Ein Re-Issue darf bei unseren Juni-Empfehlungen nicht fehlen. Und Ideal „Ideal“ hat einiges bewegt – zur Zeit der Neuen Deutschen Welle. „Sex In Der Wüste“, „Monotonie“ (unter Palmen…), „Flieg nach Hawaii, wir sind auch dabei…“ oder „Komm wir lassen uns erschießen“ nebst dem lotterig-ranzigem „Hundsgemein“. Das war schon, sagen wir mal, sehr eigenständig. Damals, vor rund 45 Jahren. Zumal in einer Zeit, wo die gute alte ZDF-Hitparade von Dieter Thomas Heck noch von Schlager-Heroen wie Bernhard Brink, Michael Holm oder Roland Kaiser bestückt wurde. Immerhin folgten später versprengte NDW-Gesellen wie Markus („Ich will Spaß“) oder Nena, die ihre „99 Luftballons“ massenwirksam steigen ließ. Ideal surften die Neue Deutsche Welle gleichzeitig elegant und rotzfrech, jedoch wohltuend anders mit einem intellektuellen Touch, der sich mit spitzer Feder von Annette Humpe auszeichnete. Die Sängerin und Keyboarderin formte die Band mit Ernst Ulrich Deuker (Vocals, Bass) sowie Frank Jürgen Krüger (Vocals, Gitarre) und Hans-Joachim Behrendt (Drums). Die beiden verstarben 2007 respektive 2023.

Der TV-Auftritte, auch im Rahmen des legendären Rockpalast, katapultierte die Idealisten im Sommer 1981 in die Ohren von Millionen und in die Charts. Der Nachfolger „Der Ernst des Lebens“ entstand dann unter der Regie des legendären Conny Plank. Nur drei Jahre lang sollte die Band (west)deutsche Musikgeschichte schreiben, im Frühjahr 1983 gaben Humpe & Co. nach dem dritten Longplayer „Bi Nuu“ die Auflösung bekannt. Und hinterließen ein spritzig-frech-kluges Vermächtnis deutscher Pop-Kultur. Die heute 74-Jährige Annette Humpe verhalf danach vor allem als Musikproduzentin KollegInnen zum Erfolg, zum Beispiel Palais Schaumburg, Die Prinzen, oder Max Raabe. Im Duo Ich+Ich trat sie mit Adel Tawil ins Rampenlicht.
Aber zurück zu den aufwühlenden Anfängen – und wieder zurück in die Gegenwart: Humpe & Co haben Ihr Debütalbum von 1980 remastert und mit einer Handvoll nostalgischen Videos im Netz unterfüttert. Das Album verströmt klanglich aufgewertet herrlichen Vintage-Esprit. Den Link zum Song „Berlin“ gibt’s weiter unten.
Bewertungen
MusikKlangRepertoirewertGesamt |
Sehr gewitzt: Die Debüt-LP lief damals mit 45 Umdrehungen pro Minute – heute ja ein gerne angewandter audiophiler Kniff im Zusammenspiel mit dem Remastering bei Re-Issues. Die Wiederveröffentlichung macht Laune auf die zackigen Zeiten der Neuen Deutschen Welle mit Nena, Spliff oder Falco – und eben Ideal als eine der intellektuellsten Vertreter der NDW. Elektronik-Pionier Klaus Schulze war damals mit am Ruder, als sein Freund, der Musikverleger Klaus D. Mueller, das erste Ideal-Album Ende 1980 auf seinem Label IC veröffentlichte. Mueller führte die Regie als Produzent, Annette Humpe schrieb die Texte. Das Album nahmen die Vier im Juni 1980 im IC-Studio in Winsen auf, abgemischt wurde es im Frankfurter Studio Panne Paulsen.
Und so blinzeln uns nun vom Debüt-Werk „Ideal“ remastert „Blaue Augen“ frech und klar an, „Hundsgemein“ erschaudert mit schöner Dynamik und „Berlin“ strahlt mit rotzigem Refrain „…ich steh’ auf Berliiiin…“, mehrstimmige Vocals kommen vom „Männerchor Der Deutschen Bundesband“… Eine herrliche Vintage-Nummer. Zur Info: 2005 gab’s schon einmal eine remasterte CD-Veröffentlichung, 2023 eine türkisfarbene LP.
Video-Clip zu „Berlin“