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Test: Tonabnehmer EMT JSD 6

Eine Herzensangelegenheit ist für mich der MC-Tonabnehmer EMT JSD 6. Ich weiß ja nicht, wie Sie das Thema Moving Coil Tonabnehmer so sehen. Aber für mich ist es eine Herzensangelegenheit. Und wie viel Verstand bei Herzensangelegenheiten (dazu zähle ich Plattenspieler, Vinyl, Tonarme, Tonabnehmer und Röhrenverstärker) dabei ist, muss ich Ihnen ja nicht weiter ausführen.

Eine Herzensangelegenheit ist ja eine, die man sieht, pardon, hört und der man sofort verfallen ist. Und ob da nun der knurrigste Bass, die schönsten Höhen oder Unmengen von Details rauskommen, ist bei einer Herzensangelegenheit völlig wurscht, wie wir hier in Bayern sagen.

MC-Abtaster EMT JSD 6
MC-Tonabnehmer EMT JSD 6, 2.300 Euro (Foto: R. Kraft)

Und was nun meine Herzensangelegenheiten angeht, so gab es bei mir im Verlauf von rund 35 (oder – oh Gott, fast 40!) Jahren HiFi-Obsession nicht allzu viele Exemplare, die mein Herz wirklich erobern konnten.

Höchst renommierte, auf vielen Wettbewerben (vulgo: Tests) gekrönte Schönheiten ließen mich völlig kalt oder sogar kühl erschauern, andere hübsche Töchter versagten bei den ersten hoch ausgesteuerten Sopranstimmen oder zogen mir förmlich die klirrenden Plomben aus den Backenzähnen.

In der Frühzeit der Highend-Tonabnehmer, als langsam immer mehr edles Zeug nicht mehr nur aus Japan, England oder den USA kam, sondern auch von vielversprechenden Newcomern in geographischer Nähe, legte sich zudem die eine oder andere Pretiose nach wenigen Plattenseiten “auf den Bauch” (Nadelnachgiebigkeit: unendlich) oder weigerte sich störrisch, unverzerrt mit mir zu reden. Ganz zu schweigen von unergründlichen Befindlichkeiten, die mit der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit, der Tagesform oder der Mondphase zusammenhingen, vom Service (falls vorhanden) aber auf meine Justage (was denn sonst?) geschoben wurden …

Nach diversen Reinfällen – ich konnte mich damals, ehrlich gesagt, nicht einmal für ein Shure V15 Strich drei erwärmen – landete ich genau dort, wo vor mir schon viele frustrierte Singles gelandet waren, nämlich beim guten, alten, warmen, weichen und kuschelig-kurvigen Denon DL103. Welches außerdem damals weithin unbekannt war, sträflich unterschätzt wurde und so wenig kostete, dass man sich getrost einen Vorrat in den Küchenschrank legen konnte, direkt neben die Zuckerdose.

Genauso klang der japanische Rundfunk-Standard nämlich im Vergleich zu einigen neumodischen Konstrukten, die, dem Hör-Ideal der Zeit folgend, in erster Linie Höhen produzierten und sich damit von der deutschen Standard-Box in nichts unterschieden.

Kombinierte man die Testsieger, klang es derart schauerlich, dass eine Kreissäge dagegen als Wohltat durchging. Ich schlussfolgerte, dass Tester keinen Bass mochten und fragte mich, ob ich als Einziger einen so komischen Geschmack hatte, dass für mich keine, sorry, kein Tonabnehmer (und keine Box, aber das ist eine andere Geschichte) abfiel …

Kiseki & Koetsu

Im Laufe der Jahre besserten sich aber sowohl deutsche Lautsprecher als auch deutsche und holländische Tonabnehmer. Was mich wenig kümmerte, denn ich hatte inzwischen Bekanntschaft mit einem Kiseki Blue (metallicblau, rundlicher Klang) und einem Koetsu Black (schwarz, sehr rundlicher Klang) gemacht.

An meiner grünen Seite landete schließlich das Black und blieb mit seinem breithüftigen, farbenprächtigen Ton (fünf Mark in die Chauvikasse) bis heute dort, sozusagen als Opernball-Tonabnehmer. Stimmen und Geigen mit einem Schmelz wie drei Kugeln Schokoladeneis! Ob das die Wahrheit ist? Mir doch egal.

