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Whole Family Schertler@wittmann Hifi Allgäu
Die Teilnehmer des Zero-Feedback-Projekts bei Wittmann im Allgäu: Stephan Schertler, Micha Huber, Marius Dittert, Lothar Brandt, Veronika & Oliver Wittmann, Olaf Sturm (Foto: Wittmann HiFi)

Hören ohne Gegenkopplung: Deutsch-Schweizerische Coop beim HiFi Studio Wittmann

Das bekannte Stuttgarter HiFi-Studio Wittmann präsentierte in seiner idyllischen High-End-Dependance tief im Allgäu einen Schweizer Top-Plattenspieler samt Vorverstärker – beide mit neuer Technologie. Beides an vollaktiven Hornlautsprechern des deutschen Herstellers Avantgarde Acoustic. Damit, so die Initiatoren, wäre die Kette komplett Gegenkopplungs (Zero-Feedback) -frei. Das Thema Gegenkopplung und ihre Größe rutscht immer mehr in den Fokus der Entwickler und wird intensiv diskutiert. Insofern war das Projekt „Hören ohne Gegenkopplung“ bei Wittmann weit mehr als nur ein spannender Versuch…

Wittmann Hifi Allgäu im Schnee
Idyllischer geht es kaum: das Allgäuer HiFi Studio im Schnee (Foto: Wittmann HiFi)

Schon der Kollege Holger Biermann zeigte sich beim Besuch des allgäuerischen Ablegers von Oliver Wittmanns HiFi Studio tief beeindruckt. Zum einen von der wahrhaft idyllischen, aber tatsächlich weit abgelegenen Örtlichkeit über viele Kilometer auf kleinen Straßen.  Zum anderen vom dort ausgestellten Nobel-HiFi – und vor allem der Art, wie es dort präsentiert wird. Große, helle, einladend eingerichtete und dekorierte Räumlichkeiten, welche die lange Anfahrt lohnen. Wer hierher kommt, der interessiert sich wirklich ernsthaft für die klingenden Preziosen – und ist nicht gedrängt von weiteren, zeitnahen Terminen oder sonstigen Fährnissen.

So kam es fast einem tiefenentspannten „Betriebsausflug“ gleich, als Wittmann-Mann Marius Dittert den Autor und einen weiteren High-End- und Musikkundigen Kollegen in seinem Oberklasse-Kraftfahrzeug ins tiefe Allgäu nahe Isny kutschierte. Wohlgemerkt: bei 30 Zentimeter Neuschnee! Der Schweiz-affine Reporter fühlte sich schon beim fast schon postkartenkitschigen Anblick schneebedeckten Tanns und dick-weißer Felder an sein Lieblingsland erinnert.

Hören ohne Gegenkopplung: wo liegen die Vorteile?

Was natürlich bestens zum Anlass passte: Aus Turbenthal im Kanton Zürich hatte Micha Huber, Chef von HiFiction und deren Marken Thales, Xquisite, Goldenberg und EMT Tontechnik, zwei erlesene Spezereien mitgebracht: Den Plattenspieler Thales Reference, mit dem weltweit wohl einzigartigen Fliehkraftgeregelten Antrieb. Dazu den auch als Line-Verstärker nutzbaren Super-Phono-Verstärker Thales Magnifier. Den konsequent Gegenkopplungs-freien Pre hat Stephan Schertler an seinem Firmensitz in Mendrisio im Kanton Tessin ausgetüftelt – wo er auch die Geschäfte der wiederbelebten Profi-Marke Stellavox führt. Auch Stephan Schertler war vor Ort und stand wie Micha Huber höchst sachkundig, engagiert und meinungsstark Rede und Antwort zu den Produkten.

Schertler, Brandt, Huber Schertler@wittmann Hifi Allgäu
Der Autor (Mitte) mit den Initiatoren des Null-Gegenkopplungs-Projekts von links: Stephan Schertler, Lothar Brandt, Micha Huber (Foto: Wittmann HiFi)

Wie natürlich auch Oliver Wittmann. Der sorgte nicht nur mit seiner Frau Veronika für eine herrlich stressfreie Atmosphäre (und später auch gastfreundliche Hotel-Unterkunft und erlesene Kulinarik), sondern erläuterte auch das Konzept der vorgestellten Gesamtanlage.

