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Vollverstärker Yamaha A-S1100 Vorderansicht
Der Amp-Champ: Vollverstärker Yamaha A-S1100. Preis: 1.700 Euro. (Foto: J. Schröder)

Test: Vollverstärker Yamaha A-S1100

Ein bisschen wie früher: Der Yamaha A-S1100 geht fraglos als Archetyp des klassischen Vollverstärkers durch: Griffige Knöpfe und Knebel, üppige Schalter sowie unübersehbar große, dezent beleuchtete Zeigerinstrumente zur Leistungsanzeige – nicht zu vergessen natürlich die seitlich angebrachten, Hochglanz-lackierten Holzwangen.

Diese Kunst des gekonnten Retro-Designs beherrscht neben Accuphase und McIntosh in der Tat kaum ein Hersteller so perfekt wie Yamaha. Was nicht von ungefähr kommt: Schließlich waren die Japaner mit diesem klaren, Technik-orientierten Design bereits Mitte der 1970er Jahre bei ihren damaligen Natural-Sound-Verstärkern sehr erfolgreich.

Klassische Technik neu interpretiert: Der optische Auftritt des Yamaha sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass er technisch nicht nur auf dem neuesten Stand ist, sondern in der Tat auch schaltungsmäßig einige recht unkonventionelle Wege einschlägt.

Natürlich zählt der A-S1100 nach wie vor zu den durchweg analog arbeitenden Verstärkern – noch dazu bestückt mit einem klassischen Netzteil, das von einem mächtigen EI-Kern-Transformator gespeist wird: Dieser thront vorn mittig im supersoliden Gehäuse unmittelbar hinter der dicken, fein gebürsteten Aluminium-Frontblende.

Links und rechts neben der Stromversorgung finden sich die beiden Endstufenblöcke angeordnet, die auf den ersten Blick zunächst mal nicht ungewöhnlich wirken.

Yamaha A-S1100 innen (Foto: Yamaha)
Innenansicht des Yamaha A-S1100: Technisch konsequenter lässt sich ein Vollverstärker kaum aufbauen. Die Vorstufen-Elektronik befindet sich unmittelbar hinter dem Anschlussfeld. Sie verteilt sich auf drei übereinander montierte Boards (Foto: Yamaha)

Was man jedoch nicht sieht, ist, dass die Leistungsverstärker des A-S1100 nach einem ziemlich raffinierten Schaltungskonzept arbeiten (Grafik 1).

So enthalten linker und rechter Leistungsverstärker je zwei parallelgeschaltete Single-Ended-Endstufen, gespeist aus jeweils eigenen, galvanisch getrennten Stromversorgungs-Kreisen.

Angesteuert werden die linke und rechte Ausgangsstufe (die für einen möglichst schönen, weichen Klang mit MOS-Feldeffekttransistoren gleicher Polarität arbeiten)  jeweils von einer invertierenden und einer nichtinvertierenden Treiberstufe, die beide über eigene Gegenkopplungspfade verfügen.

Dadurch entsteht ein vollständig symmetrisch arbeitender Verstärker, dem durch seinen erdfrei „floatenden“ Betrieb Störströme auf der Bezugsmasse nichts anhaben können.

Technik-affinen Glaskolben-Fans dürfte diese Konfiguration allerdings nicht ganz unbekannt sein: Sie hat sich in der Röhrenverstärker-Technik schon vor vielen Jahrzehnten als Parallel-Push-Pull-(PPP-)-Schaltung einen Namen gemacht – auf den damals hierfür notwendigen Ausgangsübertrager kann der Yamaha heute selbstverständlich verzichten.

In Sachen Power macht der über 23 Kilogramm schwere Japaner ebenfalls keine Kompromisse: Mit einer Nennleistung pro Kanal von (gemessenen) 106 Watt an 8-Ohm-, sowie 172 Watt an 4-Ohm-Lasten hat er reichlich Watt auf den üppigen Kühlrippen.

Yamaha A-S1100 Floating circuit (Grafik: Yamaha)
Grafik 1: Die Leistungsverstärker des Yamaha A-S1100 arbeiten durch Parallelschaltung zweier Single-Ended-Ausgangsstufen vollkommen symmetrisch mit identischen Endtransistoren für jede Halbwelle. Durch den Einsatz zweier galvanisch getrennter Stromversorgungszweige pro Kanal können sie vollkommen erdfrei arbeiten (Grafik: Yamaha)

Auch wenn sie unter High-Endern eher verpönt sind: Bei einem klassischen Vollverstärker wie dem Yamaha A-S1100 gehören Bass- und Höhensteller einfach dazu.

