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Der musikalische Rückblick auf den März 2025 schaut auch auf das Tribute-Album "Touch" von Yello – und zwar auf Blu-ray

Musikalischer Rückblick: die Alben des Monats März 2025

Frühlings-Frische in Sicht: Unter den März-Highlights blasen uns Ex-Roxy-Music-Sänger Bryan Ferry, Singer-Songwriter-Newcomer Tamino, die Indie-Rocker Throwing Muses und das Schweizer-Exzentrik-Duo Yello (sogar auf Blu-ray-Audio) charmant ihre neuesten Kreationen um die Ohren. Die Alben des Monats März 2025 sind:

– Ex-Roxy-Music-Sänger Bryan Ferry & Amelia Barratt formen auf „Loose Talk“ einen poetischen Dialog mit Spoken Words und chilligem Sound-Ambiente.

Tamino gilt als eine der Neuentdeckungen im Singer-Songwriter-Lager – auf „Every Dawn’s A Mountain“ betört er mit samtiger Stimme und feinsinnigem Folk nebst Orient-Touch.

– Kristin Hersh zieht mit ihren Throwing Muses am Indie-Regie-Pult wieder alle Register – ihre „Moonlight Concessions“ verheißen prickelndes Singer-Songwriter-Vergnügen.

Yello feiern 15. Geburtstag ihres packenden Albums „Touch Yello“ – die Jubiläumsausgabe klotzt auf Blu-ray-Audio mit sagenhaften Soundsphären.

Die Alben des Monats März 2025

Starten wir mit Bryan Ferry & Amelia Barratt – einst verkörperte der Dandy-Gentleman den Style & Stil der Brit-Glam-Popper von Roxy Music. Markenzeichen: Croonige Stimme mit prächtigem Vibrato. Mit der Lyrikerin und Malerin Amelia Barrat schuf der 79-Jährige nun ein weiteres musikalisch-poetisches Kunstwerk.

Der Sohn eines (Kohle-) Minen-Arbeiters holte Anfang der 1970er Jahre Roxy Music aus dem Musik-Schacht, mit im Boot war zeitweise auch der Ambient/-Electronica-Pionier Brian Eno. Zu den Highlights der Band zählt fraglos das 1982er Album „Avalon“, das mit teils beinahe überirdischen Melodien und Rhythmen betört(e). Der britische Gentleman wirkte seinerzeit gerne ein bisschen wie Schauspieler Roger Moore (James Bond, „Die 2“) – vornehmes Understatement gehörte zum Stil der Band, die zudem die Beatles als Vorbild hatte aber auch die experimentelle Art der Kultband Velvet Underground einsog.

Bryan Ferry & Amelia Barratt - Orchestra - Single Artwork
Ein Kunstwerk der Amelia Barratt

Im Interview-Gespräch in den 1990er Jahren sprach der Engländer mit sonorer Stimm-Note unter der Überschrift „Ferry Ultra“ sympathisch locker auch über sein Faible für Jazz und Crossover-Themen. Das kondensiert nun auch in „Loose Talk“. Bryan Ferry: „Wir haben gemeinsam etwas geschaffen, das keiner von uns allein schaffen könnte“. Will heißen, Musik eine gute Dimension weg von den Roxy-/Ferry-Alben. Elf Texte von Amelia Barrat formen die sprachliche DNA des Teamworks, lyrische Vexierbilder, die sie weniger als Spoken-Words-Album sieht: „Es ist eher cineastisch – Musik zu Bildern.“

Bryan Ferry & Amelia Barratt „Loose Talk“ erscheint bei Dene Jesmond Records als CD oder LP sowie als Stream oder Download, zum Beispiel auf qobuz.de

Da scheinen sich zwei Seelenverwandte getroffen zu haben. Bryan Ferry liebt ja seit jeher nicht nur die Musik – er studierte in den 1960er Jahren Kunst an der Newcastle University. Amelia Barrat wiederum an der Glasgow School Of Art und der Slade School Of Art. Dennoch betont Ferry die Unterschiedlichkeit der beiden – gerade dies solle das Projekt ausmachen.

Video zu „Star“

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Musikalisch lassen auf den ersten Ohrenblick Anne Clark und Laurie Anderson aus den 1980er Jahren grüßen. Doch schon bald schälen sich sehr eigenständige und spannende Aspekte heraus. Elemente des elfteiligen Song-Reigens formen Privataufnahmen, Songskizzen und alte Cassettenrecorder-Takes, die Ferry zu Hause mit seinem Klavier aufgenommen hat. LoFi lässt grüßen. Da blitzen Fußgeräusche auf, Stimmfragmente. Und die transformierte er im Studio mit HighTech in filigrane Sound-Layer, die schimmerndes, pulsierendes und psychedelisches Klang-Ambiente schaffen. Eine befreiende Erfahrung, wie er zu dieser Arbeit sagt. Amelia Barratt: „Bryan aktivierte die visuelle Welt eines jeden Stücks“.

