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Dieter Burmester
Der Berliner Unternehmer Dieter Burmester verstarb am 15. August 2015 nach kurzer, schwerer Krankheit. Das Bild zeigt den CEO von Burmester Audiosysteme auf dem Genfer Autosalon 2015. (Foto: Matthias Mederer)

Versuch eines Nachrufs auf Dieter Burmester

Der österreichische Ingenieur und Musiker Dieter Burmester gründete 1978 das nach ihm benannte Unternehmen zur Produktion edler Audio-Komponenten, die heute nicht nur in vielen Wohnzimmern, sondern auch in Autos der Marken Bugatti, Porsche und Mercedes Benz den Menschen ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Dieter Burmester wurde 69 Jahre alt.

Der Berliner Unternehmer Dieter Burmester verstarb am letzten Wochenende:
Der Gründer von Burmester Audiosysteme Berlin, ist tot. Einfach so. Dieter Burmester hat sich aus dem Staub gemacht und hinterlässt uns sprachlos, hinterlässt einen Krater wie nach einem Meteoriteneinschlag. Das war nicht abgesprochen. Das ist in unserer bis auf das letzte Quäntchen Effizienz durchgeplanten High-Tech-Welt nicht vorgesehen. Tod kommt nicht vor – und wenn, dann wie ein Betriebsunfall, den man möglichst schnell und professionell unter Kontrolle bringen muss.

Du lernst es nicht in der Schule, Du lernst es nicht in der Ausbildung (sofern Du nicht Bestatter wirst), Du lernst es nicht im Studium – außer vielleicht, Du wirst Theologe. Aber was ist mit den Wirtschaftsleuten, den Technikern, den Angestellten und den Arbeitern? Oder mit denen, die keiner Tätigkeit nachgehen? Die sind völlig überfordert, kämpfen sich mit dem plötzlichen Verlust eines nahestehenden Menschen irgendwie durch die nächsten Tage, Wochen, Monate, bis irgendwann die Verdrängung einsetzt und die Zeit die Wunden heilt. Spätestens dann gilt wieder Business as usual.

Wie gerne ergreift man da die hippen, coolen, universellen Lösungen, die einem das Web 4.0 bietet. Brauchte es allen Ernstes im Land der Dichter und Denker eine Institution wie Facebook, eine Erfindung aus dem Mutterland des Fast Food, des Hire & Fire beziehungsweise Fire & Forget? Der Social-Media-Konzern hat sich die Deutungshoheit über Leben und Tod der Menschen ergattert. R.I.P. – Rest in Peace – lautet die Universalformel mit der man mehr oder weniger reflektiert einem das letzte Geleit erweist. Hollywood lehrt uns ja, dass es nie ohne einen lockeren Spruch geht, man denke nur an „Hasta la vista, Baby“ im Terminator.

Dieter Burmester R.I.P.: In einer Minute formuliert, in zwei Minuten vergessen, aber Hauptsache cool und trendy. Und das Schlimmste: vorhersehbar, unpersönlich, unpassend. So kannst Du vielleicht Deinen Hamster begraben, Deine Rostlaube in die Presse fahren oder einen Star verabschieden. Aber jemanden, den Du persönlich kanntest, der Dir etwas bedeutet, dessen Tod Dich wirklich bewegt und eine Lücke in Deinem Leben hinterlässt? Wird das auch nur im Entferntesten dem Anlass, dem Menschen, seinem Lebenswerk gerecht? Natürlich haben einige Facebook-Freunde erwartungsgemäß meinen Post mit „R.I.P.“  kommentiert, als ich meiner Trauer mit unbeholfenen, ehrlichen, vor allem individuellen Worten auf Facebook Ausdruck verlieh. Sie meinen es nicht böse, sie wissen nur nicht so recht, was sie tun.

