ende
Cat Stevens/ Yusuf Islam „Saturnight (Cat Stevens Live in Tokyo)“
Es gibt eine neu Rubrik bei LowBeats: Re-Issues von genialen Platten. Wir starten mit Miles Davis und Cat Stevens...

LowBeats Vinyl! die LP-Tipps Mai 2025

Vinyl läuft! Und das seit Jahren mit hohem Drehmoment wie geschmiert. In den USA haben LPs sogar die CD-Verkäufe abgehängt. Hierzulande stieg der LP-Absatz von rund 300.000 im Jahr 2006 auf 4,9 Millionen Scheiben in 2024. Für Freunde Dekaden übergreifender Musik sind dabei Wiederveröffentlichungen der Renner, auf neudeutsch Re-Issues. Und unter diesen Neuauflagen diejenigen, die sich für Retro-Freunde wirklich lohnen – sei es dank prima Remastering, toller Vinyl-Qualität, opulenter Aufmachung oder als überhaupt erstmalige Wiederveröffentlichung auf Schallplatte. Denn viele Ur-LP-Versionen sind längst vergriffen, in mäßigem Zustand oder oft nur zu exorbitanten Gebrauchtpreisen zu haben.

Zugegeben: Streaming lockt ebenso immer mehr – zumal vermehrt im anspruchsvollen Klangbereich, wie bei Providern à la Qobuz (siehe LowBeats-Interview mit der Qobuz-Managerin Mareile Heineke). Doch oft sieht es bei Musik-Fans wohl wie bei mir aus: LPs, Streaming, (SA)CDs und Downloads leben in friedlicher Ko-Existenz. LPs prägten dabei meine HiFi-Früh-Phase. Und das wirkt nach. Allein meine erste Scheibe, die sich auf einem Dual-Spieler drehte: „Dark Side Of The Moon“. Ohne Worte, was damals in Bauch und Kopf los war. Dann das klappbare Cover mit Texten. Nur LPs versprühen diese Ausstrahlung, diese Haptik. Das Gefühl, die Scheibe blind auf den Plattenteller zu legen, nachdem sie ebenso behände aus der Innenhülle geschlüpft ist. Dann das behutsame Aufgleiten des Tonabnehmers in die Rille. Wow. Und letztendlich der Klang. Eine andere Übersetzung als ihn die Digitalwelt bietet. Nicht per se besser oder schlechter. Anders eben, je nach Plattenspieler, Tonarm und System.

Dieser Faktor sei nicht vergessen: Es geht auch um Hardware. Für Neueinsteiger lohnen sich nützliche Infos und Tipps der LowBeats-Experten. Ehemalige Analog-Freunde, die ihren „alten“ Plattenspieler wieder auf Touren bringen möchten, legen andere Fragen auf den Teller. Welcher Phono-Vorverstärker führt zum Glück. Ist der bereits in veritabler Form in einem Verstärker verbaut oder soll lieber ein separates Exemplar für kultivierten analogen Klanggenuss sorgen? Oder könnte ein frisches Tonabnehmer-System den Klangspaß aufwerten? Klasse Kandidaten kommen beispielsweise von Audio Technica, Ortofon oder Rega.

Genauso ganzheitlich setzen wir bei LowBeats an. Und künftig stellen wir in loser Folge Perlen aus dem Vinyl-Universum ausführlich vor. Da wären wir also. Vive le Vinyle!

Die LP-Tipps Mai 2025

Starten wir mit zwei neu aufgelegten Alben des Jahrhundert-Jazzers Miles Davis. Klar: Die Re-Issue-Vinyl-Macher gucken auf frische Umsätze durch die neuen alten Veröffentlichungen auf LP. Stichwort alter Wein in neuen Schläuchen. Doch einige leben das Thema mit Engagement. Letzteres lässt sich beim Concord-/Craft-Label stark vermuten. Denn die launchten ihre Retro-Reihe „Original Jazz Classics“ (Universal Music) jüngst mit Interpreten wie dem Jazz-Gitarristen Joe Pass („Virtuoso“), Wes Montgomery („The Incredible Jazz Guitar Of Wes Montgomery“) sowie dem Jazz-Pianisten und Komponisten Thelonious Monk mit „Thelonious Himself“. Oder ganz frisch – Miles & more! – mit Miles Davis und zwei seiner frühen Alben aus den Aufbruchsjahren der Fifties.

