Man könnte sagen: Ich bin ein alter Marantz-Fan. Das ist doppeldeutig und beides stimmt. Mit meinen nunmehr 62 Lenzen fühle ich mich bisweilen gar nicht mehr immer so frisch… Ebenfalls richtig ist, dass ich den Lohn meines ersten Ferienjobs (mit 16 Jahren auf dem Bau) umgehend in einen Marantz Stereo-Receiver namens 1515 investierte und durch ihn zum ernsthafteren Hören kam. Also verfolge ich die wechselhafte Geschichte des Unternehmens immer besonders aufmerksam und testete im Laufe meiner Redakteurs-Tätigkeit viele dutzende Marantz-Komponenten. Doch auf keine habe ich mich in all den Jahren so gefreut wie auf das Marantz Model 10. Und keine hat meine tiefliegenden Marantz-Bedürfnisse so ausgiebig befriedigt wie dieser Vollverstärker.
Der Marantz Model 10…
…ist auch nach längerer Betrachtung so etwas wie der perfekte Verstärker. So, als hätte sich ein ausgefuchstes Team aus Designern, Haptik- und Audio-Spezialisten über Jahre hingesetzt, um mit viel Emphase und noch mehr Wissen einfach einmal alles richtig zu machen. Und weil dieses Team den Bezug zur Tradition nicht vergessen hat, entstanden mit der Linie 10 drei Komponenten (es gibt ja noch den SACD 10 und den Netzwerkplayer Model LINK 10n), die natürlich auch eine Verbeugung vor dem Firmengründer Saul Marantz und vielen anderen klugen Köpfen dieser Marke ist. An dieser Stelle sei noch einmal auf unsere Marantz-History-Story verwiesen, die auf schöne Art & Weise auch die frühen Jahre noch einmal aufleben lässt…

Es wäre für die Entwickler des Model 10 einfach gewesen, den ebenfalls prächtigen PM 10 von 2016 als Blaupause zu nehmen. Aber das reichte den Ingenieuren im Marantz-Werk in Shirakawa (wo die Komponenten der 10er Serie entstehen) wohl nicht. O-Ton: „Das Äußere, die innere Struktur, die Platinen und das Gehäuse sind komplett neugestaltet. Übernommen wurden lediglich die Schrauben…“
Alles neu also. Vielleicht sollte man sich deshalb diesem Verstärker haptisch nähern. Nein: man muss. Denn es gilt zunächst, die knapp 34 Kilo aus dem Karton zu hieven. Hier ist Hilfe geboten. Aber warum ist er so schwer? Ist es nicht ein Marantz, der wie alle großen Verstärker dieser Marke seit Jahren mit einem Schaltnetzteil ausgestattet ist? Also wo bitte schön, kommt hier das Gewicht her?
Zum Beispiel vom Frontpanel, angeblich dem teuersten Teil des Projekts. Hier finden sich zwei Ebenen mit raffiniert übereinander gesetzten, unterschiedlichen Oberflächen. Das dickste Aluminiumteil der Rückenschale ist 4,5 Zentimeter (!) dick. Hinter der aufgesetzten Aluminium-Blende sitzt ein Lichtkranz, der das Model 10 nicht nur anmutiger, sondern auch kleiner erscheinen lässt als dieser Bolide in Wirklichkeit ist – wir haben es hier mit einem Vollverstärker zu tun, der immerhin fast 20 Zentimeter hoch ist.

Aber nicht nur die – natürlich aus dem Vollen geschöpfte – 45 Millimeter starke Front unterstreicht den Flaggschiff-Charakter des Model 10 – auch die 15,8 mm starken Seitenteile aus Aluminium würden jedem Riesendampfer gut zu Gesicht stehen.

