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Mercedes E 220 d
Mercedes E 220 d mit Burmester High-End-3D-System (Foto: S. Schickedanz)

Test: Mercedes E 220 d mit Burmester 3D Sound

Was bringt einen Schwaben dazu, in seinen Daimler zu steigen und nach Berlin aufzubrechen, wenn er nichts mit Politik oder Interessenverbänden zu tun hat? Zum Beispiel könnte er sich fragen, warum Mercedes-Benz das High-End-3D-Sound-System seines Mercedes E 220 d ausgerechnet bei den Preußen einkauft und sich auf eine musikalische Reise nach den Ursprüngen des „Wohlfühlsounds“ (wie es die Marke nennt) der Burmester-Beschallung machen.

Zwar handelt es sich bei dem E 220 d um einen Testwagen, den mir Mercedes vor ein paar Tagen vor die Tür gestellt hat. Abgesehen davon bin ich kein echter Schwabe, sondern nur ein Reingeschmeckter und selbstverständlich kenne ich Burmester Audio Systeme schon seit Jahrzehnten. Aber heute stelle ich mich mal janz dumm und frage mich: Wat is en Berliner Manufaktur?

Burmester Automotive
Burmesters Benze: Die Berliner beschallen die C-Klasse, E-Klasse und die große S-Klasse (Foto: S. Schickedanz)

Trotz des Hintergrundwissens gibt mir diese Reise aus dem Ländle in die Bundeshauptstadt Gelegenheit, den Reiz von Auto und Anlage unter realen Bedingungen zu erfahren. Schließlich ist die E-Klasse das Langstreckenauto per Excellence, gerade mit dieser beliebten Antriebsvariante.

Diesel-Flinke E-Klasse

192 PS aus 2.0 Litern Hubraum versetzten mich – vorsichtig gesagt – gerade in Verbindung mit rund 1,7 Tonnen Gewicht, nicht gerade in Ekstase. Da gibt sogar die eigene Garage mehr her.

Doch ich käme im Traum nicht auf die Idee, mit meinem eigenen Wagen die über 600 Kilometer lange Strecke zu fahren. In solchen Fällen zücke ich heute meine Bahncard und liefere mich lieber den Abenteuerreisen des Staatsunternehmens aus, als selbst Hand ans Steuer zu legen.

Vor 10 Jahren war das anders. Da stellte ich des Nächtens auf leeren Autobahnen ziemlich gleichschnell mit einem betagten BMW M5 und später mit einem Mini Cooper S Cabrio meinen persönlichen Rekord mit unter viereinhalb Stunden inklusive der zahlreichen unvermeidbaren Tankstopps auf.

Mercedes-Benz E 220 d
Welche Wellness-Maßnahme darf’s denn sein? Die E-Klasse verwöhnt mit Massage nach Maß (Foto: S. Schickedanz)

Daran ist diesmal nicht zu denken. Nicht nur, weil ich jedes der vergangenen Jahre als Maximierung von Reife und Bequemlichkeit spüre. Es regnet in Strömen und inzwischen darf man an Stellen, an denen früher ICE-Tempo erlaubt und möglich war, nur noch 120 fahren – wenn überhaupt. Die Devise gleicht also der eines Amateurs beim Marathon: Ankommen ist alles.

Dafür ist der Diesel-Daimler das perfekte Auto. Sir Winston Churchill könnte dieses Auto im Sinn gehabt haben, als ihm sein legendärer „no sports“-Spruch über die Lippen kam. Dieser Wagen ist sowas von unverkrampft entschleunigt, dass ihn notorische Raser auf Rezept bekommen müssten – als therapeutische Maßnahme sozusagen.

Zwar bin ich sicher kein Raser, aber schnell mag ich es schon. Sonst jedenfalls. Diesmal ist alles anders, nicht nur, weil ich für meine Verhältnisse eher mit Landstraßentempo auf der Autobahn unterwegs bin. Auch sonst hat sich alles ins Gegenteil verkehrt. Mit einen BMW oder Porsche verwächst man wie mit einem gut sitzenden Sportschuh oder einem maßgeschneiderten Anzug.

Man wird eins mit der Maschine, spürt ihr stählernes Herz in vier Takten schlagen und kriegt selber Herzrasen. Mit bekanntem Ausgang. Langsam fahren wird zur Qual, geht einem gegen den Strich und erfordert volle Konzentration. Man starrt ständig auf den Tacho, um genervt irgendwelche Tempo-Limits einzuhalten.

