Geld, viel Geld: Die Musikindustrie in Deutschland legt zu – warnt aber vor der KI. Wir wussten es immer: Die Tage der CD sind gezählt. Aber der aktuelle Absturz ist dramatisch. Streaming dominiert, und Vinyl surft auf der Siegeswelle. Die aktuellen Zahlen der Musikindustrie in Deutschland sind brutal, aber ehrlich und wegweisend.
Die gute Nachricht: Nach Jahren der Flaute und Piraterie macht die Branche wieder Geld. Viel Geld: 1,13 Milliarden im ersten Halbjahr 2024 für Deutschland allein. Ein Plus von 7,6 Prozent. Was üppig ist. Bedenken muss man auch: Der Sommer hat bisher nicht durchgeschlagen und das Weihnachtsgeschäft kommt noch. Was aber dem Trend egal ist: In Deutschland kauft man keine physischen Tonträger mehr – weder für sich noch für andere.
Obwohl: Die Schallplatte, egal ob schwarz oder bunt, erreicht einen Marktanteil von 5,9 Prozent. Die CD liegt kaum darüber, bei 8,1 Prozent. Die tiefere Botschaft steckt im Trend. Während Vinyl permanent zulegt, aktuell um über 5 Prozent, befindet sich die CD im Sinkflug – ein Minus von 22,5 Prozent. Insgesamt erwirtschaften physische Tonträger – CDs, Vinyl, DVDs und Singles – nur noch 14,7 Prozent des Branchenumsatzes. Der Gewinner steht wie eine Lichtgestalt auf dem Siegertreppchen: die nicht greifbaren Musik-Daten.
Wobei sich hier ein weiterer interessanter Trend festigt: Der Mensch in deutschen Landen will nicht haben, sondern leihen und abonnieren. Von den 85,3 Prozent des digitalen Marktes sind nur 1,6 Prozent echte Downloads – also Files, die ich auf der Festplatte hüte und per NAS oder Stick an den Streamer oder PC/Mac sende. Hier sinkt die Rate abermals um 16 Prozent.
Alle Freunde von SACDs und Blu-ray-Audios müssen jetzt stark sein: Unter „Physisch Sonstiges“ listet der Fachverband nur 0,4 Prozent am Gesamtgeschäft auf. Die Nische in der Nische – ohne wirkliche finanzielle Bedeutung.
„Anhaltende Aufwärtskurve von Vinyl“
Dem Bundesverband Musikindustrie (BVMI) kann es weitgehend egal sein. Hauptsache das Geld fließt. Dr. Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des BVMI: „Das Jahr 2024 lässt sich gut an (…). Es zeigt sich, dass die Attraktivität der Streaming-Angebote für Musik-Fans weiterhin zunimmt. Die anhaltende Aufwärtskurve von Vinyl verdeutlicht, dass die physische und die digitale Welt komplementär bleiben und miteinander interagieren.“
Der weltweite Trend gibt dem Deutschen Verband recht: Im Jahr 2023 überschritt die Zahl der bezahlten Abonnements für Musikstreaming-Dienste erstmals die 500-Millionen-Marke. Aktuell gibt es mehr als 700 Millionen Nutzer von bezahlten Abonnementkonten. Die Unterschiede zwischen den Kulturen sind aber groß, insbesondere die Japaner sind noch am stärksten dem Im-Regal-haben-wollen verpflichtet.
Auch die Deutschen besitzen gern das Musik-Material, wie Qobuz Marken-Botschafterin Mareile Heineke LowBeats bereits Ende 2023 in einem Interview verriet: „(…) nirgends auf der Welt wird so viel gekauft und heruntergeladen wie in Deutschland.“
Spotify auf Rekord-Niveau
Der mächtigste unter den Anbietern, Spotify, hat gerade seine Zahlen für das zweite Quartal 2024 vorgelegt. Stolz sind die Schweden: ein Plus von 12 Prozent bei den Abonnenten, bei einem Umsatz von 3,8 Milliarden Euro. Von denen Spotify 266 Millionen Euro als Betriebsergebnis ausweist. Ein neuer Rekordwert unter den Quartalsergebnissen.
Alles nur Jugendliche, denen die Klangqualität egal ist? So einfach erfüllt sich das Vorurteil nicht. Die Streaming-Anbieter wittern ein Geschäft mit höheren Qualitätsraten. Branchenkenner gehen davon aus, dass Spotify zeitnah sein als „Spotify HiFi“ angekündigtes Lossless-Angebot als kostenpflichtige Zusatzoption anbieten wird. Daniel Ek, Spotify Founder & CEO hielt sich bei der Bilanzkonferenz zurück – er raunte, dass man angesichts der Funktionserweiterung sehr aufgeregt sei, sich aber auch noch in einem frühen Stadium befände.
More money for the artists
Alles auf Kosten der armen, aktiven Musiker? Nein, das war einmal. Streaming wird auch für die Künstler ein besseres Einnahmefeld. Die Zahlungen der Musikindustrie an die Künstler haben sich in zwölf Jahren mit einem Plus von 132 Prozent mehr als verdoppelt, so der Bundesverband Musikindustrie. Partizipierten Künstler 2010 mit rund 21 Prozent an den Einnahmen, wurden 2022 rund 43 Prozent der Einnahmen durch direkte Zahlungen wie Vorschüsse und Lizenzen an sie weitergegeben. Florian Drücke: „Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass die Firmen jedes Jahr ein Drittel ihrer Einnahmen in die Entwicklung und Vermarktung neuer Talente und neuer Musik investieren.“
Und die böse KI? Zittern die Musiker und die Branche vor der Künstlichen Intelligenz? Dr. Drücke sieht die Gefahr und ruft zum Schulterschluss. Es sei zentral, dass man gemeinsam als Branche dafür sorgt, dass menschliche Kreativität auch in Zukunft Kern und Maßstab des Schaffens aller Beteiligten bleibt.
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