Zusammengefügt ist alles kunstvoll mit höchster japanischer Sorgfalt – und wahrscheinlich mit jenen schon bewährten Schrauben des PM 10. Getreu nach dem Motto: „Gespart wird woanders, beim Marantz Model 10 wird geklotzt.“
Das Wunderwerk Model 10…
…ist aber vor allem innen zu bewundern. Wir kennen das von all den besseren Marantz-Komponenten der vergangenen Jahrzehnte: Das Chassis ist verkupfert, wichtige Sektionen sind abgeschirmt. Aber beim Model 10 trieben die Japaner den Aufwand auf die Spitze – wobei das hochleitende Kupfer hier den Ton angibt. Die Bodenplatte ist dreilagig und aus Kupfer. Das gesamte Chassis ist verkupfert, ebenso die Rückseite. Alle Hochstromanschlüsse sind mit stabilen Kupferschienen ausgestattet, um die Ausgangsimpedanz auf 0,006 Ω zu reduzieren. Sogar die wuchtigen Standfüße haben eine verkupferte Kontaktfläche zum Chassis.
Hintergrund der Kupfer-Orgie ist eine durch und durch konsequente Signal-Führung wie -Abschirmung. Also: Das Model 10 bietet dank doppelstöckigen Aufbaus eine vollständige technische Trennung sowohl der beiden Kanäle als auch der einzelnen Sektionen untereinander.
Auffällig ist die neu entwickelte symmetrische Verstärkertopologie mit echtem Dual-Mono-Aufbau in kompletter Symmetrierung und mit symmetrischen Ein- und Ausgängen; bei den asymmetrischen (Cinch-) Eingängen beginnt die Symmetrierung gleich hinter der Buchse und wird durch die neueste Generation der HDAM-Bausteine (HDAM SA3) umgesetzt. Zur Erinnerung: Die Japaner verwendeten diese erstmals 1992 im PM-99SE. Es ist eine nahezu perfekte Kombination aus Reaktionsvermögen und einem transparenten Signal zu erzielen.

Weiter oben hatte ich die aktuelle Lieblings-Verstärkertechnik bei Marantz schon erwähnt: Es handelt sich um Schaltverstärker, in diesem Fall die neueste Purifi-Technologie, die für Marantz nach eigenem Entwurf angepasst und – wie der gesamte Verstärker – sogar im eigenen Werk, im japanischen Shirakawa aufgebaut wird.
Ebenfalls einen guten Eindruck vermittelt das Video, das Marantz zum Aufbau des Model 10 gemacht hat:
Hierzu ein paar Daten für das Angeberwissen: Die Ausgangsleistung liegt bei 250 (8Ω) beziehungsweise 500 (4Ω) pro Kanal – und das bei voller Bandbreite und einem Klirrfaktor von unter 0,05%. Zudem liefert das Model 10 einen Spitzenstrom von bis zu 30 Ampere – mit dementsprechend größerem Dynamikbereich. Fast wichtiger aber noch: Das Marantz-Flaggschiff liefert die volle Leistung unabhängig von der Lastimpedanz der Lautsprecher. Es darf also auch gern einmal niederohmig werden.
Es ist eine Perfektion, ein Aufbau, eine Konsequenz, wie man sie nur ganz selten findet. Und auf die die Marantz-Ingenieure zurecht stolz sind – wie man sehen kann. Der Deckel des Model 10 ist nicht etwa durchgehend, sondern wird mittig von einem schön gemachten, nachgiebigen Drahtgeflecht überzogen – was auch der Luftzirkulation zugutekommt.

Praxis
Marantz verspricht 500 Watt pro Kanal (4 Ohm) – unabhängig von der Impedanz der angeschlossenen Lautsprecher. Das ist nicht übertrieben. Wir haben etliche, elektrisch wirklich schwierige Schallwandler angeschlossen und das Model 10 zog stoisch seine Runden: Der Klang veränderte sich überhaupt nicht.
Ebenfalls höchst erfreulich sind die aus besten, diskreten Bauteilen aufgebauten Phono- und Kopfhörer-Verstärker. Beide ermöglichen eine gewisse Form der Anpassung: die MC-Stufe bietet drei unterschiedliche Impedanz-Abschlüsse, der Kopfhörer-Amp eine individuelle Verstärkung für den angeschlossenen Kopfhörer.
Beides haben wir uns natürlich angehört. Während ich mir von der Phonostufe einen Tick mehr anspringenden Punch gewünscht hätte, war ich mit dem wunderbar feinseidigen Kopfhörer-Klang restlos zufrieden. Das Thema Kopfhörer-Verstärker kann man mit dem Model 10 ebenfalls ad acta legen.