Und wenn man dann freie Fahrt hat, lehnt man sich zurück, tritt das Gas durch und entspannt sich, zumal dann zweitrangig wird, was hinter einem geschieht. Man kann sich ganz auf das Geschehen vor einem konzentrieren. So geht es mir jedenfalls.

Mercedes E 220 d: Einzig und artig

Doch dieser Benz ist anders. Das Gefühl kenne ich sonst nur aus dem Speisewagen im ICE oder aus der Business Class von Transkontinentalflügen. Es ist eher das Gefühl, bewegt zu werden, statt sich selbst zu bewegen.

Ein bemerkenswert passives Feeling angesichts der Tatsache, dass sich nach dem mit Bummeln verbundenen Eintauchen in die unzähligen Menüs von Command Online und dem Setup des Sound-Systems das Tempo irgendwo zwischen 120 und 180 km/h eingependelt hat.

Stoisch wie auf Schienen zieht der Benz seine Bahn. Der Mercedes E 220 d ist ein Einhand-Auto, eines, bei dem ich den linken Arm am Fensterrahmen abstütze. Ganz klar: Diese Fahrt konkurriert nur mit Bahnfahren, was die Entspannung angeht.

Mercedes-Benz E 220 d
Die Ring-Radiatoren sind schick verpackt und werden illuminiert. Beim Anschalten der Anlage drehen sie sich heraus (Foto: S. Schickedanz)

Aus den 23 Lautsprechern kommt souverän verstärkt von 1.450 Watt entspannte Musik, die ich von meinem iPhone via USB einspeise. Das steigert die Entspannung. Es klingt unglaublich relaxed und in der für reines Stereo optimierten Einstellung des Systems genieße ich einen phänomenalen Fokus.

Stimmen stehen vor mir, so scharf konturiert, dass man sie greifen könnte. In einem weiteren Menü habe ich den Fahrersitz als VIP-Platz definiert und bekommen somit die volle Packung.

Die einzige Sorge, die mich in dem Moment plagt: Klingt nun die puristische Klangeinstellung besser oder der behutsam dosierte, zuschaltbare 3D-Effekt? Doch beides spielt auf einem Level, wo man getrost von Mega-Luxus-Sorgen sprechen kann.

Zeit, die weiteren Wellness-Angebote in Anspruch zu nehmen. Ich bin nach einer Stunde Fahrt entspannter als vor dem Einsteigen. Doch es geht noch besser. Schließlich hat Mercedes die neue E-Klasse mit Komfort-Gadgets bis zum Abwinken gespickt. Bis ich alle entdeckt habe und mich mit den Einstellmöglichkeiten einigermaßen zurechtfinde, bin ich Berlin schon ein paar 100 Kilometer näher gekommen.

Das spricht sehr für den Fahrkomfort und die Entspannung, die einem die E-Klasse bietet. Das zeigt aber auch, dass in der Bedienung noch Luft nach oben besteht. Noch nie hat die Bedienung eines Fahrzeugs so viel Aufmerksamkeit von der Straße abgezogen.

Das liegt freilich zum Teil am üppigen Ausstattungsumfang, zu einem größeren leider auch an der mangelnden Ausgereiftheit des radikal neu gestalteten Cockpits. Dessen Rückgrat bildet ein endlos breites Farb-Display, auf dessen linker Seite auch die digital erzeugten Analoganzeigen für Tacho und Drehzahlmesser angezeigt werden.

Fabian Benedix, bei Burmester für Automotive verantwortlich, zeigte uns in der Mercedes E-Klasse die musikalische Seite von Berlin (Foto: S. Schickedanz)

Das sieht superstylisch aus, lässt sich individuell konfigurieren und vom Multifunktions-Lenkrad oder einem Touchpad auf der Mittelkonsole steuern. Doch bis alles zweckmäßig konfiguriert ist, vergeht eine Menge Zeit.

Vor allem, wenn man wie ich ein Muffel in Sachen Bedienungsanleitungen ist, entdeckt man die ersten Tage immer wieder überraschende neue Möglichkeiten. Allerdings lindert die Routine nicht einige grundsätzliche Mängel.

