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Cadillac CT6 mit Bose Panaray System
Cadillac CT6 in der Platinum Variante mit Bose Panaray System (Foto: S. Schickedanz)

Test Cadillac CT6 mit Bose Panaray: American Beauty

Cadillac verkörpert wie kaum ein zweiter Hersteller die amerikanische Flossen-Kultur aus der frühen zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts – kurzum alles, was der zu sachlichen Formen à la Audi tendierende deutsche Business-Class-Kunde mit Nippes verbindet. Der Cadillac CT6, der uns da am Berliner Flughafen (dem funktionstüchtigen aus dem letzten Jahrhundert) abholt, hat mit dieser von einigen Fransenjackenträgern immer noch gehuldigten Kultur etwa so viel gemeinsam wie ein Staatsmann vom Schlage Obamas mit dem hemdsärmeligen Amtsanwärter Donald Trump.

Italienisch anmutender Schick mit einem wohldosierten Hauch von politisch korrektem Macho-Gehabe beim markanten Kühlergrill mit dem Firmenwappen. Ich bin beeindruckt. Der Cadillac CT6 hebt sich ab, ohne zu dick aufzutragen und verkörpert Luxus im urbanen Gewandt. Innen kennt die Freude keinen Abbruch.

Das Ambiente stimmt. Es wirkt hochwertig und komfortorientiert ohne jegliche Plüschigkeit, erinnert aber gleichzeitig auch nicht an ein Taxi. Das HiFi-System sowieso nicht. Mit seinem aus der Mitte des Armaturenbretts automatisch beim Anschalten ausfahrenden Panaray zitiert es die Bühnen-Beschallung von Bose.

Bose Panaray vereint jede Menge Know-how

Mit dieser Verbindung aus PA-Anleihen und B&O-Inszenierung senden die Amis eine klare Message: „Das ist unser bestes Audio-System ever. In diesen 34 Lautsprechern steckt all unsere Automotive-Erfahrung“, die – es gibt keine Zufälle – auf den Cadillac Seville von 1983 zurück geht. Damit setzte Dr. Amar G. Bose vorausschauend den Trend, der mehr als drei Jahrzehnte danach richtig abhebt.

Das Tolle an den vielen Lautsprechern im Cadillac CT6 ist, dass es nicht nach vielen Lautsprechern klingt. Es ergibt sich vielmehr ein gleichmäßig im Wagen verteiltes Klangpanorama, das höher und breiter ist als in den meisten anderen Autos auf der Welt – ganz gleich, ob man hinten oder vorne sitzt.

Hier spürt man die geballte Klangkompetenz der Marke, die auch viele Kongress-, Sport- und Konzerthallen beschallt.

Cadillac CT6 mit Bose Panaray System
Das Panaray fährt beim Einschalten des Autoradios aus dem Armaturenbrett. Es baut auf Bühnentechnik auf und stabilisiert die außergewöhnlich große Hörbühne (Foto: S. Schickedanz)

Das Panaray ist eine ursprünglich für das transportable L1-PA-System entwickelte Anordnung von Breitbändern, mit der Bose eine gleichmäßige Schallverteilung in der horizontalen und der vertikalen Ebene erreicht. Solche Line-Arrays kommen auch in Kinos und Home Theatre Systemen von Bose zum Einsatz.

Auch die gegeneinander leicht verdrehten Doppel-Hochtöner des Articulated Arrays in den A-Säulen zielen auf die Erzeugung eines gleichmäßigen weiträumigen Klangfelds vor den Zuhörern der ersten Reihe, welches  zudem über dem Armaturenbrett Gestalt annimmt.

Mit diesem Leuchtturm-Projekt gibt Bose den Startschuss für die neue Unternehmensstrategie im Automobilsektor. Statt einfach alle Systeme vom Renault bis zum Porsche mit den vier bekannten Buchstaben zu belabeln, gibt es künftig vier Linien.

Leicht zu erraten, dass das Panaray ganz oben in der Kette steht. Das gilt nicht nur markenintern, sondern auch absolut. Die exzellente Ausgewogenheit braucht keinen Vergleich zu scheuen. Doch stimmig waren die Bose-Systeme schon immer.

Beim Cadillac geht die Homogenität einher mit einer sehr guten Bandbreite und einer herausragenden räumlichen Abbildung. Selbst hinten setzen die Amerikaner in der Mittelkonsole einen Center mit Line-Array ein, um die Bühne zu stabilisieren.