In diesem prallen Sinne noch besser sollten das nur die teureren Schwestern des Black können, die freilich, wie spätere Versuche ergaben, auch dem leidigen Abnehm-Trend verfielen und trotz wunderbar aussehender Edelstein-Gehäuse immer knochiger daherkamen. Hoffentlich geht die, sorry, das alte wonnige Black niemals kaputt!

Koetsu Black
Das alte Koetsu Black (Foto: R. Kraft)

Das “einfache” SPU …

Doch dann wurde es echt fett. Zumindest optisch. Ein “einfaches” Ortofon SPU A in der dicken, schwarzen Headshell spielte im SME 3012 mit großem Gegengewicht, als gäbe es kein Morgen: Noch ausgeglichen, aber mit voluminösem Einschlag, ohne den geringsten Klirr und schnell wie der Wind. Ich: hin und weg.

Auflagekraft? Hoch! Platten kaputt? Ja, behaupteten diejenigen, die nie ein SPU ihr eigen nannten. Immerhin ging die SPU-Story, Auflagekraft hin oder her, ja schon seit Jahrzehnten. Und von kaputten Platten hatten tausende Musikliebhaber, die das SPU mit seinem ungefährlichen Nadelschliff schon immer zu schätzen wussten, noch nie etwas gehört. Ich auch nicht. Bis heute.

SPU-A Tonabnehmer
Das „einfache“ SPU-A, zu Recht ein Klassiker! (Foto: R. Kraft)

Die klangliche Steigerung eines SPU ging einige Jahre später mit einer Verringerung der Auflagekraft einher: Von 40 Millinewton (vier Gramm) auf 24 Millinewton (zwei Komma vier Gramm). Und damit vom SPU zu Ken Shindos SPU-Interpretation. Die nicht jeder bekam, schon gar nicht zu kaufen. Die mir vorgestellt, aber dann wieder mitgenommen wurde.

Weil meine Anlage, so hieß es, der Schönheit nicht gewachsen sei, der Klang, der mir nach diesem kurzen Rendezvous keine Ruhe mehr ließ, sich mit ihr nicht richtig entfalten würde. Schluchz! Meine Anlage! Ein Glump! (wie man in Bayern sagt).

Shindo-Tonabnehmer auf Basis SPU
Das Shindo-SPU (Foto: R. Kraft)

Shindos SPU …

Was macht so ein verschmähter Liebhaber? Er gibt nicht auf! Versucht es wieder. Und wieder. Irgendwann klappte es dann. Inzwischen klang die Installation, na ja, etwas Shindo-mäßiger, obwohl ich häufig umbaue. Aber mein Ideal hatte sich besser herauskristallisiert. Und es dient(e) mir in erster Linie dazu, Röhrenverstärker zu testen …

Das Shindo-SPU läuft, wenn es von mir sehr vorsichtig benutzt und nicht für spätere Zeiten aufgespart wird, in einem 12-Zoll-Arm, der langen EMT-“Banane”, die in ihrer Inkarnation von Auditorium 23 puristisch nicht mal einen Lift aufwies.

Den lieferte später EMT dazu, weil meine Hände mit den Jahren auch nicht ruhiger wurden. Den Shindo-Tonabnehmer, der schlicht und herzergreifend einfach nur Musik pur ist, kombiniert man am besten mit Shindo-Verstärkern und dem für niederohmige Quellen geeigneten SPU- Übertrager von Auditorium 23.

Die vorläufig letzte Überraschung: MC-Tonabnehmer EMT JSD 6!

Nachdem mir lange Zeit vieles, was ich ausprobierte, ganz gut gefallen, mich aber dennoch nicht vollends überzeugt hatte, war die letzte große Tonabnehmer-Überraschung dann ein EMT-Tonabnehmer.

Ach nein, man muss das anders formulieren: der EMT-Abtaster, genauer gesagt, das JSD 6. Prinzipiell ist das EMT-Tonabnehmer-Programm natürlich technisch mit der auf eine lange Historie zurückreichende EMT-Tondose verwandt. Ich bereute also ab dem ersten Ton des JSD 6, mich vorher nie ernsthaft mit EMT-Abtastern beschäftigt zu haben. Was hatte ich da nur versäumt!