Der Komponist, Bandleader und Trompeter evolutionierte und wandelte sich nebst Stil im Laufe seines nicht allzu langen Lebens – Davis starb mit 65 im September 1991 in Santa Monica. Er durchdrang das Jazz-Universum mit Bop, Cool, Hard Bop, Fusion oder sogar Funk-/ Rock. Und schuf bereits Mitte des letzten Jahrhunderts hochkarätige Songs und Alben.
Nun legen die Macher von Craft Recordings mit ihrer Serie „Original Jazz Classics“ zwei frühe Werke neu auf:

 

Miles Davis, die Erste: „The Musings of Miles“

Das Album aus dem Jahr 1955 gilt als erster 12-Inch-Lonplayer des US-Amerikaners. Im Quartett mit dem texanischen Pianisten Red Garland (1923 – 1984) und Schlagzeuger Philly Joe Jones (1923 – 1985) aus Philadelphia, Oscar Pettiford am Bass und Miles an der Trompete ein veritables Werk. Für Miles-Kenner sind Jones und Garland keine Unbekannten, sie spielten auch im „Quintet“ eine wichtige Rolle. Jones sorgte zudem auch im Bill Evans Trio für virtuosen Trommel-Wirbel.

In der ersten Hälfte der 1950er Jahre kämpfte Davis mit Ego-Problemen und Heroin. Das 1955er Album „The Musings of Miles“ zeigt Miles vital und energetisch. Gleichzeitig spürt und hört man bereits die Aufbruchstimmung und das Entwicklungspotenzial die in ihm Form gewannen – hin zu neuen Ideen und Facetten späterer Werke. Die sechs Stücke bilden ein melodisch fokussiertes Spektrum zwischen Heiterkeit („I See Your Face Before Me“) und geschmeidigem Flow wie auf „A Gal In Calico“. „I Didn’t“ prescht zudem mit einem fulminanten Trommel-Intro los. „I See“ begeistert mit sonorem Bass-Spiel. Cool: Das Stück „A Night In Tunesia“ glänzt mit einem akustischen Special. Philly Joe benutzte spezielle Drum-Sticks, bestückt mit kleinen Becken am Schaft. Das bringt eine sprühend-frische Note ins Spiel. Zudem begeistert Miles’ strahlende Trompete. Das federt, wippt und macht Laune.

Die Remaster-Macher bringen das Teamwork tonal sehr ausgewogen auf den Punkt. Wir reden hier von einer Mono-Aufnahme. Also fokussiert sich das Klanggeschehen in der Mitte. Dennoch lassen sich Piano, Trommel, Bass und Miles Trompete gut voneinander getrennt orten. „Didn’t“ kommt mit Punch daher, die Trompete strahlt. Die Pressung gefällt mit geschmeidigem Lauf, lediglich hier und da blitzt mal ein minimaler Knackser verhuscht ins Klangbild. Unterm Strich gute Arbeit von Pressung und Remastering von Craft Reordings und dem Spezialisten Kevin Gray von Cohearent Audio (The Beach Boys, The Who, Billy Joel, Joan Baez, Pink Floyd). Der Klang-Künstler steht seit den1970er Jahren für hochklassiges (Re-)Mastering sowie Direktschnitt- und SACD-Erfahrung. Der Klang überzeugt durch eine recht dynamische, geschlossen-homogene Abmischung. Freilich unter historischen Maßstäben.

Miles Davis „The Musings Of Miles“
Miles Davis „The Musings Of Miles“ erscheint bei Concord/-Craft-Recordings – Original Jazz Classics/ Universal. Vinyl: 180 Gramm, Innenhülle antistatisch

2008 erschien bereits eine remasterte Version erschienen mit dem Kürzel „RVG“, was „Rudy Van Gelder“ symbolisiert, der 2016 verstarb. Der nahm das Album in seinem Homestudio in Hackensack/ New Jersey am 7. Juni 1955 auf. Die Post-Master-Jungs von RVG bevorzugten ein etwas aufgehelltes Klangambiente, also eher für mild abgestimmte Tonabnehmer.

Die aktuelle Craft-LP wuchtet satte 180 Gramm auf den Plattenteller, gepresst von der Record Technology Inc. (RTI) in Camarillo/ Kalifornien. Das sind Spezialisten mit audiophilem Anspruch.