 

Besuchen wir Tamino-Amir Moharam Fouad in seiner Wahlheimat New York. Der belgisch-ägyptische Singer-Songwriter erweiterte dort für sein drittes Album die Produktions-Riege unter anderem mit Eric Heigle (Arcade Fire) und Alessandro Buccellati (Arlo Parks). Der 28-jährige Newcomer lotet sein Stilspektrum teilweise zwischen Melancholie-Surfern wie den Red House Painters oder Nick Drake aus. Und er fügt selbstbewusst und gleichermaßen behutsam seine ganz eigenen Saitenklänge der Oud bei.

Tamino „Every Dawn’s A Mountain“ erscheint bei Virgin Records als CD oder LP sowie als Stream oder Download, zum Beispiel bei qobuz

Seine samtige Stimme durchdringt dabei das meist chillige Soundambiente und trägt es in teils mystische Gefilde. Schönes Beispiel ist der Song „My Heroine“, der eine unerhört dichte, tiefgründige Atmosphäre schafft.

Video zum Song „Dissolve“ (live)

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„Babylon“ wärmt mit psychodelischem Puls, „Sanpaku“ glänzt wiederum hell mediterran mit feinem Fingerpicking. „Sanctuary“ schwingt sich dagegen wallend auf und erinnert dabei etwas an die energetischen Vocals des verstorbenen Jeff Buckley. Das Album „Every Dawn’s A Mountain“ leuchtet so als melancholisch-kraftvolles akustisches Werk.

 

 

Die Throwing Muses zählen zu den Altvorderen in Sachen Indie-Rock. Band-Chefin Kristin Hersh schaffte es nach der Gründung mit ihrer Stiefschwester Tanya Donelly (später bei Belly) ab Anfang der 1980er Jahre den Post-Punk mit vielschichtigen, teils komplexen Arrangements nebst einer wohl temperierten Portion Dissonanzen immer wieder Aufmerksamkeit zu erregen. Aber auch solo auf „eigenen“ Alben und in Teamworks wie zum Beispiel mit Michael Stipe von R.E.M. und dem wunderbaren Song „Your Ghost“. Die „Muses“ begleiten mich insofern schon seit den 1990ern mit ihrem rotzig-fragilen Sound, allen voran geschätzt ihr Album „The Real Ramona“ mit dem bezaubernden Song „Red Shoes“.

ThrowingM_Cover
Throwing Muses „Moonlight Concessions“ erscheint bei Fire Records als CD, LP sowie als Stream oder Download, z.B. auf qobuz.de

Mitte der 90er lernte ich Kristin Hersh anlässlich eines Interviews in München kennen. Damals war das Medium namens „Internet“ noch blutjung. Ich fragte Kristin, ob das Internet künftig eventuell unsere Art der Wahrnehmung verändern könne. Ein Blick in die Zukunfts-Glaskugel ließ nichts Konkretes erkennen. Dafür erzählte sie mir, dass sie ja noch nicht online sei, aber ihr Mann das Netz damals bereits stundenlang für die Kommunikation zwischen Freunden in den USA nutzte, sozusagen from coast to coast. Viel mehr ging damals noch nicht. Lustig im Nachhinein so ein Blick zurück, aber so sind nun einmal die Zeitläufte…

Aktuell ist das Netz gesponnen, im Wortsinn durchaus hier und da doppeldeutig etabliert dank der Multi-Meta-geprägten Blasen. Musiker finden ihr Publikum immerhin auf Plattformen wie bandcamp.com oder präsentieren sich selbst (www.kristinhersh.com). Hier der Link zu den Throwing Muses:

Video-Teaser zum Song „Libretto“:

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Und nun, nach all den Jahren, schimmern im Independent-Mondlicht von „Moonlight Concessions“ überraschend feine, jung wirkende Song-Perlen. Die lyrische Form dazu liefern Kurzgeschichten, kleine, rau formulierte Einblicke in scheinbar unwichtig Wichtiges. Musikalisch umrahmen die meist kurzen Stücke diesmal gerne akustische Gitarren, teils prägnant links und rechts positioniert wie auf „Drugstore Drastic“. Schön auch die Saiten-Riege auf „Theremini“. Kristins Stimme wirkt immer noch ziemlich energetisch. Unterm Strich ein frisch wirkendes, zudem prima klingendes Werk einer vital eben noch nicht in die Jahre gekommenen Alternative-Band.