Dittert, und 2 x Wittmann
Das Wittmann-Team: Marius Dittert, Veronika und Oliver Wittmann waren hervorragende Gastgeber (Foto: Wittmann HiFi)

Mit etwas großzügigerer Auslegung des Begriffs kann man nämlich von einer bis zu den Schwingspulen der Lautsprecher nahezu gegenkopplungsfreien Anlage sprechen. Denn auch bei den vollaktiven Hornlautsprechern Avantgarde Acoustic Mezzo G3 kommen die Verstärker für Mittel- und Hochton in der iTRON-Technik der dritten Generation ganz ohne Gegenkopplung aus. Allzu viel Leistung müssen die Stromverstärker ohnehin nicht entfesseln – der gigantische Wirkungsgrad der Hörner macht schon aus Leistungen unter zehn Watt unfassbare Pegel. Damit der Bass mitkommt, werden die Woofer von 1.000-Watt-Schaltendstufen befeuert. Eine Menge Parameter lassen sich raumgenau anpassen. Weshalb Avantgarde-Spezialist Wittmann – in seinem Allgäu-Domizil steht eines der an einer Hand abzuzählenden großen „Trio G3“ Systeme mit begehbarem Bass – genau der richtige war, die Mezzo G3 perfekt zu justieren.

Listening Schertler@wittmann Hifi Allgäu
So standen sie gut: Die Avantgarde Mezzo G3 im „Spiegelsaal“ des HiFi Studio Wittmann. So benannt nach der Tapete im Hintergrund des großen Hörraums (Foto: Wittmann HiFi)

Den Verzicht auf „negative feedback“ erklärte Stephan Schertler psychoakustisch, evolutionstheoretisch, elektrotechnisch und akustisch überzeugend: Einen Fehler mit der Rückführung des Ausgangssignals eines aktiven Verstärkerteil wieder auf den Eingang zu erkennen, um das Signal anschließend zu korrigieren, würde immer zu Zeitverzug führen, also zu spät kommen – und so die in diesem Bereich unfassbar genaue Wahrnehmung des menschlichen Gehörs irritieren. Also doch besser Fehler von vornherein vermeiden. Um das jeder Lehrbuchmeinung widersprechende – hier wird einzig die Gegenkopplung als Allheilmittel gegen harmonische und lineare Verzerrungen eines aktiven Bauteils gepriesen – Konzept zu verwirklichen, musste allerdings reichlich Hirnschmalz fließen. Doch der DC-gekoppelte, auf jeden Kondensator im Signalweg verzichtende „Magnifier“ (englisch für Lupe) gibt ihm recht. Die aus zwei komplett unabhängigen MC-Stufen samt Line-Amps bestehende, quasi doppelte „Phonostage Plus“ (interne Gattungsbezeichnung bei Thales) zeichnet sich neben einer außergewöhnlichen Klarsicht, überragender Detailschärfe sowie anderen Tugenden durch ein sensationelles Timing aus.

Schertler@wittmann Hifi Allgäu
Stephan („Mit ph“) Schertler vor seiner Phonostage Plus, dem Thales Magnifier (Foto: Wittmann HiFi)

Aber auch das Laufwerk Thales Reference legte nicht nur in dieser Hinsicht eine faszinierende Vorstellung hin. So wie bei Verstärkern die Gegenkopplung, so ist bei herkömmlichen Laufwerk-Antrieben die elektronische Regelung mit einem Kardinalfehler beaufschlagt: Sie muss erst einen Fehler erkennen, um ihn dann mit Zeitverzug wieder zu korrigieren. So sorgt die Regelung – je besser, desto kleiner im Umfang – ständig für ein Beschleunigen beziehungsweise Abbremsen des Antriebsriemens. Je nachdem, was ihm gerade die Regelkreise – sozusagen die mechanische Form der Gegenkopplung – als Abweichung vom Soll signalisieren.

Micha Huber dachte lange nach, wälzte alte Patente und Konzepte – und ersann schließlich den Fliehkraft-Regler-Antrieb. Wie der genau im Einzelnen funktioniert, ist sicher der Patentschrift zu entnehmen.