Miles Davis, das zweite Re-Issue:  Miles Davis All Stars „Walkin’“

Das große Werk von 1957 mit seinen „All Stars“: Die fünf Stücke von „Walkin’“ wurden bereits rund drei Jahre vorher eingespielt, und zwar als „Miles Davis All-Star Sextet“ und „… Quintet“ auf 10-Inch-Platten. Die Band-Riege vereint dabei hochkarätige Musiker wie Swing-/Bebop-Ass Lucky Thompson (1924 – 2005; auch im Count Basie & His Orchestra) am Saxofon, Kenny Clarke (1914 – 1985) am Schlagwerk, auch als Enabler des Bebop und Macher des Modern Jazz Quartet bekannt sowie Horace Silver (1928 – 2014) als stil-offenen Kreativen an den Pianotasten und nicht zuletzt Team-Worker Stan Getz. Hinzu kamen J.J. Johnson (Posaune), David Schildkraut (Alt-Saxofon) und Percie Heath am Bass. Und selbstredend Davis an der Trompete.

Auch dieses Album hat Rudy Van Gelder in Hacksensack eingespielt, und zwar bereits am 3. und 29. April 1954. Nomen est omen: Das Stück „Walkin’“ galt als Dauerläufer auf der Live-Bühne. Das Geheimnis entstand im Studio: Blues-Elemente in einer raffinierten Liaison mit Hard Bop. Das peppt und federt. „Blue ‚N‘ Boogie“ betört mit Drum-Kaskaden und Fast-Forward-Modus, der Bass hüpft, tanzt beinahe, 1a Kommunikation inklusive. Dann zieht das Piano beherzt mit, prägnant, dennoch wohlig-mollig stark getupft. „Love Me Or Leave Me“ scheint mit seinen wieselflinken Soli von einem anderen (Jazz-)Planeten zu stammen. Unterm Strich fünf Top-Stücke, die als Muss für die Sammlung gelten, Trotz Mono gut hörbar: Miles’ Trompete kämpft sich klangtechnisch abgemischt teils von hinten nach vorne ins Rampenlicht.

Miles Davis All Stars „Walkin’“
Miles Davis All Stars „Walkin’“ erscheint bei Concord/-Craft-Recordings – Original Jazz Classics/ Universal. Vinyl: 180 Gramm, Innenhülle antistatisch

Das Remastering von Craft Reordings und Kevin Gray von Cohearent Audio überzeugt mit sonor-homogenem, recht druckvollem Klang und recht sauberer LP-Pressung auf 180 Gramm.
Fein: Beide Alben kommen mit informativen historischen Liner Notes von Jazz-Historiker und – Journalist Ira Gitler auf der jeweiligen Album-Rückseite.

 

Unsere dritte Empfehlung ist:

Cat Stevens/Yusuf Islam  „Saturnight (Cat Stevens Live in Tokyo)“

Cat Stevens/ Yusuf Islam becirct uns gefühlt seit einer wohligen Ewigkeit mit seinem zartbitteren Singer-Songwriter-Konfekt. Das Live-Album „Saturnight“ zeigt den Briten nun endlich auf einer Wiederveröffentlichung 1974 in Tokio in veritabler Spiellaune – das Album war 50 Jahre lang nur auf Vinyl und ausschließlich in Japan erhältlich.

In den USA und in Europa ist das Album als LP-Neuauflage bereits im November 2024 zum Record Store Day (RSD) erschienen, und zwar als limitierte Version „Orange With Black & Maroon Splatter“ mit 180 Gramm Lebendgewicht. Das gute Stück wird bei eBay mit rund 40 Euro oder mehr aufgerufen. Wer ein sehr gut erhaltenes Original aus Japan von 1974 im Schrank stehen hat, kann sich glücklich schätzen: Solche Exemplare gehen bei eBay schon einmal für 80 Euro über den Tisch.

Aber freuen wir uns einfach über die aktuelle Neuauflage, die es übrigens auch digital und auf CD gibt. Der passende, beseelte Retro-Charme ist jedoch der guten alten Schallplatte vorbehalten – und die wiegt immerhin 140 Gramm und kommt als „Lava-Splatter-Vinyl“.

Lassen wir die Fakten sprechen: Die Live-Show stieg am Samstag, den 22. Juni 1974 im Nakano Sun Plaza, ein Venue im Tokioter Stadtteil Nakano, im Westen der Metropole. Fassungsvermögen gut 2200 Sitzplätze. Sarah Vaughan, Kraftwerk, Iron Maiden, Sade, Nirvana, U2. Alle waren da. Auch die Scorpions. Die Hannoveraner Rocker gastierten dort mit ihren „Tokyo Tapes“, kurz nachdem Klaus Meine & Co ein Bierzelt bei Bamberg zum Kochen brachten. Ich war dabei und stand head-bangend auf einer Bank. Unerhörtes war damals erlaubt.

