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Aufnahmen zu The Slow Show Dream Darling
Nach außen handfest, musikalisch introvertiert: Die Jungs von The Slow Show (Foto: T. Ruegsegger)

The Slow Show Dream Darling – CD der Woche 38/2016

LowBeats Autor Christof Hammer stellt bei uns jede Woche besonders hörenswerte Alben vor. Die LowBeats CD der Kalenderwoche 38 kommt aus dem Königreich Britannien: The Slow Show Dream Darling.

Mit dem Mut zu kompromisslos sanftmütiger Seelenmusik spielte sich diese englische Band vorvergangenes Jahr erstmals ins Rampenlicht. Nun präsentiert das Kammermusik-Ensemble des Britpop sein zweites Album Dream Darling – und macht erneut fast alles richtig.

Ihr Debütalbum gehörte zu den zehn, ach was: fünf schönsten Platten des Jahres 2014: White Water, der Erstling von The Slow Show, war ein Traum-Album für Menschen, die die Ruhe im Auge des Sturmes suchen. Einen Platz, an dem das Wasser des Lebens langsamer fließt als einfach im Takt der Zeit – und ein Statement über die Kraft der leisen Töne.

Nun folgt das zweite Album dieser derzeit wohl ungewöhnlichsten Band der englischen Musikszene, die zwar aus Manchester kommt und Popsongs im weitesten Sinn macht – aber mit dem typischen Britpop nicht das geringste zu tun hat.

Was aber spielen The Slow Show dann? Folk, dezente Americana-Anleihen und das „Feeling“ (aber nicht die Instrumentierung) des Northern Soul prägen den Sound dieses Quintetts – und die Stimme von Rob Goodwin.

Der Schlacks mit dem ungewissen Alter (irgendwas in den frühen  20er-Jahren) ist ein Ausnahmevokalist und die derzeit bemerkenswerteste Stimme der englischen Popszene: Soulig, eigenartig belegt klingt sein Organ, ein Timbre wie dunkler Tannenhonig, tonal irgendwo zwischen Bariton und Bass, meist mehr beim Sprechgesang, aber exzellent auch als klassische Singstimme.

Sagen wir es vielleicht so: Slow-Show-Lieder klingen so, als wären es Kompositionen, die Morrissey und Leonard Cohen gemeinsam geschrieben haben – eingespielt vom amerikanischen Countrysoul-Ensemble Lambchop.

Ansonsten darf der Freund geschmackvoller Popmusik an Kollegen wie The National oder Elbow denken, die Feingeister unter den Melancholikern unserer Tage.

The Slow Show Dream Darling  – Sophistication und Understatement

Ähnlich wie insbesondere Elbow inszenieren The Slow Show ihre Songs zwar in balladesk-feierlicher Manier, aber nie als gleißendes Gefühlskino, bleiben bei einer kontrollierten, eher introvertierten Gangart, lassen sich nicht hinweg reißen – und damit klingt The Slow Show Dream Darling umso hinreißender.

Kein lauter Ton stört dieses filigrane Gespinst aus Pianopop und Gitarrenfolk, statt kernigen Riffs hört man leise Waldhörner, statt coolen Synthesizern ein klassisches Piano. Und cineastisch breiter Schönklang wird hier auch nicht ausgewalzt.

Selbst wenn The Slow Show sich einen Anflug von orchestraler Größe erlauben („This Time“), eine kleine Symphonie oder einen Gospelchor („Breaks Today“) einsetzen, bleiben die Arrangement klar unterhalb der Schwelle zum Bombast.

Großes Kino ist das alles trotzdem – etwa in „Last Man Standing“ oder „Ordinary Lives“: etwas Waldhorn, leise Akustikgitarre und sparsame, aber mächtige Trommeln sorgen für Gottesdienstatmosphäre ohne Predigerton.

Ansonsten regiert – sorry, we’re British (dass Keyboarder Fred Kindt aus Belgien stammt, zählt nicht weiter …) – Sophistication und Understatement. Ob in „Hurts“, „Strangers Now“ oder „Brawling Tonight“: Hier wird kaum ein Ton zu viel gespielt.

Cover Art The Slow Show Dream Darling
Zum Träumen: Cover Art The Slow Show Dream Darling (Cover: Amazon)

Wer diese großartige Band allerdings schon einmal live gesehen hat, weiß auch, wie gut ihr bei aller Samtpfötigkeit auch der eine oder andere zupackendere Rhythmus steht, mal eine etwas schärfer gespielte E-Gitarre.

Diese Stärke wird auf The Slow Show Dream Darling allerdings (noch) nicht ausgespielt. Am ehesten geht „Ordinary Lives“ mit einem leicht forcierten Midtempobeat und farbstarken Streichern in die Richtung konventioneller Popsong – lässt aber auf der Dynamikskala noch ordentlich Luft nach oben.

Von daher darf man sich jetzt schon auf das dritte Album freuen, das diesen Spielraum dann vielleicht ausschöpfen wird.

The Slow Show Dream Darling ist erhältlich als Audio-CD, Vinyl LP und MP3-Download .

The Slow Show Dream Darling
2016/09
Test-Ergebnis: 4,2
SEHR GUT

Bewertungen:

Klang
Musik
Repertoirewert

Gesamt

Autor: Raphael Vogt

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Technischer Direktor bei LowBeats und einer der bekanntesten Heimkino-Experten der Republik. Sein besonderes Steckenpferd ist die perfekte Kalibrierung von Beamern.