Es war einmal … ein Quartett englischer Twens zwischen Indie-Rock und Brit-Pop. Doch seit die Kooks 2004 an den Start gingen, sind auch schon wieder mehr als zwei Jahrzehnte durchgerauscht. Und so kann man dem Ensemble aus Brighton anno 2025 auf Album Nummer 7 nun beim Erwachsenwerden zuhören – was Luke Pritchard & Co. derart stilvoll gelingt, dass „Never/Know“ zum aktuellen lowbeats Album der Woche avanciert.
Wer angesichts des Covermotivs auf eine one-man-show von Bandleader Luke Pritchard tippt, liegt übrigens nicht vollständig, aber weitgehend richtig. Der Kooks-Frontmann hielt den Entstehungsprozess dieses Song-Kompendiums nämlich monatelang komplett geheim und überrumpelte seine Kollegen dann mit einem Satz an Demoaufnahmen, an denen Co-Kookser Hugh Harris (git., voc.), die „freien Mitarbeiter“ Alexis Nunez (dr.) und Jonathan Harvey (bass) sowie einige eingeladene Gastmusiker:innen zunächst lustvoll weiter herumjonglierten: ganz ohne an ein „richtiges“ Album zu denken – und so, wie Pritchard und Harris es früher bei Studentenpartys in ihren Küchen getan hatten.

„Alle hatten die Hemmungen abgelegt“, sagt Luke Pritchard. Auch Hugh Harris beschreibt den Aufnahmeprozess als „völlig entspannt“ – im Gegensatz zu manch anderer Produktion, für die man früher Wochen über Wochen mit teuren Studioaufnahmen verbrachte, nur um dann festzustellen, dass das Ergebnis leblos oder formelhaft klang. „Meine Lieblingsalben sind nie so entstanden“, sagt er, „sondern genau so wie dieses: angetrieben von roher Energie.“
Die Musik von The Kooks „Never/Know“
Wobei: Das mit der rohen Energie sollte man jetzt nicht allzu wörtlich nehmen. Dass die Kooks mal als Indierock-Band gestartet sind: Daran erinnert „Never/Know“ nämlich nur noch gelegentlich. Gut, „Compass Fracture“ kombiniert dezent psychedelische bis herzhaft krachige Saitensounds und einen hübsch rumpeligen Beat zu 3:12 dezent avantgardistischer Rockmusik; „Let You Go“ schiebt eine verzerrte E-Gitarre ins Rampenlicht und „Tough At The Top“ groovt lässig zwischen Reggae, Rock und Uptempo-Pop. Doch das war’s auch schon mit irgendwelchen Reminiszenzen an einstige Sturm-und-Drang-Jahre. Die neun weiteren Songs, abgefasst durchweg im drei- bis vier-Minuten-Format, verströmen hingegen eine sympathische sommerliche, mitunter sogar dezent verpeilte Leichtigkeit und erinnern in ihrer Gangart ein wenig an die Kehrtwendung, die Paul Weller einst nach seinen Jahren mit The Jam (1972-1982) ab 1983 hin zum seinem Nachfolgeprojekt The Style Council hingelegt hat: weg von jugendlich-rüden (Mod-)Rock hin zu einer altersweisen, sonnendurchfluteten Pop-Fluffigkeit, die so entspannt klingt, als musiziere man nach Jahrzehnten im herben englischen Underground nun plötzlich in der französischen Provence.
„Never/Know“ passt damit vorzüglich in die Jahreszeit und gibt einen idealen Soundtrack, um zu einem Gläschen Rosé einen gechillten Nachmittag mit Blick auf’s Mittelmeer oder den Atlantik einzuleiten. Oder um an der „english riviera“ im südlichen Devon in spätviktorianischem Ambiente und zum sanften Plätschern des Golfstroms den Palmen beim Wedeln zuzuschauen.

Schon der Titelsong gibt gleich zu Beginn die Richtung vor: Beschwingt pfeift sich Luke Pritchard in diesen Dreiminüter hinein und fortan kreisen Tasten- und Saiteninstrumente ohne jedes Dominanzgehabe umeinander herum, während sich im Background fröhliche Partyatmosphäre breitmacht. „Sunny Baby“ surft auf derselben Wellenlänge und kultiviert heiteres Beach-Club-Flair, ehe dann „All Over The World“ einen ersten reizvollen Gegenpol markiert: Luke Pritchard changiert hier mit angelsächsischer Coolness zwischen spoken poetry und Beinahe-Rap, während Band und Begleitmusiker einen akzentuierten Indie-Pop skizzieren, der ohne jede Bratzigkeit auskommt, sondern schillert wie eine kunstvoll geschwungene Seifenblase. Selbst, dass gleich eine ganze Reihe von Songs (neben „Tough At The Top“ beispielsweise auch das verspielte „If The Only Could Knew“) nicht gerade fantasievoll auskomponiert, sondern schnöde ausgeblendet werden, fällt letztlich nicht negativ ins Gewicht: Hat man sich einmal in die heiter-gelassene Grundstimmung dieses dezent retroesk getönten Albums eingehört, wirken diese fade-outs so angemessen, als würde sich ein wohltemperierter Sommernachmittag stilvoll in einen pastellfarbenen Sonnenuntergang verwandeln.
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