Die Folge ist ein vollständiges Eintauchen in die Musik, das sich selbst von den beiden Rücksitzen aus über ausfahrbare 9-Zoll-HD-Monitore nach Bedarf dosieren lässt. Sie gestatten etwa die Anpassung an den bevorzugten Sitzplatz oder die Feindosierung des Surround-Effekt-Pegels.

Cadillac CT6 mit Bose Panaray System
Die Doppel-Hochtöner sitzen weit oben in den A-Säulen und sind in verschiedene Richtungen angewinkelt, um als Articulated Array eine breite Abstrahlcharakteristik zu erreichen. (Foto: S. Schickedanz)

Vorne fällt auf, dass die Bühne in der Höhe und der Breite über das Armaturenbrett hinausragt und stabil bleibt. Das von zahlreichen Auto-High-End-Systemen bekannte Angeblasen werden, das Gefühl, auf einem tiefer gelegten Bündel Boxen zu hocken, entfällt.

Den Klang zeichnet etwas sphärisches aus. Er schwebt im Raum ohne diffus zu wirken.

Cadillac CT 6 mit Bose Panaray: All-inklusive-Philosophie

Die Leistungsreserven sind groß, auch wenn Bose sich mal wieder über Wattzahlen ausschweigt. Selbst akustische Parforceritte absolviert das Panaray System mit spielerischer Leichtigkeit. Der Bass kommt tief in den Keller, gefällt durch Wucht und Präzision, ist aber trotzdem eher weich als knackig.

Trotz dieser für Bose typischen Philosophie haben wir die tiefen Töne aus dem System im Porsche Panamera mit seinen außergewöhnlich großen 22-cm-Türbässen differenzierter in Erinnerung. Und auch die Höhen könnten etwas filigraner sein.

Man merkt ein wenig, dass hier weder exotische Bändchen noch Ringradiatoren wie im Burmester High-End-System der Mercedes S-Klasse am Werke sind.

Trotzdem ergibt sich ein überaus beeindruckendes Gesamtergebnis, das einen dem vielbeschworenen Konzertsaal in großen Schritten näherbringt.

Cadillac CT6 mit Bose Panaray System
Zwei ausfahrbare HD-Bildschirme in den Kopfstützen gestatten auch von hinten die Steuerung des Infotainment-Systems (Foto: S. Schickedanz)

Außerdem darf man nicht vergessen, dass das Panaray System keinen Aufpreis kostet. Es gehört zum Ausstattungspaket der Platinum-Variante, die für 94.500 Euro einen definitiven Schlussstrich unter das Aufpreis-Kapitel setzt, das bei den deutschen Herstellern eher mit Brockhaus konkurriert.

Was für diesen Preis an Aufwand betrieben wird, ist beachtlich. Es gibt im Verborgenen noch mehr Anleihen bei anderen erfolgreichen Bose-Produkten. Da wären die Bässe, die mit 7 cm Durchmesser kleiner als viele Mitteltöner sind, aber durch im Fußraum verstaute, ventilierte Bassgehäuse nach Art des VideoWave-Surround-Systems in Verbindungen mit weiteren Kniffen einen druckvollen Bass erzeugen. Dazu zählen die langhubige Auslegung und die vibrationshemmende Rücken-an-Rücken-Anordnung von gleich vier dieser Power-Minis pro Tieftongehäuse.

Eine weitere Spezialität versteckt sich in den Kopfstützen. Dort sitzen je zwei Breitband-Chassis, um im Nahfeld fein dosierte Rauminformationen einzuspielen. Dank der auch schon im Mazda MX5 verwendeten UltraNearfield-Bauweise und optimal abgestimmtem TrueSpace 2 Processing nimmt man die Lautsprecher nicht direkt hinter dem Kopf war.

Sie erzeugen somit einen weiträumigen Surround-Eindruck. Weil aber die meisten von uns nicht mit Surround-Aufnahmen auf die Reise gehen, sorgt Bose CenterPoint 3 Processing für Raumklang aus üblichen 2-Kanal-Produktionen, ganz gleich ob Radio, MP3 oder CD.

Bose SurroundStage 2, Advanced Staging Technology, Audio Pilot 2 im Cadillac CT6

Neben diesen Algorithmen benutzt Bose im Cadillac noch SurroundStage 2 und Advanced Staging Technology, um die Zuhörer in ein rundum geschlossenes Klangfeld mit klar definierten Bühnen für beide Sitzreihen einzuhüllen.

Zu guter Letzt sorgt AudioPilot 2 mit einem Mikrofon im Fahrgastraum unter Einbeziehung weiterer Fahrzeugdaten für eine wirkungsvolle Kompensation von Fahrgeräuschen, um den Klangeindruck über weite Geschwindigkeitsbereiche konstant zu halten.

