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Cass McCombs
Der Kalifornier Cass McCombs hat einen wunderbaren Mix aus Americana und Folkrock eingespielt: "Heartmind" ist unser Musiktipp der Woche (Foto: S. Lainez)

Cass McCombs „Heartmind“: das Album der Woche

Cass McCombs ist ein Kind der Bay Area, in dessen Dunstkreis Brands wie Google, Apple, eBay oder Tesla emporwuchsen, um die Welt zu missionieren (dazu mehr im Song „New Earth“). Im Raum San Francisco spielte der heute 44-jährige Singer-Songwriter denn auch in Jugendjahren unermüdlich in diversen Bands, darunter auch schon mal auf Heimwerker-Märkten. Seine Debut-EP „Not The Way“ war der Startschuss zu einer bis heute anhaltenden, unspektakulären, aber gehaltvollen Karriere. Immerhin stehen auf seiner langjährigen Teamliste Namen wie John Cale, Cat Power, Arcade Fire oder The War On Drugs sowie Andrew Bird. Sein aktuelles Werk ist so stark, dass Cass McCombs „Heartmind“ ohne Widerrede zum Album der Woche gekürt wurde.

Cass rückt sein Schaffen nicht laut ins Rampenlicht, er forscht, recherchiert, kreiert und präsentiert eher unaufgeregt und authentisch. Insofern kann einem selbst als Musikkritiker schon mal – das ist ein Geständnis – ein Album durch die Lappen gehen, so wie „Mangy Love“ von 2016, das ebenso Klasse ausstrahlt wie „Prefection“ (2005).

Der Kalifornier spannt einen schlauen Bogen zwischen Americana, Alternative-Pop, Folk-Rock und mischt dem Ganzen teils eine fein dosierte Brise Psychedelika bei. „Heartmind“ schließt sich da nahtlos an: Auch hier wirkt er wieder etwas wie ein musikalischer Bruder im Geiste von Andrew Bird, Crowded House oder den Go-Betweens. Vielleicht noch teils verwandt mit dem norwegischen Soft-Popper-Duo Kings Of Convenience.

In seinen lyrischen Texten reflektiert Cass McCombs gerne sozialpolitische Themen. Und nimmt dabei kein Blatt vor dem Mund. Das geht unter die Haut, zumal bei persönlichen Themen, manch einen mag das verwundern oder gar verstören. Doch der Mann redet lyrisch veredelt Tacheles und reflektiert so die Untiefen und Herausforderungen des Daseins.

Die Musik von Cass McCombs „Heartmind“

Der 44-jährige stammt aus Concord bei San Francisco und hat sein neues Album in mehreren Sessions im kalifornischen Burbank bei Los Angeles sowie an der US-Ostküste in Brooklyn/ New York eingespielt. Dort spielte er mit KollegInnen wie (Country-)Sängerin Wynonna Judd, ihrem Ehemann, dem dreifach Grammy-nominierten Cactus Moser an der Lap-Steel-Gitarre, Bassist Shahzad Ismaily (Lou Reed, Bonnie Prince Billy, Laura Veirs), Keyboarder Frank LoCrasto und Drummer Joe Russo (Bob Weir/ Grateful Dead). Rob Schnapf (Booker T. Jones, Elliot Smith, Guided By Voices) hat das Ganze tonal recht luftig, prima aufgelöst und druckvoll gemixt.

„Music Is Blue“ startet das Album zackig: Mit in letzter Zeit selten gehörter Post-Punk-Power und zusätzlich jazzigen Einsprengseln erfüllt „Music Is Blue“ den Raum erfrischend. Das zartbittere „Karaoke“ dominiert dann eine echogeladene Leadgitarre, eingebettet in einen sonnigen Pop-Melodien-Flow, hin- und mitreißend. „New Earth“ fließt als veritable Alternative-Pop-Nummer durch die Lautsprecher und watscht Wirtschafts-Gott und Trump-Fan Elon Musik gehörig ab:

„…. Today is the day after the last day on Earth
It’s such a glad day!
After a very bad day
After today, who can say?….“

It was a bad day
Mr. Musk was in a bad way
Stewing in his bullion like a phony chef
So he left The Bay
Now orchids mock him
Spread so wide
With such a lurid flavor

„A Blue Blue Band“ wiederum lebt von schönen mehrstimmigen Vocals und feinem Fiddle- und Mandolinen-Zauber. Als ein Highlight des Albums glänzt der klug inszenierte Antikriegs-Song „Unproud Warrior“, der im scheinbar harmlosen Country-Outfit daherkommt und persönliche Verantwortungen hinterfragt. Der gut achtminütige Titeltrack schließt das gehaltvolle Album gelungen ab, mit einer Liaison aus gekonnt gelegter Struktur und Improvisationskunst.

Cass McCombs „Heartmind“ Cover
Cass McCombs mit „Heartmind“ erscheint bei Anti Records als CD, LP oder als Stream sowie MP3-Download, z.B. bei amazon.de

Unterm Strich beeindruckt „Heartmind“ als eines der besten Alben des Singer-Songwriters, das dem Zuhörer smart den Spiegel vorhält – mit fluffig-lockeren Melodien, klugen Arrangements und stimmiger Stilvielfalt inklusive 70er- und 80er-Jahre-Touch.

 

Lyrics: https://cassmccombs.com/lyrics

Videoclips

„Unproud Warrior“

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„Karaoke“

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Cass McCombs Heartmind
2022/09
Test-Ergebnis: 4,3
SEHR GUT
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.