Der zentrale Teil des Displays sitzt zu tief und geht auch noch weit zum Beifahrer hinüber. Das sieht zwar prächtig aus, doch die weniger schicken, über das Armaturenbrett hinausragenden Bildschirme in den kleineren Baureihen sind im Grunde praktischer.

Besonders bekommt man diesen Umstand zu spüren, wenn man die Farbstimmung und Intensität des Ambiente-Lichts ändern, die Massage-Funkionen in Anspruch nehmen oder eben das Audio-System nach seinen Wünschen feintunen möchte.

Kaum habe ich meine neuesten Alben gehört, komme ich auch schon in Berlin an. Die Fahrtzeit weiß ich gar nicht, ist auch nicht wichtig. Einen persönlichen Rekord hat der Mercedes E 320 d auf jeden Fall aufgestellt.

Mit Abstand niedrigster Nerven- und Spritverbrauch und dazu noch Non-Stop. Tanken ist erst am nächsten Tag nötig, das gab’s noch nie – fast wie Bahnfahren plus Komfort minus unliebsame Überraschungen. Genial.

Da ich Burmester schon bestens kenne, hat sich Fabian Benedix, der Automotive-Verantwortliche des Familienunternehmens, etwas Besonderes einfallen lassen. Er möchte mir die Musik-Kultur seiner Stadt aus dem rollenden Konzertsaal heraus betrachtet präsentieren.

Gerne überlasse ich Fabian das Steuer. So kann ich noch mehr relaxen und mich aufs Fotografieren konzentrieren. Im Benz wird man eh gefahren, auch wenn man selbst am Steuer sitzt. So kann ich sogar die Augen schließen und noch besser die Abbildung des 3D-Systems beurteilen.

Mercedes-Benz E 220 d
Heroes von David Bowie wurde in Berlin aufgenommen (Foto: S. Schickedanz)

Wir lauschen Heroes von David Bowie, der das Album gemeinsam mit Low und Lodger – bekannt als die Berlin-Trilogie – in der Stadt produzierte. Schließlich gilt die erste Station dem Haus, in dem der kürzlich verstorbene David Bowie während seiner Deutschlandzeit von 1976 bis 1978 wohnte. Eine Gedenktafel zeugt heute davon.

Einen Steinwurf weiter wurde das Ganze produziert. Um das Gebäude mit den Hansa-Studios zu fotografieren, öffnen wir das große Panoramadach des Mercedes E 220 d. So kann ich die beiden Height-Lautsprecher im Dachhimmel der E-Klasse mit dem historischen Gebäude aufs Bild bannen.

Mercedes-Benz E 220 d
In den Hansa-Studios wurde Bowies Berlin-Trilogie produziert und im Mercedes E 220 d über 23 Lautsprecher des Burmester-3D-Systems wiedergegeben. Je ein Height-Lautsprecher im Dach für jede Sitzreihe des Mercedes E 220 d hebt die Bühne spürbar an (Foto: S. Schickedanz)

Als nächste Station laufen wir die königliche Porzellan-Manufaktur an. Die betätigt sich im Kulturbereich als Sponsor der Berliner Philharmoniker und steht darüber hinaus für traditionelles Handwerk, was sie mit Burmester zusätzlich verbindet.

Auf dem Weg dorthin darf Burmester Schumanns Klavierkonzerte in A Minor spielen. Sehr schön kommt dabei die äußerst neutrale Abstimmung und die hohe Transparenz des Audio-Systems heraus. Auch die Dynamik-Reserven und die Attacke zeigen einmal mehr ihre Klasse.

Von der Porzellan-Manufaktur geht es direkt zur Philharmonie an den Linden, die weithin sichtbar im Lichterglanz erstrahlt. Dazu legt mein Fahrer Fabian die 2. Sinfonie von Brahms auf. Die Klangreinheit und die gute Isolation der leisen Stuttgarter Limousine sperren den Lärm der hektischen Spreemetropole aus. Hier herrscht entspannte Stimmung.

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Der E 220 d macht sich gut vor der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (Foto: S. Schickedanz)

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Autor: Stefan Schickedanz

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Schneller testet keiner. Deutschlands einziger HiFi-Redakteur mit Rennfahrer-Genen betreut bei LowBeats den Bereich HiFi im Auto sowie die Themengebiete Mobile- und Smart-Audio.