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Magnat MTT 990 Test Aufmacherbild
Der Magnat MTT990 ist – absolut unüblich in der Preisklasse von 1.000 Euro – ein Direct-Drive Laufwerk (Foto: Magnat)

Erster Test Direct-Drive Plattenspieler Magnat MTT 990

Magnat will mitspielen. Auch die Lautsprecherspezialisten aus dem Westen der Republik haben nun einen eigenen Plattenspieler entworfen. Der Magnat MTT 990 ist ein Machtwort.

Hier gibt es einen Direktantrieb, eine quarzgenaue Umdrehungszahl, einen ambitionierten Tonarm und perfektes Finish. Alles passt. Nur der Preis nicht – mit 1.000 Euro inklusive Tonabnehmer ist man erstaunlich günstig.

Magnat MTT990
Klare Formsprache: Der MTT 990 sieht aus wie ein Edel-Player aus den Achtzigerjahren – kein Knopf zu viel, alles im quadratischen Look. Aber natürlich mit Haube (Foto: Magnat)

Die Übermacht ist erdrückend: So ziemlich alle Hersteller fertigen heute ihre Plattenspieler mit Riemenantrieb – ein kleiner Motor links oben, ein Kunststoffring darum geschwungen, und fertig ist der Vinyl-Beschleuniger. In einer ganz, ganz kleinen Nische sind die Direktantriebler zuhause – der Motor sitzt unter der zentralen Achse, kein Riemen muss umschlungen werden, der Plattenteller dreht sich durch direkte Kraftzufuhr.

Wir kennen einzig Technics als Vertreter dieser Bauart und so manche Technics-Kopisten. Nun stürmt Magnat in diesen Markt, mit dem MTT 990. Was hat die Magnat-Strategen angespornt? Ein Riemenantriebler in der Einstiegsklasse ist weitaus einfacher zur realisieren.

Doch Magnat wollte mehr. Überraschend angesichts eines Preises von 1.000 Euro. Um aus der Schule zu plaudern: In dieser Klasse wird in der Regel nach dem chinesischen Baukastenprinzip kombiniert – ein Direktantriebler kommt in der asiatischen Fertigungskette nur noch an zwei Produktionsstätten vor.

Der Magnat Chefentwickler hat dazu ein schönes Bonmot ins Poesiealbum geschrieben – Shandro Fischer, Geschäftsführer und Entwicklungsleiter bei Magnat: „Wir haben hier das Thema Plattenspieler unabhängig vom Zeitgeist und der Zulieferersituation angefasst.

Referenz war für uns das Klangerlebnis auch historischer Plattenspieler. Dabei gefielen uns besonders einige japanische Direktantriebler der Siebziger- und Achtzigerjahre und ein deutscher Studioplattenspieler. Dies führte uns unabhängig von den rein messtechnischen Vorteilen zum Direktantrieb.“

Technik und Design: Der Held hinter der Konstruktion

Diesen Mut muss man erstmal aufbringen. Wir stehen also vor einem progressiven Einzelstück. Welches Magnat neben Sandro Fischer vor allem Einem verdankt: Helmut Thiele.

Der Mann ist ein begnadeter Mix zwischen Entwickler und Designer. Er hat das Händchen und das Auge. Viele seiner Entwürfe sind zeitlos, schön und ambitioniert. Einige der besten Plattenspieler von Thorens beispielsweise entsprangen der Phantasie von Helmut Thiele. Wie schön, dass er als Freelancer den Markt aufmischt, so konnte auch Magnat auf sein Wissen zurückgreifen.

Zwei Jahre hat es gebraucht, bis er mit dem Entwickler-Team den Magnat MTT 990 ausgebrütet hatte. Hier kommt das tiefe Wissen der Magnat Entwicklungsabteilung zum Tragen: Mit der ganzen Power des Klippel Analyse-Systems und einem guten Stetoskop wurden die vibrationsgefährdeten Punkte am Plattenspieler ausgemacht und ausgemerzt. Die Mechanik von Lautsprechern ist der von Plattenspielern offenkundig sehr viel ähnlicher als gedacht.