 

Yello feiern 15-jähriges Jubiläum ihres 2009er Albums „Touch Yello“. Das Duo Dieter Meier (Vocals) und Boris (Keyboards, Programmierung) ist mit der Feier etwas spät dran, aber das macht nix. Denn die Geburtstags-Blu-ray-Audio verzückt formidabel, oddrrr…?

Doch der Reihe nach. Die beiden Schweizer brechen seit den 1970er Jahren mutwillig mit Stilen, liefern Sound-Eskapaden ab und rückten früh das Klischee des biederen Eidgenossen-Staates auf internationaler Bühne in ein anderes, kreativ-grelles Licht. Ultratiefe Bässe, Wortkaskaden, Sound-Samples, Synthie-Salven, schlaue stilübergreifende Arrangements, dabei immer wieder exzentrisch verliebt und gerne tanzbar. Schweizerische Wertarbeit der etwas anderen, unerwartbaren Art. Die beiden mittlerweile in die Jahre gekommenen Sound-Revoluzzer lieferten so einst Kult-Hits wie „Bostich“, „The Race“ oder „Oh Yeah“ ab.

Hören wir mal rein. Auf der Setlist von „Touch Yello“ stehen unverschämt unverblümt, scheinbar unvereinbare Stile wie Experimental, Ambient, Techno, Disco oder Dada. Die Stilbandbreite verführt sogar bis zum lasziven souligen-Crooner-Schwoof auf „Kiss In Blue“ mit Heidy Happy an den Lead-Vocals… Die Duo-Texte bis hinein in die Booklet-Bebilderung becircen mit gewitzten Wortspielen. Beispiel gefällig? „Als ein kaum identifiziertes Flugobjekt (Hifo) von Dieter Meier materialisiert wird, ist Boris Blank unglücklich über dessen Größe. Das sagt viel.“

Yello mit „Touch Yello“ erscheint bei Universal als Blu-ray-Audio oder Doppel-LP

Die Blu-ray-Audio macht als absolut passendes Medium mächtig mit. Klasse, wie Stimm-Schnipsel im Raum tanzen, wie Bässe die Magengrube massieren und wie fein aufgelöste Tracks wie „You Better Hide“ mit der Schweizer Komponistin und Jazz-Folk-Sängerin Heidy Happy und ihrer smoothen Stimme Till Brönners Trompeten-Tupfer – und an anderer Stelle mit Flügelhorn – umschmeicheln. Die „wundersame Flöte“ von Dorothee Oberlinger, ihres Zeichens Dirigentin und Professorin, wechselt sich mit sprühender Percussion ab, die der langjährige Yello-Weggefährte Gino Todesco befeuert.

Video zu „Kiss In Blue“ (feat. Heidi Happy)

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Die Yello-Musik verlangt nach großem HiFi-Besteck mit Bassgewalt – so wie mit den packenden Dolby-Atmos-Mixen. Aber auch Kopfhörer-Fans werden mit dem „Binaural“-Mix glücklich, dank prima losgelöstem Raum-Klang. Auch wenn der Audiophile in mir höchsten VU-Meter-Ausschlag knapp verweigert, punktet die akustisch-mitreißende Vielfalt in dieser speziellen Yello-Sound-Form mit akustischem Seltenheitswert. Insofern gibt’s 4,8 Zähler auf der Klang-Skala – denn sind wir nicht alle ein bisschen Yello?

Yello „Touch Yello“
2025/03
Test-Ergebnis: 4,6
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Unsere Monats-Empfehlungen in der Übersicht:

Musikalischer Rückblick: die Alben des Monats Februar 2025
Musikalischer Rückblick: die Alben des Monats Januar 2025
Monatsrückblick: die besten Alben des Dezembers 2024
Musikalischer Rückblick: die Alben des November 2024
Monatsrückblick: die besten Alben des Monats Oktober 2024
Monatsrückblick: die musikalischen Highlights des Monats September 2024
Monatsrückblick: die musikalischen Highlights des Monats August 2024
Monatsrückblick: die musikalischen Highlights des Juli 2024
Monatsrückblick: die musikalischen Highlights des Juni 2024
Monatsrückblick: Die musikalischen Highlights aus dem Mai 2024
Monatsrückblick: Die musikalischen Highlights aus dem April 2024
Monatsrückblick: Die musikalischen Highlights aus dem März 2024
Monatsrückblick: die besten Alben des Februar 2024
Monatsrückblick: die musikalischen Highlights des Januar 2024

 

Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.