Welcome back, ihr Lieblings-Iren: Nach drei famosen Alben (als bisher letztes ist der 2022er-Coup „Skinty Fia“ noch in bester Erinnerung) begeistern Fontaines D.C. auf „Romance“ einmal mehr: In ruppig-romantischen Songs verbindet das Quintett um Frontmann Grian Chatten schön griffigen Post-Punk mit Gegenwartssounds von Rap bis Crossover – einen Hauch an Tränen inklusive.
Mit ihrem atemlosen Debüt „Dogrel“ waren die Fontaines D(ublin) C(ity) ein Ereignis in der Post-Punk-Szene des Jahres 2019. Auf „A Hero’s Death“ gab sich das Quintett aus Dublin ein Jahr später gleichermaßen der Melancholie – im Stil von Joy Division – hin. Ebenso wie auch der Wut über das moderne Irland im Würgegriff von Apple, Microsoft & Co., die sich dort ihre steuergünstigen Europa-Niederlassungen eingerichtet haben. Mit „Skinty Fia“ folgte 2022 schließlich der Durchbruch zum Top- und Grammy-Act – ohne sich indes im Geringsten an den Mainstream anzubiedern. Vor allem dieses Kunststück muss man erst einmal schaffen, doch steht auch keine der beiden zuvor erbrachten Leistungen hinter dem Erfolg von „Skinty Fia“ zurück. Und alles zusammen macht das Ensemble um Frontmann Grian Chatten fraglos zu einer der wichtigsten (Indie-)Rockbands der Gegenwart.
Das Jahr 2023 gehörte dann jedem der fünf Bandmitglieder ganz für sich – „Zeit zur persönlichen Verfügung“ sozusagen. Gitarrist Carlos O’Connell beispielsweise verbrachte Zeit in der spanischen Kastilien-La Mancha und wurde Vater, Chatten ließ sich Los Angeles um die Nase wehen, Bassist Conor Deegan tauchte tief in das Lebensgefühl von Paris ein. Währenddessen hörte der eine HipHop, der andere Heavy Metal, ein dritter entdeckte Crossover- und Grunge-Radau der Marke Korn & Co. So brachte jedes Bandmitglied unterschiedliche Erfahrungen und Erlebnisse ein, ehe es im Herbst zurück an die Arbeit ging; zunächst in Form von einigen USA-Konzerten. Im Winter 23/24 folgte dann eine dreiwöchige pre-production-Phase in London, ehe man sich für die finalen Aufnahmen von Album Nummer 4 in einem Studio nahe Paris zusammenfand.
Die Musik von Fontaines D.C. „Romance“
„Romance“ also. „Wir hatten schon immer diesen Sinn für Idealismus und Romantik“, meint dazu Conor Deegan. „Doch jedes Album entfernt sich weiter von der Betrachtung dieser Dinge durch die Linse Irlands, wie das noch auf ‘Dogrel’ der Fall war. ‘A Hero’s Death’ handelt bereits von dieser Distanzierung, ‘Skinty Fia’ schließlich vom Irisch sein, das in die Diaspora verlagert wurde. Jetzt schauen wir, wo und was es sonst noch romantisch zu sein gibt.“ Übrigens: Dass bei den elf neuen Tracks der seit Jahren schwerst gefragte James Ford (Peaches, Florence + The Machine, Arctic Monkeys, Depeche Mode) die Fäden zog, muss keineswegs misstrauisch machen: Auch mit diesem Top-Produzenten der internationalen Indie-/Alternative-Szene an den Reglern liebäugeln die Fontaines D.C. kein bisschen mit Kompromissen
Los geht es mit dem Titelsong, der allerdings so gar nicht romantisch um die Ecke kommt, sondern mit finsteren Synthieloops, schweren Beats und dunkel grollenden Riffs eine eher dystopische Atmosphäre beschwört.
Mit „Starbuster“ folgt einer jener Tracks, die so typisch für den markant-mitreißenden Sound dieser Band stehen: In dieser Aufarbeitung einer Panikattacke im Londoner St-Pancras-Bahnhof bewegt sich Chatten zunächst so nahe am Rap wie kaum je zuvor, um sich dann, drastisch hörbar, förmlich die Seele aus dem Leib zu kotzen – und anschließend in einen beinahe Bel-Canto-artigen Trancegesang zu verfallen. Drum herum sorgen derweil mächtige, leicht synkopierte Beats und dunkle Post-Punk-Gitaren für eine beklemmende Klangkulisse. Alles zusammen: Fontaines D.C. in Bestform!
Mit „Here’s The Thing“ folgt das nächste Highlight auf dem Fuß: Hier wagt Chatten (unterstützt von mehrstimmigen Begleit-Vocals seiner Kollegen) sogar einen Ausflug ins Falsett, während dezent avantgardistische Synthies und krawallige Riffs die Uhr in die 1980er-Jahre zurückdrehen. Nicht jeder der weiteren acht Tracks zieht dann derart hochtourig seine Bahnen, doch stets ist Spannung und Intensität garantiert – egal ob in „Desire“ mit epischen Synthie-Streicher-Dialogen oder in „In The Modern World“, das Akustikgitarren mit schwebenden Synthies kombiniert. Mit „Bug“ und „Motorcycle Boy“ stehen die Zeichen dann auf Folkrock, ehe die augen- beziehungsweise ohrenfälligste Sound-Innovation folgt: Mit „Sundowner“ erweisen Fontaines D.C. der Shoegazing-Ästhetik von Genre-Ikonen wie Slowdive, Ride oder My Bloody Valentine Referenz – wie immer jedoch von ihrem ganz eigenen Standpunkt aus: Schönklang trifft hier auf Rauheit, und immer wieder scheppert und knarzt es inmitten weitläufiger Hallräume im typischen Fontaines D.C.-Stil. Und im soundtechnisch ähnlich angelegten, ebenfalls leicht tagträumerischen „Horses In The Whatness“ ist es schließlich Grattens kerniger irischer Akzent, der zusammen mit industrialartigen Drumbeats für die Unterschiede zu den Shoegazern der 1990er sorgt.
Bliebe als Letztes noch „Favourite“: Unverhohlen wie nie bemühen sich die Lieblingsiren der LowBeats-Musikredaktion hier um Stadionrock-Flair, cineastische Größe und poppige Gefälligkeit, und fraglos lässt sich das Ergebnis schön geschmeidig weghören. Eine Komposition wie diese haben allerdings auch diverse Kollegen dutzendfach im Repertoire – die meisten anderen Songs von „Romance“ hingegen bleiben für das Gros der Konkurrenz unerreichbar.
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