Helmut Thiele ist einer der bekanntesten Industrie-Designer im deutschen HiFi (Foto: H.Thiele)

Das Design des Magnat MTT 990 ist mehr als klassisch, fast reaktionär – so sahen die besten Plattenspieler in den Achtzigerjahren aus. Magnat versiegelt alles unter einer hochglanz-lackierten, schwarzen Oberfläche.

Dieser Plattenspieler macht in jedem Regal eine bella figura. Hätte Magnat an dieser Stelle einen Preis von 2.500 Euro aufgerufen – wir hätte allein aufgrund der Ästhetik zugestimmt.

Magnat MTT 990 Fuss
Der Magnat MTT 990 ist mit seinen 9,0 Kilo Lebendgewicht und der Zarge aus massivem MDF schon fast ein Masselaufwerk. Die Füße sind nicht nur federnd gelagert, sondern auch höhenverstellbar (Foto: H. Biermann)

Doch es kommt deutlich günstiger. Wo haben die Entwickler gespart? Es wird nicht offensichtlich. Der Direktantrieb, beispielsweise, ist kein Selbstzweck. Durch ihn lässt sich die Umdrehungszahl maximal genau festlegen. Weshalb Magnat eine quarzgenaue Steuerung für ihn konzipiert hat. Dieser Teller dreht nie außerhalb seiner Vorgaben.

Magnat MTT 990 Spindel
Die Fertigungspräzision ist erfreulich hoch (Foto: H. Biermann)

So mancher Riemenantriebler sieht gegen diese Präzision alt aus. Der Gleichlauf liegt unter 0,08 Prozent – in dieser Preisklasse ein Luxuswert.

Auch das Tempo stimmt freundlich: In wenigen Sekunden erreicht der Magnat MTT 990 seine Idealgeschwindigkeit, wieder hängt die Fraktion der Riemenantriebler deutlich hinterher.

Magnat MTT 9 Einknopf-Bedienung
Die Geschwindigkeitseinstellung des Magnat MTT 990 erlaubt sogar die seltene 78er Geschwindigkeit für historische Schellack-Platten. Für das Abhören von Schellacks braucht man natürlich einen speziellen Abtaster… (Foto: Magnat)

Die meisten Hersteller dieser Bauart setzen zudem auf einen Plattenteller aus MDF oder in der besseren Liga aus Glas. Beim Magnat rotiert eine eigens feingetunte Rundung aus POM – eine spezielle Kunststoff-Mischung mit rund zwei Kilogramm. Das ist wuchtig und taub gegen Vibrationen.

Für den praktischen Betrieb bietet Magnat gleich zwei Optionen an: Wir können unser Vinyl direkt auf die POM-Oberfläche legen oder auf die mitgelieferte Filzmatte. Fischer favorisiert die Variante „ohne“, ich ziehe die Option mit der sehr hochwertigen Filzplatte vor.

Magnat MTT 990 Plattenteller
Der Plattenteller des MTT 990 ist aus Polyoxymethylen (POM), das in seinem akustischen Verhalten Vinyl nicht unähnlich ist (Foto: H. Biermann)

Der Magnat MTT 990 ist eine Komplettlösung – also mit Tonarm. Die meisten Konkurrenten verbauen ein Modell mit 9-Zoll, Magnat rüstet von Haus aus gleich auf 10-Zoll. Die Basiskonstruktion folgt einer J-Form. Das Rohr selbst wurde aus einem speziell legierten Aluminium gerollt. Die Aufhängung ist kardanisch, mit vier Edelstahllagern und Lagerkugeln.

So bauen keine Billigheimer. Hier will ein Hersteller echte audiophile Pracht ausstellen. Deshalb wurde auch in die passende Verkabelung investiert. Die stammt vom japanischen Spezialisten Mogami und besteht aus hochreiner Kupferlitze.

Wenn nicht jetzt, wann dann: Ein Kunde müsste stutzig werden. Das alles entspricht so überhaupt nicht einer 1.000-Euro-Player-Firmenphilosophie. Suchen Sie doch mal im weltweiten Web nach den hochreinen Mogami Kupfer-Kabeln – die Preise sind hoch. Allein hier kann man sehr leicht eines 1.000-Euro-Scheins verlustig werden.