JSD 6 montiert
JSD 6 montiert in der EMT-Headshell (Foto: R. Kraft)

Der Tonarm zum EMT JSD 6

Der EMT-Toanarm war mir dagegen ein alter Vertrauter, ein echtes Werkzeug, in dem alle meine Abtaster – einschließlich der SPUs – nun schon viele Jahre lang perfekt laufen. EMT-Arm und EMT-System passen natürlich zusammen wie die Faust aufs Auge, wobei das JSD 6 mit seiner mittleren Nadelnachgiebigkeit ohnehin kein unlösbares Problem selbst für normale Tonarme darstellt.

Auch Phonoverstärker tun sich mit der hohen Impedanz der Spulen leicht; am besten läuft das JSD 6 nach meinem Dafürhalten mit einem Abschluss in der Gegend von 200 bis 400 Ohm.

EMT-Tonarm
EMT 12-Zöller – die „Banane“ (Foto: R. Kraft)

Der halboffene Tonabnehmer besitzt ein stabiles Gehäuse aus sehr dichtem Aluminium, das aus einem vollen Stück gefräst wird. Norm ist die Halbzoll-Standard-Befestigung. Den Nadelschliff des JSD 6 bezeichnet EMT als “Super-Fine Line”, 6 Mikrometer; der nackte, polierte Diamant sitzt auf einem Bor-Nadelträger und als Generatoren dienen Hochleistungs-Alnico-Magnete.

Mit 23 bis 24 Millinewton Auflagekraft liegt das EMT meiner Meinung nach in einem sicheren Bereich – also nicht zu leicht, was der Laufkultur, wie ich finde, sehr gut tut. Bei mir läuft das JSD 6 übrigens ohne die Antiskating-Vorrichtung. Und klingt so, wie viele Tonabnehmer, die deutlich mehr als 20 Millinewton Auflagekraft benötigen, klar besser.

Mit einem Millivolt Ausgangsspannung ist das JSD 6 leichte Kost für Moving Coil Phonoverstärker und bringt insbesondere zusammen mit der EMT J-Headshell auch nicht zu viel Gewicht auf die Waage, der Tonabnehmer selber wiegt elf Gramm.

EMT JSD 6 im EMT -Arm
EMT JSD 6, EMT-Tonarm, Platine Verdier (Foto: R. Kraft)

Fazit: Das Geheimnis des EMT JSD 6

Worin liegt nun das Geheimnis dieses extrem ausgewogenen, dennoch klangfarbenstarken Abtasters, der schlicht völlig allürenfrei, immer spannend und, wie sich erwiesen hat, auch extrem standfest ist? Ich vermute, es ist die Summe aller Eigenschaften.

Dazu zählen auch vernünftig hohe Ausgangsspannung, enorm gute Abtastfähigkeit, präzise Justage aller Komponenten beim Zusammenbau, Resonanzarmut und ein Nadelschliff, der einfach einen guten Kompromiss darstellt, noch dazu einen mit unauffälligem Laufgeräusch.

Was Tonabnehmer angeht, gibt es sicherlich ganz verschiedene Geschmäcker, also klangliche Ansprüche, die vom “superanalytischen Rillen-Spürhund” bis hin zu “einfach nur schön” reichen … Das EMT liegt klanglich völlig einleuchtend irgendwo zwischen all diesen Welten und begeistert mich genau deshalb immer wieder.

Meine schönsten Vinyl-Erlebnisse lieferte das EMT JSD 6 übrigens in zwei Kombinationen: Zum einen im Teamwork mit einer Phonostufe, die völlig zu Recht als Maßstab setzend gilt, nämlich The Turntable’s Choice von Einstein Audio.

Mein zweiter Vorschlag mag ein wenig verrückt klingen und besteht aus dem Denon 103-Übertrager von Auditorium 23 und der röhrenbestückten RIAA phono stage des englischen HiFi-Unikums Glenn Croft. Wenn Sie mich fragen, eine der unterschätztesten Phonostufen auf diesem Planeten …

Familientest Audio-Technica VM95: 6 MM-Abtaster unter 200 Euro

EMT JSD 6
2015/08
Test-Ergebnis: 4,8
ÜBERRAGEND
Bewertung

Bewertungen

Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt:

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
hohe Ausgangsspannung
sehr verzerrungsarm
justagefreundlich
schmutzempfindlich

Vertrieb:
EMT Studiotechnik
A division of EMT Intl GmbH
Industriestrasse 25
77972 Mahlberg
Tel.: +49 -7825-879470
EMT International
Erhältlich bei
PhonoPhono
Bergmannstr. 17
10961 Berlin
www.phonophono.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
EMT JSD 6: 2.300 Euro

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