Cadillac CT6 mit Bose Panaray System
Wer keinen Chauffeur beschäftigt, kann vorne am Touch-Screen sein System zum Beispiel auf den Fahrersitz optimieren (Foto: S. Schickedanz)

Doch was nutzt ein opulenter Sound, wenn das Auto selbst nicht mithält? Keine Angst, die Ingenieure von General Motors haben beim Cadillac CT6 ganze Arbeit geleistet und sich nicht nur einfach – wie bei den Lenkstockhebeln – von Opel im Konzernregal bedient.

Die Karosserie besteht aus einen High-Tech-Materialmix mit gewichtsoptimierten Leichtmetallgussteilen und hochfestem Stahl. Die dauerhafte Verbindung solcher Werkstoffe ist – Stichwort Kontaktkorrosion – alles andere als trivial. Am Schnittmodell sieht man übrigens sehr schön, dass der kurze V6-Biturbomotor mit 417 PS (in Deutschland die einzige Motorvariante) nicht über die Vorderachse hinausragt.

Diese ist nicht einfach, wie nach McPhersons alter Sitte, sondern mit doppelten Querlenkern aufgebaut. Die Gewichtsverteilung und die Radführung zeugen also von ernsten Ambitionen, es mit den deutschen Platzhirschen aus Süddeutschland aufzunehmen. Damit der Cadillac CT6 dabei eine gute Figur macht, haben ihm seine Erbauer einen Allradantrieb in die Wiege gelegt.

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Bose Panaray System: Center
Röntgenbild des ausfahrbaren Panaray-Centers mit seinen drei Breitbändern als Line-Source (Foto: Bose)
Bose Panaray System Breitbänder in Kopfstützen
Weitere Breitbänder in den Kopfstützen machen mit UltraNearfield-Technik den Raum nach hinten auf, ohne direkt am Kopf wahrgenommen zu werden (Foto: Bose)
Bose Panaray System: Bässe
Vier winzige 7-cm-Langhubbässe bewegen so viel Luft wie ein größeres Chassis – so die Theorie zu den Rücken an Rücken, zur Eliminierung von Vibrationen eingebauten Tieftönern, die eigene Gehäuse im Fußraum besitzen. Die Basis bildet das Bose VideoWave System mit seinem integrierten Kompakt-Subwoofer (Foto: Bose)
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Fahrtest Cadillac CT6

Das alles weckt meine Neugier. Auf den einsamen Landstraßen um die deutsche Hauptstadt gebe ich dem Botschafter neuer amerikanischer Fahrkultur die Sporen. Der Cadillac CT6 sprintet flott und mühelos dem Horizont entgegen wie John Wayne in seinen besten Tagen.

Dabei federt er trocken ab, verschont aber seine Besatzung beim Galopp über Landstraßen, die teilweise Erinnerungen an die DDR wecken, vor harten Stößen. Dabei lenkt er willig ein und bleibt in schnellen Biegungen bei jedem Tempo so weit neutral, dass ich mit Beifahrer auf ein Ausloten der Grenze verzichte.

Zwar ist die Lenkung nicht ultra-hochauflösend oder direkt, aber mit einem großen VW kann sie locker mithalten. Vom Platzangebot und Komfort spielt der Cadillac CT6 in der Klasse von Audi A8 oder 7er BMW, von der Wendigkeit her scheint er aber mindestens eine Klasse darunter angesiedelt zu sein.

Sehr gut gefallen mir Klang des Motors, Leistungsentfaltung und Traktion. Die Bremsen sind okay. Keine Brembo-Präzision, aber beileibe auch kein Bungee-Feeling. Ausgezeichnet finde ich die fast unmerklich im Hintergrund agierende Start/Stopp-Automatik, die zahlreiche Lösungen anderer Premium-Hersteller beinahe wie russische Traktoren-Technik anmuten lässt.

Video-Rückspiegel im Cadillac
Der Video-Rückspiegel ist ein cooles Gadget (Foto: S. Schickedanz)

Allein die Klimatisierung überzeugt mich nicht ganz, die einzelnen Luftaustrittsdüsen lassen sich nicht so universell dosieren, wie ich es von europäischen Autos gewohnt bin. Die restliche Ausstattung des in Deutschland ab 73.500 Euro mit einer Grundausstattung von immerhin 10-Bose-Lautsprechern angebotenen Cadillac CT6 ist dafür viel praller als bei vergleichbaren einheimischen Limousinen.