Das Handling ist besonders einfach – auch, weil klassische Vollverstärker ohne jede Digitaltechnik gemeinhin keine größeren Hürden aufbauen. Aber selbst die Unter-Menüs werden per Fernbedienung einfach erreicht und das auffällig hübsche Anzeige-Instrument mit hochauflösendem Farbdisplay in der Mitte der Front gibt schnell Auskunft.

Die Anschlüsse (Eingänge: 2 x XLR, 3 x Cinch, 1 x Phono) sind meines Erachtens absolut ausreichend. Vor allem aber sind die Anschlüsse von exzellenter Qualität. Auch diesbezüglich greifen die Japaner ganz nach oben.

Wie heute oft üblich, hat auch das Model 10 einen Endstufeneingang. Damit könnte das Prachtstück auch Teil eines höchstklassigen Heimkinos werden oder eine noch bessere Vorstufe verwenden. Und wer gar nicht genug Model 10 bekommen kann, kauft einfach einen zweiten – für unkompliziertes Bi-Amping. Das klingt bestimmt besser, ist aber halt eine nicht unbedeutende Geldfrage…
Hörtest
Wer sich mit Marantz in den vergangenen Jahrzehnten klanglich auseinandergesetzt hat, der weiß, dass die Japaner den ursprünglich amerikanischen Sound weiterhin gepflegt haben. Marantz steht seither für einen eher natürlich-warmen, nie vordergründigen Klang. Fast ein bisschen wie McIntosh; die Amerikaner huldigen einem ähnlichen Ideal. Man mag das oder eben nicht.
2016 hatte ich ausgiebig Gelegenheit, den PM 10 zu hören; den passenden Player SA 10 hatten wir sogar im Test und machten ihn danach umgehend zur Referenz. Und doch legt vor allem der neue Vollverstärker noch einmal viele Schippen obendrauf. Da geht es nicht um die Leistung. Davon hat er schlicht genug, protzt damit aber nicht, sondern bleibt auch im Tutti unaufgeregt. Nein. Es geht um die Feinzeichnung, um das leicht verschleiernde Grau, das die einzelnen Instrumente oder Töne meist umgibt. Hier klingt das Model 10 schlicht sauberer und noch ein bisschen aufgeräumter.

In den ersten Hördurchgängen ließen wir im kleinen LowBeats Hörraum das Model 10 gegen unsere Klassenreferenzen vom Schlage Cambridge Edge A oder Atoll IN 400 SE laufen. Diesen Vergleich entschied der Marantz schnell für sich, obwohl der Atoll ja ebenfalls mit extrem viel Kraft punktet. Aber mit seiner “Ruhe” in der Wiedergabe, mit der Schönheit seiner Klangfarben und nicht zuletzt mit einem völlig unaufgeregten satten Schub von unten distanzierte er die – allerdings ja auch günstigeren MItbewerber souverän.
Hier mussten also andere Kaliber zum Vergleich aufgefahren werden. Der Audio Analog Maestro aus Italien boxt vom Gewicht her in der gleichen Klasse, ist allerdings etwas schwächer und in ähnlicher Bestückung 2.000 bis 3.000 Euro günstiger. Der Maestro spielt enorm kraftvoll, mit federndem Bass, sehr feinnervig und agil. Zunächst schien es, als wolle der Italiener den Marantz mit seiner lebendigen Art schier überfahren. Hier und dort ließ er Details feiner blitzen, seine ganze Spielweise war quirliger, die Schläge auf die Bassdrum hatten mit ihm deutlich mehr Energie und Druck. Wir schauten uns an und bestätigten uns, was wir über den Maestro schon immer dachten: ein richtig guter Vollverstärker.