Mir fehlen die Worte.
Von einem Kollegen, der aus dem Feuilleton der Süddeutschen kommt, weiß ich, wie die Profis in Sachen Leben mit sowas umgehen. Wenn eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens alt genug ist oder kränkelt, wird schon mal ein Nachruf für den Stehsatz verfasst. Nur noch Sterbedatum einsetzen und raus ist die Reichweiten-trächtige Meldung. So geschehen mit Luciano Pavarotti oder mit Steve Jobs. Das sind Momente, in denen ich froh bin, in einem Zweig des Journalismus zu arbeiten, wo die Leute jenseits von Bits, Kilohertz und Dezibel vielleicht reichlich weltfremd und hilflos wirken, aber Worte der Trauer ernst nehmen und sie sich wirklich abringen.

Was mich selbst betrifft, gehöre ich im Grunde meines Herzens weder zur einen noch zur anderen Gruppe, was diese Zeilen nicht leichter macht. In meinem ersten Roman, der aus Versehen eine Science-Fiction-Endzeitstory wurde, ließ ich mal eben so voller Zynismus die Welt untergehen. Somit habe ich mich zwar mit dem Thema Tod auseinandergesetzt, aber der Eispanzer des Sarkasmus sorgte dafür, dass dabei ganz offensichtlich nicht viel hängen blieb. Ich bin sprachlos, versuche zu begreifen, meiner Trauer Ausdruck zu geben und Trost zu spenden. Doch man lässt mich nicht. Es klingelt das Telefon. Ich lasse es klingeln, das bin ich Dieter schuldig. Aber es zeigt das Übel der modernen Arbeitswelt: Wie viel Trauer gesteht man einem Menschen zu, der in den höheren Abteilungen der Unternehmen nur noch als Produktionsfaktor gesehen wird, den es klein zu halten gilt?

Was, wenn eines dieser zahllosen Rädchen im Getriebe der Deutschland AG wegen Trauer ausfällt und einen Job vermasselt? Ich denke, es ist Zeit, sich zu besinnen, auf welchem Trip wir uns mit unserer total vernetzten Gesellschaft gerade befinden. Das alles hat mir der Erdrutsch, den Dieter auslöst, vor Augen geführt. Ähnlich erging es mir vor vielen Jahren mit Julian Vereker, dem Gründer von Naim. Auch er stand mitten im Leben, hatte mit seiner charismatischen Art eine Art Leuchtturmfunktion für die gesamte HiFi-Branche seines Landes. Außerdem war er ebenfalls ein Geschäftsfreund, den ich sehr mochte, mit dem ich mich gerne traf. Und immer wenn ein Mensch mit einer solchen Aura abtritt, nimmt er seinem Umfeld etwas vom Glanz und Glamour, das mit ihm beerdigt wird und für immer verloren geht.

Es ist schwer zu sagen und auch in diesem Moment unangebracht, wie sich das Unternehmen Burmester Audiosysteme ohne den obersten Lenker entwickeln wird. Es hat viele begabte junge Spezialisten, aber der Namensgeber hinterlässt eine Lücke, in die niemand anderes reinpasst. Keine Frage, Burmester Audiosysteme wird auch weiterhin viele ausgetüftelte neue Geräte bringen, die High-Endern glasige Augen machen. Was fehlen wird, ist allein die menschliche Seite, der charismatische Vordenker, mit dem man leidenschaftlich diskutieren, streiten oder feiern konnte. Und nicht zu vergessen: In seinem alten Mercedes SL mit V8-Motor durch Berlin cruisen und sich des Lebens erfreuen. Oder im aktuellen S500 mit seinem 3D-Sound-System, als bei Fahrer und Beifahrer Freudentränen bei Deep Purples „Child In Time“ flossen. Ich hätte mir bei der gemeinsamen Hauptstadttour vor nicht mal einem Jahr nicht im Ansatz vorstellen können, dass mich Dieter schon wieder zum Heulen bringt. Diesmal ohne die ganzen technischen Hilfsmittel. Mach’s gut Dieter, Du fehlst uns!

Autor: Stefan Schickedanz

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Schneller testet keiner. Deutschlands einziger HiFi-Redakteur mit Rennfahrer-Genen betreut bei LowBeats den Bereich HiFi im Auto sowie die Themengebiete Mobile- und Smart-Audio.