Was für eine Überraschung: Nach einem Video zur Einstimmung bittet der Moderator alle Gäste der Eröffnungsgala des Rolls-Royce Studios in der Motorworld Böblingen, ihn nach draußen in die Halle zu begleiten. Dort schwebt tatsächlich, leise wie ein Elektroauto, der brandneue Rolls-Royce Cullinan mit seinem flüsternden V12 ein. Die offizielle Vorstellung fand erst wenige Tage zuvor statt. Entsprechend groß fällt die Begeisterung aus.
Das Versuchsfahrzeug trägt ein maßgeschneidertes Tarnkleid, das extra für seine Europa-Tour mit einem bekannten Fotografen entworfen wurde. Wer genau hinschaut, kann darauf lauter “Flying Ladies” entdecken – die legendäre Kühlerfigur der vor 114 Jahren gegründeten Marke Rolls-Royce. Die Radkästen erinnern an eine Kompassskala und als Tüpfelchen auf dem “i” prang auf der schwimmend gelagerten Radnabenabdeckung, die immer ihre Ausrichtung behält, statt des RR-Logos eine Kompassnadel.
Obgleich der mit Tarnfolie beklebte, demonstrativ mit dem Schlamm der letzten Off-Road-Strapazen geschmückte Erlkönig inmitten des Glamours des Stuttgarter Rolls-Royce Studios wie ein tätowierter Hooligan wirkt, der einen Sektempfang stürmt, fliegen ihm die Sympathien zu. Fast so. als hätte man den größten jemals gefundenen Rohdiamanten, nach dem der Rolls-Royce Cullinan benannt ist, auf einer Fashion Show enthüllt.
Auch mich erfasst die Euphorie, vor allem, als ich in dem teilweise von Tarndecken verhüllten Interieur die feinziselierten Abdeckungen des von Rolls-Royce im Haus entwickelten Bespoke Audio Systems erspähe. Ein Freund, der bei Rolls-Royce arbeitet, hatte mir bereits von dem System vorgeschwärmt. Da er nicht zu den Leuten gehört, die alles durch die Markenbrille sehen, kann ich es kaum erwarten, meine Songs vom iPhone für einen ersten Soundcheck über das britische High-End-Sound-System mit den bayerischen Genen abzuspielen.
Zum Glück kann man sich bei dem wie im BMW 7er von Harman gelieferten Frontend darauf verlassen, dass es AAC ohne Konvertierung über Bluetooth streamt und daher auch mit dem iPhone Resultate auf CD-Niveau liefert. Schließlich reagieren die sehr puristisch abgestimmten Bespoke Audio Systeme von Rolls-Royce, was die Bühnenabbildung betrifft, äußerst sensibel auf die verwendeten Aufnahmen. Da merkt man auch zwischen einzelnen CDs richtige Unterschiede zwischen audiophilen Einspielungen und der üblichen Pop- und Rockmusik. Mit mäßigen Aufnahmen hingen standen etwa beim Rolls-Royce Dawn die Stimmen nicht wirklich vor einem.
Umso erfreulicher, dass selbst mit der Pop-Playlist, die ich gerade in meinem Auto rauf und runter höre, die Stimmen plastisch und sehr klar artikuliert vor einem Gestalt annehmen. Der Titel “Crooked Feat. Kwame” von JaySounds, mit dem ich gerade auch Soundbars Test-gehört habe, zeigte mit seinen gnadenlosen Synthie-Bass-Attacken, dass im ersten Rolls-Royce SUV die unteren Oktaven an Quantität und Qualität absolut nichts zu wünschen übrig lassen.
Einmal “Money” im Rolls-Royce Cullinan
Sehr schön gelang auch die Abbildung bei David Gilmour Live at Popeii, wo Stimme und die akustischen Gitarren auf “Wish You Were Here” mit sehr natürlichen Klangfarben und feiner Differenzierung aus den sehr dicht zusammensitzenden Mittel-Hochton-Lautsprechern kommen. Das Anreißen der Gitarrensaiten gelingt den hochwertigen Eaton-Chassis so fein und mühelos wie einem Ringradiator. Ich skippe zu “Money”, das man unbedingt mal in einem Rolls-Royce Cullinan gehört haben sollte, und ergötze mich am glasklaren Klimpern der Münzen und der E-Gitarre, die Gänsehaut macht.
Ebenso überzeugend sind die Dynamikreserven des Systems, dessen Eckdaten mir in diesem Moment nicht nur unbekannt. sondern auch gleichgültig sind. Aber sie liegen wieder eindeutig im vierstelligen Bereich, was Watt und Euro betrifft. Für mehr als zum Anspielen von einem halben Dutzend Tracks reicht die Zeit nicht. Ich kann diesmal nicht im Fond hören und auch nicht das System bei der Fahrt beurteilen. Doch beim Rolls-Royce Cullinan dürfte das wie bei seiner Marke üblich auch keinen Unterschied machen, denn die Motoren treten akustisch im normalen Betrieb überhaupt nicht in Erscheinung. Zudem sind die Edelkarossen bestens gegen Umwelteinflüsse gedämmt.
Davon kann ich mir sogar ein Bild machen, denn draußen tobt – im Inneren zwischen den Klängen des Rolls-Royce Bespoke Audio Systems kaum wahrnehmbar – ein Orkan an Live-Musik. Und da zieht es mich nach diesem exklusiven Soundcheck auch hin. Schließlich sind die Leute hinter der britischen BMW-Tochter viel cooler und jünger als man denkt und am Ende werden zwischen Luxus-Limousinen im Wert einiger Millionen Euro in Deutschlands viertem Rolls-Royce-Studio sogar die Tanzbeine geschwungen. Das ist reizvoller als das beste SUV-Sound-System, dem ich zweifellos gerade als Erster gelauscht habe.
Was den neuen Rolls-Royce Cullinan betrifft, hat er sich auch in einer knappen halben Stunde schon für einen umfassenden Fahrbericht empfohlen.
Mehr zum Cullinan auf der Website des Herstellers
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