Und doch drehte das Model 10 mit jedem weiteren Musikstück das Spiel zu seinen Gunsten: Den Stimmen des Hillard Ensembles beispielsweise gab er noch einmal mehr Substanz und Kraft. Die einzelnen Stimmen kamen zwar weniger präsent als mit dem Maestro, aber doch feiner, genauer und richtiger. Vor allem die Dreidimensionalität, mit der der Marantz das Geschehen nach hinten auffächerte, ließ den Audio Analog fast schon flach klingen.
Es folgte, was immer passiert, wenn außergewöhnliche Komponenten die wir mögen, in der Redaktion sind: Wir entspannen und hören zu einem guten Tropfen Weißwein einige unserer Lieblings-Alben durch. Oft ist auch Yello dabei. Das ist Musik, die nie leise gehört werden will: elektronische Tieftonteppiche, gehalten von harten Basshieben und über allem schwebt die kernige Stimme von Dieter Meier. Obwohl das Model 10 nicht zu den Ultra-Dynamikern unter den Super-Vollverstärkern gehört, zauberte seine schiere Kraft bei allen Anwesenden ein breites Grinsen auf das Gesicht. Eigentlich ist der Marantz auf „kultiviert“ gezüchtet. Aber er kann halt auch anders…
Fazit Marantz Model 10
Womöglich gibt es Verstärker in dieser Preisklasse, die mit mehr Dynamik und Durchzug punkten. Vielleicht hat auch der eine oder andere Mitbewerber etwas mehr an Transparenz zu bieten. Geschenkt. Stattdessen verführt der neue Marantz Super-Amp mit einer breiten Palette herrlich satter Klangfarben, einer Stimmwiedergabe vom Allerfeinsten und einer räumlichen Darstellung, die einfach Lust aufs Hören macht. Dass er all diese Meriten an quasi jedem Lautsprecher – und sei er elektrisch auch sehr eigenwillig – zum Besten gibt, unterstreicht seinen Anspruch, in der langen Marantz-Geschichte uneingeschränkt der Beste zu sein.
Das allein aber ist es noch nicht. Dieses komplett „Made in Japan“ erstellte Meisterwerk strahlt mit jeder Pore seines technischen Daseins die Aura des Besonderen aus: Beste Zutaten treffen auf feinste japanische Ingenieurskunst. Die Marantz-Entwickler wollten nicht nur den leistungsstärksten Vollverstärker der langen Marantz-Geschichte, sondern auch noch jenen mit den niedrigsten Verzerrungen entwickeln. Es ist ihnen gelungen. Und man hört es.
Also: Wer sich mit dem gesetzt-sonoren Klang des Model 10 anfreunden kann, findet hier einen ultimativen „finalen“ Verstärker. Und vielleicht ist es ein weiteres Argument für diesen Nobel-Amp, dass mit dem SACD 10 und dem Netzwerkplayer, Model LINK 10n zwei weitere, perfekt passende Super-Komponenten in den Startlöchern stehen. Zumindest für den SACD 10 können wir unsere Hände unbesorgt ins Feuer legen; den hatten wir bereits im Test. Er setzt ähnliche Maßstäbe.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Wunderbar sonorer, räumlicher Klang |
| Hohe Leistung (2 x 500 Watt an 4 Ohm) |
| Hohe Stabilität auch bei komplexen Lasten |
| Absolut perfekte Verarbeitung |
Vertrieb:
Marantz Deutschland
D&M Germany GmbH
A division of Sound United
An der Kleinbahn 18
D-41334 Nettetal
www.marantz.com
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Marantz Model 10: 14.500 Euro
Technische Daten
MARANTZ MODEL 10 | |
---|---|
Konzept: | Stereo-Vollverstärker mit Schaltnetzteil |
Ausgangsleistung (4 / 8 Ohm): | 2 x 500 / 2 x 250 Watt |
Klirrfaktor: | 0,005 % (125W, 8 Ohm, 20-20 kHz) |
Anschlüsse: | Eingänge: 2x XLR, 3x Cinch, Phono (MM und MC, Impedanz anpassbar) Ausgänge: Vorverstärker (Cinch/XLR), Endstufe brückbar |
Frequenzgang: | 5Hz~60 kHz +0 dB/-3 dB; 20 Hz~20 kHz +0 dB/-0,3 dB |
Gehäuseausführungen: | Champagner und Schwarz |
Besonderheiten: | Fernbedienung |
Gewicht: | 33,7 Kilogramm |
Abmessungen (B x H x T): | 44,0 × 19,2 × 47,3 cm |
Alle technischen Daten |
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