Magnat MTT 990 Antiskating
In dieser Preisklasse eine großartige Zugabe: Die Tonarmhöhe lässt sich durch Drehen der Basis einfach verstellen und auf alle Tonabnehmer anpassen. Das Gegengewicht punktet mit einer Skala, über die sich das Auflagegewicht bequem und einfach justieren lässt. Das Antiscating lässt sich ebenso elegant über eine eigene Scala vorgeben (Foto: H. Biermann)

Welche tieferen Absichten hegt Magnat mit dem MTT 990? Erst beim Tonabnehmer spürt man den Sparzwang. Auf Wunsch (und für einen 50-Euro-Schein mehr) baut Magnat ein vorjustiertes AT95-System von Audio-Technica ein. Das ist ein Moving-Magnet-Wandler der erschwinglichsten Preisklasse.

Magnat MTT 990 mit AT95
Der Kunde hat die freie Wahl: Entweder kommt der MTT 990 ohne Tonabnehmer ins Haus, oder mit einem vormontierten AT95. Was die klanglichen Qualitäten nicht ausreizt – wir raten zum Aufstocken (Foto: H. Biermann)

Fertig montiert liegt er in der Verpackung auf einer zusteckbaren Headshell. Auf dem Markt ist so ein System unter 50 Euro zu haben.

Wobei wir uns nicht beschweren wollen. Das AT95 ist der mit Abstand meistverkaufte seriöse Tonabnehmer der Welt und klingt erstaunlich gut für sein Geld: sehr ausgewogen und echtes Vinyl-Feeling, aber nicht die letzten Zentimeter der maximalen Auflösung.

Unser Tipp deshalb: Einen besseren Tonabnehmer aufschrauben – ein gewaltiges MC-System muss es nicht sein, aber wie wäre es mit einem feinen MM-Wandler um 250 Euro, das ist sinnig und fair. Um in der Familie zu bleiben: das Audio-Technica VM540ML wäre ein heißer Tipp.

Das Audio-Technica VM540ML am Rega RB 1000 Arm
Das Audio-Technica VM540ML entpuppte sich innerhalb des LowBeats VM-Familientests als absoluter Überflieger. Eine Super MM-Empfehlung für 279 Euro (Foto: P. Schüller)

So viel Klangpotential birgt der MTT 990

Doch zuerst der Solo-Lauf: Wie üblich starte ich mit den Beatles. das Weiße Album. Das neue Mastering von Giles Martin ist ein Geniestreich. Wer tiefer schürfen will, legt sich den High-Res-Download in 24 Bit zu oder eben die superbe Vinyl-Pressung.

Schon im ersten Track kommen Vinyl-Freuden und Sentimentalitäten auf: „Back in the USSR“ rauschte in unseren Hörraum, mit aller Präsenz. Vergessen Sie die Erstpressung, vergessen Sie das MFSL-Master – der neueste Mix ist das audiophile Maß aller Beatles-Dinge.

50 Jahre Das Weiße Album der Beatles
nach 50 Jahren noch mal remastered herausgegeben: das Weiße Album der Beatles klang nie besser

Der Magnat brachte den schönsten Schub an die Membranen, das stimmte im Timing ebenso wie in den emotionalen Schichten. Dann „Blackbird“ – Paul McCartney at his best.

Die Laufruhe des MTT 990 war erstaunlich, im direkten Vergleich streute der Riemenantriebler Elac Miracord 70 deutlich mehr Nebengeräusche ein. Was für einen Drive der kleine Magnat mit dem ebenso kleinen AT95 bereits in seiner Kleinstausstattung zu stemmen wusste – großartig.

Wo liegen die Unterschiede zum 24-Bit-Stream? Der ist reicher an Feininformationen, aber nicht opulenter. Der MTT 990 erschuf eine Auflösung fast auf Augenhöhe, nicht so präzise in den räumlichen Details, aber druckvoll und stark in den Farben.

Wir schwenkten um auf Klassik. Wer Glück hat, findet beim Händler seines Vertrauens eine Pressung von Orffs „Carmina Burana“. Riccardo Muti dirigiert das Philharmonia Orchestra.

Die EMI hat in den letzten Tagen der analogen Aufzeichnung Großes vollbracht. Hier pulsiert die Nadel in der Rille, der Abstand zwischen Pianissimo und Forte ist gewaltig. Hier muss ein guter Plattenspieler die ganz große Bandbreite abrufen. Bei den leisen Stellen dürfen keine Störgeräusche auftreten, wenn es laut wird, muss ein satter Schub vor den Boxen stehen.