Die Nakano Sun Plaza ist mittlerweile geschlossen. Der heutige 76-jährige Yusuf spielte dort 1974 (damals noch als Cat Stevens) im Rahmen seiner „Bamboozle World Tour“. Zwölf Songs fanden auf die Ur-Version der LP, die aus rechtliche Gründen seinerzeit lediglich in Japan veröffentlicht wurde. Nun gibt’s endlich eine Neuauflage, gemastert in den Abbey Road Studios. Dem nostalgischen Werk angemessen lockt die LP mit einem Klappcover sowie Texten plus Notizen von alten Stevens-Kumpels wie Bassist Bruce Lynch und Tour Manager Carl Miller.

Der Singer-Songwriter und damaliger UNICEF-Botschafter sorgte mit der Japan-Edition zudem dafür, dass Erlöse des Albums gespendet wurden. Nur ein Kapitel in Cat Stevens’ Engagement für Gerechtigkeit, das er nach dem Verlassen des Musik-Business konsequent weiterverfolgte.

Haben wir all die 50 Jahre was verpasst? Fans allemal. Denn die Set-List wirkt beeindruckend wie ein Studioalben übergreifendes Hit-Potpourrie mit Songs wie „Wild World“, „Father & Son“ (Album „Tea For The Tillerman“), dem bezaubernden „Oh Very Young“ oder „King Of Trees“ (von „Buddha And The Chocolate Box“), „Lady D’Arbanville“ (aus „Mona Bone Jakon“), „Peace Train“ oder dem rockigen „Bitterblue“ („Teaser And The Firecat“). Auch das Remake von Sam Cooke „Another Saturday Night“ stimmte die Band an.

Die Tourband formten Bruce Lynch (Bass), Jim Cregan (E-Gitarre), Jean Roussel (Keyboards), Gerry Conway (Percussion), Anna Peacock, Sue Lynch (Vocals) sowie Alun Davies (Gitarre, Vocals), Larry Steele (Gitarre, Percussion, Vocals) und natürlich Cat himself (akustische Gitarre, Piano, Vocals). Das peppt im Retro-Feeling. Dennoch hätte man sich Stevens hier und da etwas mutig-extravertierter, weniger in der Nähe der Studio-Originale gewünscht. Angesichts der Klasse der Songs – passt schon …

Cat Stevens/ Yusuf Islam „Saturnight (Cat Stevens Live in Tokyo)“
Cat Stevens/ Yusuf Islam „Saturnight (Cat Stevens Live in Tokyo)“ erscheint bei Cat-O-Log-Records/ Universal.Vinyl: 140 Gramm, recht wertiges Gatefold/ Klapp-Cover

Das Klangbild bringt die Atmo aus Nakano Sun Plaza gut rüber, die Differenzierung und Positionierung von Stimmen und Instrumenten hätte etwas präziser ausfallen können, ebenso wie der Bassdruck. Live-Aufnahmen gingen Anfang der 1970er Jahre schon besser – als leuchtendes Beispiel sei Neil Diamond und seine „Hot August Night“ vom 24. August 1972 genannt. Interessant: Die Raumdimensionierung klingt teils leicht unterschiedlich – „Wild World“ oder „Where Do The Children Play“ etwas mittig in der Platzierung, „King Of Trees“ oder „Oh Very Young“ und „Another Saturday…“ etwas breiter, offener gestaffelt. Die Klangfarben stimmen, die Auflösung geht in Ordnung und tonal klingt das Album homogen stabil. Die Pressung ist sauber ausgeführt, der Vinyl-Klang punktet im Vergleich mit der digitalen Variante mit mehr Beherztheit und Atmosphäre. Schön zu hören: Wie bei „Oh Very Young“ das Klatschen der Zuhörer von der Breite leicht in die Tiefe abgemischt wurde, um die einzelnen Instrumente und Cat’s Stimme präsenter in den Fokus zu rücken.

Cat Stevens/ Yusuf Islam
„Saturnight (Cat Stevens Live in Tokyo)“
2025/05
Test-Ergebnis: 4,4
SEHR GUT
Bewertungen
Musik
Klang
Remastering
Pressqualität
Repertoirewert

Gesamt

 

Den Song „King Of Trees“ live in Tokio 1974 gibt’s hier:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

 

Autor: Claus Dick

Avatar-Foto
Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.