Zwei Meldungen elektrisieren derzeit die HiFi-Gemeinde: 1.) Dass Bose die Marken McIntosh und Sonus faber gekauft hat. Und 2.) Dass Masimo die Marken B&W, Denon und Marantz wieder verkaufen will und die deshalb quasi vor der Liquidierung stehen.
Doch der Reihe nach. Für viele war es eine Überraschung, als die Aktiengesellschaft Highlander Partners mit Sitz in Dallas den Verkauf der McIntosh Group (unter anderem McIntosh Labs und Sonus faber) an Bose verkündete. Das war am 19. November diesen Jahres. Viele professionelle Unkenrufer fühlten sich sofort auf den Plan gerufen, um reflexhaft vorauszuahnen, dass dies zu einer Online-Vermarktung der beiden Kultmarken und somit zwangsweise zu ihrem Ende führen müsse.
Das genaue Gegenteil ist der Fall. Wer die Geschichte von McIntosh und Sonus faber genauer betrachtet, findet in den vergangenen Jahren etliche Eigentümer-Wechsel mit vielen Investorengruppen dahinter. Und wenn ich daraus eine Einsicht gewonnen habe, dann diese: Investoren haben im HiFi, wo Vieles mit Herzblut zu tun hat, nichts verloren, weil sie – das ist ihr Wesen – nach gewisser Zeit die Firma wieder mit Gewinn verkaufen wollen und so die Passion zwangsweise auf der Strecke bleibt.
Bose ist kein Investor und trotz sinkender Umsätze ein Gigant der Audio-Branche. Mit ihren gut 3.000 Mitarbeitern erwirtschaften die Amerikaner immer noch einen Umsatz von drei Milliarden Dollar – nicht nur mit Kopfhörern und der professionellen Beschallung ganzer Säle oder Stadien, sondern auch mit Auto-HiFi. Und Letzteres war wohl auch der Anlass für den Kauf der McIntosh Group. Denn in diesem Bereich hat in den letzten Jahren der Mitbewerber Harman (Samsung) der Bose Automotive so viel Marktanteile abgenommen, dass die Amerikaner dringend gegensteuern mussten. Mit der US-Traditionsmarke McIntosh und der bekanntesten Italienischen Lautsprechermarke Sonus faber lassen sich prima gehobene Auto-HiFi-Systeme labeln und verkaufen.
Dafür aber muss das Image der Marken aufs Feinste gepflegt werden: Aufwertung ist das Thema, keine Verramschung! Vielleicht, so ließen die Bose Verantwortlichen durchblicken, gäbe es mal einen McIntosh High-End-Kopfhörer mit der (fraglos überlegenen) Bose-Technik inside. Und vielleicht profitieren die beiden Audio-Marken, die trotz aller Bekanntheit natürlich nicht sehr groß sind, auch an anderen Stellen von den schier unendlichen Möglichkeiten der Bose-Forschung. Ich sprach mit Adib Khavari, dem Chef des hiesigen McIntosh- und Sonus faber Vertriebs (Audio Components), der sich hocherfreut über die nun eingezogene Stabilität und die guten Aussichten für die McIntosh Group zeigte. Boses Zukauf der McIntosh Group ist daher eine gute Nachricht für alle, dies mit diesen beiden großen Marken halten.
Ebenfalls eine gute Nachricht ist, dass Masimo die Marken der Sound-United-Gruppe (also B&W, Denon, Marantz, Classé, Polk Audio und andere) wieder verkaufen will. Dass die Manager der kalifornischen Medizin-Tech Firma kein gutes Händchen im Umgang mit HiFi haben, dürfte nach zwei Jahren der Konzern-Zugehörigkeit ausgiebig belegt sein. Und die Idee des damals verantwortlichen CEO, Joe Kiani, HiFi / AV und vor allem HEOS zum Sammeln von Daten zu nutzen, war ebenfalls wenig sympathisch. Aber Kiani konnte auch die Masimo-Aktionäre nicht von der Genialität seiner Audio x Medizintech-Ideen überzeugen. Der Kauf von Sound United jedenfalls führte zu einem beispiellosen Preisverfall der Aktie, der erst jetzt – zur Ankündigung des Verkaufs von Sound United – gestoppt, beziehungsweise umgedreht werden konnte. Alles gut also? Nein.
Um die Trennung (wohl vor allem für die Aktionäre) in Aussicht zu stellen, wies Masimo in der Gewinnmitteilung für das 3. Quartal 2024 darauf hin, dass das Consumer-Audio-Geschäft bilanziell als „aufgegebener Geschäftsbereich“ („discontinued operation“) behandelt werden soll, falls der Vorstand die Ausgliederung des Consumer-Audio-Geschäfts in ein börsennotiertes Unternehmen nicht weiterverfolgen würde.
Eine verwirrend hässliche Aussage, zudem öffentlich zugänglich. Die pfiffigen Kollegen des Australischen Magazins ChanelNews schlossen – vielleicht etwas vorschnell – daraus, dass man bei Masimo genug vom „Abenteuer Audio“ hätte und man deshalb den Laden zumacht – auch, weil sich einfach kein Käufer fände.
Die Geschichte, die von Heise über T-Online bis hin zu Kleinst-Magazinen sofort aufgegriffen wurde, entpuppte sich schnell als Lawine, die auch im Handel ankam und die Käufer verunsicherte: Wer will schon das Produkt einer Marke, die es bald gar nicht mehr gibt?
Man könnte bei Masimo eine gewisse Arglosigkeit unterstellen: Der Shitstorm war schon mehrfach um die Welt und noch immer kam kein Widerspruch aus der Konzernzentrale in Irvine/Kalifornien. Erst vorgestern (27. November 2024) gab der Vize-Präsident für EU Commercial Operations, Jason Dear, eine dürre Erklärung heraus. Krisenmanagement sieht anders aus.
Inhalt der Erklärung: Die Klassifizierung als „aufgegebener Geschäftsbereich” spiegele lediglich eine buchhalterische Anpassung in Bezug auf das Ausweisen des Consumer-Geschäfts in dem Gesamtabschluss von Masimo wider. Sie hätte keinen Einfluss auf das Tagesgeschäft des Consumer-Audio-Bereichs, der Produkte oder des Service.
Heißt im Klartext: Missverständnis, unklare Übersetzung, „nicht weitergeführt“ heißt nicht eingestellt. Doch so richtig überzeugend klingt das nicht. Wahrscheinlich weiß Jason Dear im Moment selbst nicht, wie es mit Denon, Marantz & Co weitergeht. Aber man darf an dieser Stelle auch mal seinen gesunden Menschverstand einschalten. Masimo hat vor etwas mehr als zwei Jahren Sound United für 1,4 Milliarden Dollar gekauft – fraglos überteuert. Und sicherlich sind B&W, Denon und Marantz durch die vorausgehenden Sound-United- sowie die beiden zurückliegenden Masimo-Jahre schwer gebeutelt. Aber jede dieser Firmen ist Audio-Kulturgut. Denon ist über 110 Jahre alt, Marantz gerade 70 geworden und B&W ist immer noch die mit Abstand bekannteste Lautsprechermarke im gehobenen HiFi weltweit. Und anders als bereits eingestellte oder abgewickelte Marken ist bei diesen dreien die Produktqualität noch einwandfrei. Es gibt funktionierende Forschungsabteilungen, tolle Produkte und ein hohes Maß an Sympathie. Warum soll man all das bei maximalem Verlust aufgeben? Ich bin mir sicher: Für die drei Marken geht es weiter. Glücklicherweise nicht bei Masimo.