnutzen bei größter Einfachheit in der Anwendung.
Du verbindest Dich über Bluetooth und streamst Deine Musik mit sehr guter Qualität (über den Codec hüllt sich Bose in Schweigen) zum nächsten SoundTouch-Speaker.
Der verteilt das dann via WLAN im ganzen Heimnetzwerk, zu dem er über Wireless-Router Verbindung hält. Vergleichbare Hardware-Voraussetzungen hat auch Harmans Omni, doch hinkt deren Software Bose derzeit noch hinterher.
Allerdings bietet Harman einen handfesten Vorteil für Analog-Fans: Während das Bose SoundTouch 1o nur drahtlos digital eingespeiste Klänge an die anderen Lautsprecher einer Mehrzonen-Anlage weiterreichen kann, gelingt das mit dem Omni 10 oder Omni 20 auch über den Analog-Eingang. Das Adapt – eine kleine Blackbox – bindet gar die analoge HiFi-Anlage in beide Richtungen ins Multi-Room-System ein.
Bei der mitgelieferten Hardware hat Bose im Detail einen Vorsprung: Während Harman/Kardon auf die im letzten Test noch verbesserungswürdige Smartphone App Harman Kardon Controller setzt, vertraut SoundTouch auf eine sinnvolle Kombination aus SoundTouch App und Infrarot-Fernbedienung.
Das mag altmodisch beziehungsweise doppelt gemoppelt erscheinen, bewährt sich aber in der Praxis. Der erste Einsatz des SoundTouch 10 war die musikalische Untermalung eines Vollbads. Mal ganz abgesehen davon, dass ich beim iPhone keinen Wasserschaden riskieren wollte: Hast Du schon mal ein 5s mit Fingerabdrucksensor mit feuchten, geschweige denn nassen Händen bedienen wollen? Das funktioniert nämlich nicht.
Mit der Folientastatur der vorbildlich gestalteten Bose-Fernbedienung konnte ich nicht nur die Lautstärke regulieren, sondern auch in beide Richtungen skippen. Starten und Stoppen der Wiedergabe geht auch. Bose nutzt im Gegensatz zu den meisten ähnlichen Produkten beim Bose SoundTouch 10 konsequent den Rückkanal von Bluetooth, um die Lautstärke von Handy und Box synchron zu regeln, was die Bedienung und das Ausschöpfen der maximalen Dynamik erleichtert.
Speziell für das Streaming im Zusammenspiel mit der eigenen Bose SoundTouch App gibt es sogar noch Like-/Dislike-Buttons, um ihr das Zusammenstellen benutzergerechter Potpourris zu erleichtern sowie sechs Zifferntasten zum Speichern und Abrufen von Favoriten. Das können Musikstücke, Alben oder Internetradio-Kanäle sein.
Selbst mit Spotify und Deezer arbeitet die App zusammen. Durch einen speziellen Deal beider Brands können Spotify-Nutzer das SoundTouch-System aber auch direkt aus der App des beliebten Online-Musik-Dienstes steuern.
Die Stabilität der Bluetooth-Verbindung ist top, sie reicht in meiner Wohnung, um das Smartphone in alle Räume mitzunehmen, während die Musik unterbrechungsfrei spielt. Das bewährte sich, als nach dem Hören vieler Playlists das iPhone an die Steckdose musste, die sich nicht in der Nähe meines Sitzplatzes befand. Schließlich konnte ich das iPhone über die Fernbedienung steuern. Klingt wenig spannend, ich weiß, es macht aber im echten Leben einen riesigen Unterschied aus.
Nach mehreren Tagen mit zwei Bose SoundTouch 10 im Netzwerk fällt meine Bilanz positiv aus – abgesehen von kleinen Kritikpunkten. Das iPhone muss immer mit dem WLAN-Netzwerk verbunden sein, sonst lässt sich die SoundTouch App nicht benutzen.
Ohne die App kannst Du aber keine Multi-Room-Wiedergabe einrichten. Das WLAN muss daher auch am iPhone parallel zu Bluetooth immer an sein und Du hantierst am Ende mit dem Apple Player und der Bose App herum, das empfinde ich als Umstand und wegen der zwei Funk-Systeme als Batterie-zehrend.
Da kannst Du eigentlich auch gleich AirPlay machen, was jedoch mit dem neuen SoundTouch-Geräten nicht mehr möglich ist. Durch das Hin und Her zwischen den beiden Apps fing das System bei mir auch manchmal an, seltsame Sachen zu machen. Das ist noch nicht narrensicher, da geht noch was!
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