In dieser Region trumpfen vor allem die super-teuren Luxuslaufwerke auf. Doch auch der Magnat versteht es, sich diesem Ideal anzunähern. Das war stark in der Körperlichkeit und ebenso stark in der räumlichen Abbildung. Wäre das Portemonnaie tatsächlich auf 1.000 Euro begrenzt, der MTT 990 hätte das Zeug zum glücklich-machenden Idealkauf.

Magnat MTT 990 gegegnElac Miracord 70
Einer der härtesten und attraktivsten Mitbewerber: Elac Miracord 70 (Foto: H. Biermann)

Doch er dreht seine Runden nicht allein auf der Welt – wie sind die Konkurrenten aufgestellt? Den großartigen Miracord 70 von Elac (Straßenpreis: um 1.200 Euro) habe ich bereits angesprochen. Praktisch für den direkten Vergleich: Auch er ist mit dem AT95 ausgestattet.

Beim Kieler Mitbewerber erscheint alles eine Spur sinniger und fülliger. Doch der Magnat holt diesen kleinen Nachteil mit der höheren Laufruhe, dem präziseren Punch und dem höheren Spaßfaktor wieder rein.

Da blitzte er doch auf, der Vorteil des Direkttrieblers: Unterm Strich konnte der MTT 990 einige Pluspunkte mehr auf den Bewertungsbögen verzeichnen.

Der andere, weitaus berühmtere Direct-Drive-Plattenspieler, der Technics SL 1200GR, war leider nicht mehr zum Hörvergleich verfügbar. Aber er war lang in der Redaktion beziehungsweise im Hörraum und wir konnten ihn damals ausgiebig hören.

Die Redaktions-übergreifende Meinung ist einhellig: nämlich, dass der Magnat mit seinem schönen Drive zumindest mal nicht der schlechtere der beiden ist…

Fazit

1.000 Euro sind ein Grenzstein. So mancher Vinyl-Fan überschreitet diese Marke nur mit Magenschmerzen. Also ist ein Hersteller gut beraten, nicht dramatisch über der Schmerzgrenze zu liegen. Magnat gelingt es mit dem MTT 990 auf den Punkt – ein Komplettpaket inklusive sehr gutem Tonarm und gutem Tonabnehmer.

Das Laufwerk selbst stellt keine Begrenzung dar. Deshalb empfehle ich den guten AT95-Tonabnehmer gegen ein MM-Modell der 200-Euro-Klasse auszutauschen.

Doch bereits mit dem mitgelieferten System spielt der MTT 990 wie ein Großer auf. Hier stimmt der Druck an den Membranen und alles das, was man unter Vinyl-Feeling zusammenfasst – feine Harmonien, eleganter Smooth.

Zudem ist der Magnat ein waschechter Direktantriebler, also ein Rebell unter all den vielen Riemen-getriebenen Mitbewerbern. Kein Konkurrent baut derzeit für diesen Preis ein so ernstzunehmendes Laufwerk mit Motor an der Zentralachse.

Mir gefällt auch das Finish: Der schwarze Lack glänzt, die Formsprache wirkt klassisch und alterslos. Nichts, aber überhaupt nichts widerspricht einer deutlichen Kaufempfehlung. In seinem Segment haben wir hier einen Hecht im Karpfenteich.


Magnat MTT 990
2018/12
Test-Ergebnis: 4,6
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Grundehrlicher Klang mit viel Schub und Drive
Extrem kurze Hochlaufzeit, geringe Drehzahlschwankungen
Exzellenter, höhenverstellbarer Tonarm
Hervorragende Preis/Leistungs-Relation

Vertrieb:
MAGNAT AUDIO-PRODUKTE GmbH
Lise-Meitner-Straße 9
50259 Pulheim
www.magnat.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Magnat MTT990 mit AT95: 1.000 Euro
Magnat MTT990 ohne AT95: 950 Euro

Mit- und Gegenspieler:

Test Plattenspieler Technics SL-1200GR – die Direktantriebs-Legende
Test Plattenspieler Elac Miracord 70: Masse-Laufwerk für 1.200 Euro
Test Audio Technica VM 540ML – Top MM-Tonabnehmersystem zum Kampfpreis

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Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.