Die Platinum Version lockt neben dem Bose Panaray System gar mit Massage-Sitzen, 360-Grad-Kamera samt Vogelperspektive als Rangierhilfe oder Nachtsicht-Kamera, deren Bild in das virtuelle HD-Cockpit eingeblendet wird.

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Der Clou der unzähligen Extras im Cadillac CT6 ist der als HD-Monitor ausgeführte Innenspiegel, der sein Bild von einer Kamera im Kofferraumdeckel bekommt und deshalb nicht von Fahrgästen auf den Rücksitzen beeinträchtigt wird.

Allerdings zeigt er bei geöffnetem Kofferraum nur Sonne und/oder Wolken an, was aber kein Problem ist, sondern eher der Belustigung dient. Dafür empfand ich im Gegensatz zum begeisterten Kollegen den Blick in den Video-Rückspiegel irgendwie artifiziell.

Cadillac CT6 mit Bose Panaray System
(Foto: S. Schickedanz)

 

Cadillac CT6 mit Bose Panaray System
Italienisch anmutender Schick trifft amerikanischen Sound und Komfort: Der Cadillac CT6 mit Panaray System ist ein vielversprechender Anlauf von Cadillac und Bose im Top-Segment (Foto: S. Schickedanz)

Schön, dass die Anlage auch nach stundenlangem Hören mit hohen und niedrigen Pegeln bei unterschiedlichen Musikrichtungen immer sehr natürlich und unaufdringlich wirkt.

Was man als iPhone-Benutzer unterlassen sollte, ist die Kopplung über Bluetooth, weil das seltsam verphast klingt. Mit dem Androiden des Kollegen, der auch den modernen Apt-X-Codec unterstützt, finde ich dagegen am Drahtlos-Sound überhaupt nichts auszusetzen.

Wer das System voll ausreizen will, sollte freilich auf 5.1-Aufnahmen von DVD setzen. Dennoch bleiben die Unterschiede gerade bei Pop- und Rock-Musik bis auf die Enttäuschung mit dem iPhone erfreulich gering und können in der Fahrpraxis vernachlässigt werden.

Bleibt noch zu erwähnen, dass bereits das Basis-Modell mit Apple CarPlay und Android Auto aufwartet.

Fazit Cadillac CT6 mit Bose Panaray

Was die amerikanische Kooperation mit dieser Auto-Anlagen-Kombination geschaffen hat, besitzt Spaß- und Eroberungspotenzial.

Klang und Komfort eignen sich für Selbstfahrer und jene, die sich einen Chauffeur leisten können, gleichermaßen.

Auf andere Bereiche übertragen, entspricht die Entwicklung vom Bose-Cadillac Seville zum Bose-Panaray CT6 in etwa dem Sprung vom Schaufelraddampfer zum Luxusliner Aida.

Und selbst vom im letzten Jahr gefahrenen XXL-Geländewagen Escalade, der noch auf einem Rahmen aufgebaut wurde, ist der CT6 in HiFi-Sound und Fahrverhalten Lichtjahre entfernt.

Von der Abbildung und Tonalität spielt das erste Advanced System von Bose auf Augenhöhe mit den besten ab Werk erhältlichen Anlagen, von Attacke, Präzision und Auflösung lässt es den zugegebenermaßen teureren High-End-Systemen von Mercedes, Porsche und Co. vornehm den Vortritt.

Fürs Geld auf alle Fälle eine überragende Leistung.

Cadillac CT6 mit Bose Sound
2016/08
Test-Ergebnis: 4,5
Überragend
Bewertung
Anlage
Auto
Fahrspass

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Riesige, klar definierte Hörbühne für alle Plätze
Sehr neutral abgestimmt, entspannte Spielweise mit hohen Reserven
Ausgewogene Fahrzeugbalance, sehr gute Traktion, hoher Grenzbereich, ausgezeichneter Fahrkomfort
Feinzeichnung im Hochtonbereich und Kontur im Bass kommen nicht ganz an die übrige Performance heran

Vertrieb:
Cadillac Europe
Zürich
www.cadillac.de

Preis (Herstellerempfehlung):
Cadillac CT6 73.500 Euro, Bose Panaray Sound System Teil der Platinum-Variante  für 94.500 Euro

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Autor: Stefan Schickedanz

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Schneller testet keiner. Deutschlands einziger HiFi-Redakteur mit Rennfahrer-Genen betreut bei LowBeats den Bereich HiFi im Auto sowie die Themengebiete Mobile- und Smart-Audio.