Immerhin lassen sich mit ihrer Hilfe viele heutzutage eher dünn klingende Pop- und Rockaufnahmen aus den 197oer Jahren ruck zuck aufpolieren, der betonte Bassbereich von in den Ecken aufgestellten Lautsprecherboxen gezielt zügeln oder der hochtondämpfende Einfluss von Lautsprecherabdeckungen oder Vorhängen ausgleichen – somit können Klangsteller die bei einigen Lautsprechern vorhandenen Klangschalter also bestens ersetzen.

Yamaha A-S1100: Klangsteller in Profi-Technik

Für die Klangsteller des A-S1100 wählten die Yamaha-Ingenieure ebenfalls eine besondere Technik: So arbeiten sie nicht wie allgemein üblich als frequenzabhängige Spannungsteiler in der Gegenkopplungsschleife der Vorstufe.

Vielmehr werden die variablen, frequenzabhängigen Anteile in elektrischen Seitenpfaden erzeugt, die anschließend dem unbearbeiteten Signal hinzu gemischt werden.

Dieses Verfahren kommt ursprünglich aus der Tonstudio-Technik und wird dort als „Parallel Equalizing“ bezeichnet (Grafik 2).

Sein prinzipieller Vorteil: Das Audiosignal durchläuft die Vorstufe direkt und muss sich nicht wie bei klassischen Baxandall-Klangreglern durch ein komplexes Widerstands-Kondensator- (RC-) Netzwerk quälen: Das ermöglicht auch bei stärkeren Anhebungen oder Absenkungen sehr transparente Klangergebnisse.

Yamaha A-S1100 Tone Control (Grafik: Yamaha)
Grafik 2: Die von Bass- und Hochtonsteller beeinflussten Klangkorrekturanteile werden beim Yamaha A-S1100 in Seitenpfaden erzeugt und anschließend dem Originalsignal hinzuaddiert. Diese Methode nennt sich Parallel Equalizing (Grafik: Yamaha)

Im direkten Vorstufen-Signalweg des Yamaha A-S1100 befindet sich daher nur ein einziger integrierter Baustein – nämlich der für Yamaha exklusiv produzierte NJU72321 aus der renommierten Muses-Serie vom japanischen Audio-Spezialisten New Japan Radio.

Er fungiert als digital gesteuerter, aber mit geschalteten Festwiderständen im analogen Signalpfad arbeitender Lautstärke-Steller.

Diese Lösung ermöglicht nicht nur einen ultrakurzen Signalweg, sondern garantiert darüber hinaus perfekten Kanalgleichlauf auch bei sehr geringen Lautstärken. Letzteres ist mit einem herkömmlichen Analog-Potentiometer kaum realisierbar.

yamaha-a-s1100-meter-red (Foto: J. Schröder)
Bild 2: In neutraler Position schalten sich die Klangsteller per Relais automatisch aus dem Signalweg. Die Ballistik der Anzeigeinstrumente lässt sich zwischen Spitzenwert- und Volume-Unit- (VU-) Charakteristik umschalten. (Foto: J. Schröder)

Quasi Pflicht für einen klassischen Vollverstärker ist ein adäquater Phono-Eingang, da Vinyl dieser Tage wieder vermehrt Freunde findet. Konsequenter Weise offeriert der A-S1100 ein recht aufwändig mit diskreten Halbleitern aufgebautes Phonoteil, das sich in seiner Verstärkung für den Betrieb mit MM- oder MC-Tonabnehmern umschalten lässt.

Darüber hinaus finden sich beim Yamaha noch zwei weitere Must-Have-Features traditioneller Vollverstärker: Zunächst mal sind das die beiden zusammengehörigen Cinchbuchsen-Pärchen „Pre Out“ und „Main In“ – an ersterer lässt sich das pegelabhängige Ausgangssignal der Vorstufe abgreifen, womit sich beispielsweise Aktivlautsprecher bequem anschließen lassen.

„Main In“ hingegen dient zum direkten Ansteuern der Leistungsverstärker im A-S1100, beispielsweise durch ein externes DJ-Mischpult. Natürlich besitzt der Yamaha auch einen Tape-Anschluss zum Aufnehmen der jeweils aktiven Programmquelle.

Was die mögliche Frage nach einem integrierten D/A-Wandler angeht, gibt es zwei klare Antworten: Zum einen hätte dieser nicht mehr hineingepasst, zum anderen wäre ein D/A-Wandler in adäquater Qualität wohl kaum unter einem Mehrpreis von 1.000 Euro machbar.