Huber erklärt Brandt @wittmann Hifi Allgäu
Micha Huber erklärt LowBeats-Autor Lothar Brandt seinen einzigartigen Fliehkraft-Regler (Foto: Wittmann HiFi) (Foto: Wittmann HiFi)

Wichtig hier: Mit Magneten bestückte, sechs mechanisch auf jeweils einer Achse von innen nach außen und wieder zurück bewegliche, Elemente rotieren mit exakt berechneter Fliehkraft in einem Kupferring, sobald die Wirbelstrombremse den Motor mit einem exakten Strom antreibt. Einmal auf richtiger Drehzahl, bleibt die Rotation auf exakt jenem Wert. Man muss das mal gesehen haben, wie die Elemente – von einem stroboskopartigen Licht angeleuchtet – sich in Rotation begeben, nach etwa zehn Sekunden ihre exakte Drehzahl erreichen und dann stoisch bei dieser verweilen. Korrektur und damit (elektromechanische) Gegenkopplung unnötig. Die riemenübersetzte Drehzahl von 33 1/3 auf 45 Umdrehungen pro Minute übernimmt ein mechanischer Stellmotor, der den Antriebriemen auf die richtige Spur hievt. Die Stromversorgung für die gesamt Elektrik an Bord übernimmt selbstverständlich ein Akkunetzteil, das stets mit gleichem Strom und Spannung versorgt – und über ein externes Netzteil so alle 14 Betriebsstunden komplett, oder in jeder Betriebspause mal kurz aufgeladen werden sollte.

Der Plattenspieler Thales Reference mit Fliehkraft-Regler-Antrieb, Tonarm Statement und Tonabnehmer Xquisite ST (Foto: Wittmann HiFi)

Das Laufwerk Reference bestückte Huber mit seinem sensationellen Tonarm Statement. Sensationell deshalb, weil der doppelläufige Radialtonarm die Ursünde seiner Gattung, nämlich den bis auf zwei Punkte immer vorhandenen Spurfehlwinkel, hier gleichfalls vor vornherein ausmerzt. Die beiden Arme verschieben sich stets so, dass die Nadel im optimalen, horizontalen (Null) Winkel, also auf der Tangentialen steht.

Die Nadel gehörte in dem Fall zum Tonabnehmer Xquisite ST mit seiner gleichfalls patentierten Monoblock Keramik-Technik für Nadelträger und Spulenträger. Das handgefertigte, mit Goldspulen gerüstete MC-System, zählt sicher zum Besten, was die elektrodynamische Wandlung aus der Rille holen kann.

Und sicher auch nicht zum Billigsten. Mit leicht zitternder Hand addiert man: 13.430 Euro kostet das System, der Tonarm 18.740 Euro, das Laufwerk wird ab März 2025 für 26.550 Euro ausgeliefert. Die Phonostage Plus ersetzt für 37490 Euro dann einen kompletten Vorverstärker. Und die mit iTron-Modulen vollaktiven Avantgarde Mezzo G3 sorgen für Schall für 106.750 Euro pro Paar. Macht Summa Summarum 202.960 Euro. Hossa!

Die nach der Addition wieder beruhigte Hand kann indes – hier gegengekoppelt mit bestem Wissen und Gewissen in dem vorgeschalteten Großhirn –  in die Tastatur hauen: Diese gegenkopplungsfreie Kette verschafft auch einem hartgesottenen High End Veteranen wieder einmal dieses selten gewordene Musikerlebnis, das wirklich nur große und großartige Anlagen vermitteln können. Marketing-Manager würden hier vielleicht von „Touch Points“ fabulieren, wir waren schlicht berührt. Dazu mussten wir uns nicht vom Donner gewaltiger Kanonenschläge rühren oder gar vom Blitz peitschender Gongs schlagen lassen. Nein, das übliche Spektakulär-Programm, mit dem man Ketten in die Extreme und Trommelfelle an ihre Belastungsgrenze führt, blieb mal ganz außen vor.

Die nicht mit Pegel und Krawall, sondern mit natürlichem Fluss, packender Dynamik und reizvoller Anmut zu begeistern wusste. Danke an Oliver Wittmann, dass er dieses Ensemble an Menschen, Maschinen und Musik auf diese Weise zusammenbrachte. Ein inspirierender Blick darauf, wie HiFi vielleicht noch besser werden kann…

Mehr vom HiFi Studio Wittmann:

The Art of Horn: das HiFi Studio Wittmann im Allgäu

 

 

Autor: Special Guest