Yamaha A-S1100 Rückseite (Foto: Yamaha)
Die griffgünstig gestalteten Lautsprecherklemmen sind aus nichtmagnetischem Messing gefertigt. Neben dem Tape-Anschluss für Aufnahmegeräte  findet sich ein Pre-Out/Main-In-Buchsenpaar zur individuellen Nutzung von Vorstufe und Leistungsverstärker. (Foto: Yamaha)

Yamaha A-S1100: Smooth Operator

Der besondere Charme des A-S1100 äußert sich aber weniger in der gebotenen Technik an sich, als vielmehr in der konstruktiven und funktionalen Eleganz, mit der er sie dem Nutzer bereitstellt.

Beispielsweise nehmen sich Bass- und Hochtonsteller in ihrer neutralen Mittelposition per Relais automatisch aus dem Signalweg. Dadurch kann der A-S1100 ohne jeglichen Kompromiss auf eine separat schaltbare Source-Direct-Funktion verzichten.

Auch befindet sich das empfindliche Phono-Board in der untersten Leiterplatten-Etage in maximaler Entfernung zum Netztrafo – und ist damit gefeit vor möglichen, magnetischen Streufeldern. Die Störabstände sprechen denn auch für sich: Stolze 85 Dezibel bei MM sowie 79 Dezibel bei MC sind selbst bei exquisiten externen Phono-Vorstufen eher eine Ausnahme.

Ein weiteres, echtes Highlight ist die Mute-Funktion, die auf Wunsch die Wiedergabelautstärke um 20 Dezibel absenkt – nützlich beispielsweise bei Telefonanrufen. Dies erledigt der Yamaha nicht mit dem üblichen, jähen Lautstärkesprung, sondern ganz behutsam per Fade-Out, was sich sogar optisch am sanften Zurückfahren des motorbetriebenen Lautstärkestellers verfolgen lässt. Erneutes Betätigen des Mute-Knebels fährt die Laustärke dabei wieder sanft auf den ursprünglichen Wert hoch.

So klingt der Yamaha A-S1100

Anno 1975 galten Yamahas Natural-Sound-Verstärker vielerorts als distinguiert, aber eher hell, kühl klingend und vorzugsweise für 8-Ohm-Lautsprecher geeignet.

Von all dem kann beim A-S1100 absolut keine Rede mehr sein: Aufbauend auf seinen üppigen Dynamikreserven geht es der Yamaha ungemein spielfreudig an und hat dabei die Lautsprecher stets voll im Griff. Kennzeichnend für ihn sind ein kraftvoller Antritt sowie ein warmes, vollreifes Klangfarben-Bouquet. Er verwöhnt mit Tonfülle, besonders auch in den mittleren Lagen.

Die Violine von Farid Farjad beispielsweise klingt bei seinem Meisterwerk „Anroozha 2“ geradezu phänomenal körperhaft – man kann das Instrument förmlich anfassen.

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Bestechend beim A-S1100 ist jedoch die innere Harmonie seiner musikalischen Performance: Bei aller Dynamik ist er kein bloßer Kraftmeier, sondern legt die Energie vielmehr in den Ton selbst, während sein Klangbild bei allem Detailreichtum ohne aufhellendes Gezingel auskommt.

Tonal liegt der Japaner insgesamt eher auf der warmen Seite, ohne es dabei an Frische und Air vermissen zu lassen. Majestätisch-souverän – dieser Begriff beschreibt den Klangcharakter des kultivierten Japaners wohl am ehesten.

Fazit: Yamaha A-S1100 – der Amp-Champ

Yamaha hat mit dem A-S1100 zweifellos einen echten Coup gelandet. Wo man auch hinschaut – bei ihm stimmt einfach alles: Er sieht glänzend aus, besticht durch hochwertige Verarbeitung, pralle Ausstattung und exzellente Technik, klingt ausgesprochen musikalisch und ist bei alledem auch noch bezahlbar.

Neben ihm wird es selbst die Preis-/Leistungsorientierte audiophile Verstärkergilde der Arcams, Cambridges, Creeks, NADs oder Rotels sehr schwer haben.

Der A-S1100 sieht nicht nur aus wie ein Klassiker – er ist bereits einer. Well done, Yamaha!

Yamaha A-S1100
2015/09
Test-Ergebnis: 4,7
ÜBERRAGEND
Bewertung

Bewertungen:

Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Dynamischer, harmonischer Klang
Pralle Ausstattung
Zeitloses Design
Attraktiver Preis

Vertrieb:
Yamaha Music Europe GmbH
Siemensstraße 22-34
25462 Rellingen
Tel.: +49-4101-303-0
Yamaha-Homepage

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Yamaha A-S1100: 1.700 Euro

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Autor: Jürgen Schröder

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Toningenieur, R&D-Spezialist und das (mess-)technische Gewissen von LowBeats. Kümmert sich am liebsten um Wissens-Themen, Musik und den spannenden Bereich zwischen Studio und HiFi.