Als ich in den frühen 90er Jahren Technik-Redakteurs-Novize bei AUDIO wurde, war mein Wissen über Röhrentechnik – freundlich formuliert – recht übersichtlich. Und da war es hilfreich, eine Quelle zu haben, die über Röhren schlicht alles wusste und zudem die verschiedenen Schaltungskonzepte und Bauteile profund bewerten konnte. Diese Quelle war für mich damals Andreas Hofmann. Seit 1975 beschäftigt er sich intensiv mit Röhrentechnik, 1988 machte er aus dieser Berufung auch noch einen Beruf – nämlich die Firma Octave. Und so wie Andreas Hofman gestrickt ist, setzte gleich sein erstes Modell (der Vorverstärker HP 500) Maßstäbe und wurde hochgelobt.

Es folgten viele eigenständige, stets herausragend gut klingende Verstärker: V40, V80SE, V70 CA, die überlegenen Vor-/Endstufen (wie zum Beispiel die HP300 + RE 320)… Allesamt mit entsprechend guten Testergebnissen geadelt. Mit dem Erfolg wuchs die Anerkennung, auch weltweit.

Und mit dem Erfolg wuchs die Stückzahl der verkauften Verstärker. Letztendlich wurde die ursprüngliche Produktionsstätte im beschaulichen Karlsbad (Baden-Württemberg) einfach zu eng. Der Umzug erfolgte 2021 – selbstredend innerhalb der Grenzen von Karlsbad; man ist schließlich heimatverbunden. Aber man hat noch viel vor. Umso mehr wurde es wieder einmal Zeit, für einen ausführlichen Besuch.
Der Octave-Report
Die neue Manufaktur liegt im kleinen Industriegebiet am Rande des Nordschwarzwaldes; vom Pausenraum hat man einen schönen Ausblick auf den nahen Wald. Aber deshalb hat Hofmann den Neubau natürlich nicht aufgesetzt. Das Multifunktionshaus in Holzbauweise bietet vor allem ausreichend Platz und Möglichkeiten. Elke Speidel, die Frau an Hofmanns Seite und oberste Octave-Kontrollerin, die schon alle Stationen der Firma mitgemacht hat, sagt dazu: „Wir sind hier überglücklich. Wir haben Platz und Luft.“ Heißt in Zahlen: 1.200 Quadratmeter und Deckenhöhen, die Teils in den dritten Stock reichen.
Drinnen wird der Besucher von zwei stummen Zeugen der der gestiegenen Leistungsfähigkeit bei Octave empfangen – bevor dann der Chef persönlich um die Ecke biegt und zum Plausch einlädt.

Und mit ein bisschen Glück biegt auch Elke Speidel gleich mit um die Ecke. Speidel ist über viele Jahrzehnte schon die gute Seele des Betriebs, ganz nebenbei noch die Frau des Chefs und kümmert sich überwiegend um die buchhalterischen Belange, hat aber auch – so besagt es die Firmenlegende – schon das ein oder andere Verstärker-Design entwickelt.

Die Röhre und Andreas Hofmann – das ist Liebe auf den zweiten oder eher noch dritten Blick. „Auf der Suche nach dem optimalen Verstärker“, sagt er, „kam ich immer wieder auf die Röhre, obwohl sie keineswegs das optimale Bauteil ist. Aber halt das Beste, was es für diesen Anwendungsbereich gibt.“
Diese kleine Anekdote sagt viel über die Röhrenverstärker aus dem Hause Octave. Als „gefühlter“ Schwarzwälder ist Hofmann dem Präzisions-Ideal dieser Region verpflichtet. Das heißt: An jeder Stelle wird überdacht, wie man es noch genauer hinbekommen könnte. Und ständig wird gemessen, gemessen, gemessen. Anders als bei vielen „klassischen“ Röhren-Amps wird man bei Octave niemals frei verdrahtete Platinen oder die üblich weichen Bässe finden. Hofman: „Ich habe den Anspruch, dass unsere Verstärker auch 3- oder 4-Wege Konstruktionen mit hoch-komplexem, elektrischen Verhalten treiben können.“ Das klappt tatsächlich: Nicht ganz zufällig ist der Octave V70 CA seit seinem Test der LowBeats Referenz-Vollverstärker der 10.000 Euro Klasse.
Ich finde ja Zahlen immer spannend: Bei Octave arbeiten 16 Angestellte, davon 6 in der Produktion. Zwei von ihnen sind Meister und können auch ausbilden. So ist es kein Zufall, dass viele der aktuell bei Octave Tätigen auch eben dort ausgebildet wurden. Das ist natürlich der Königsweg, weil Menschen, die schon lange dabei sind und fast alle Produktionsschritte kennen, einen fast perfekten Ablauf garantieren.

Und weiter mit Zahlen: Jeden Monat verlassen hier mindesten 50 Geräte die Produktion, davon geht der überwiegende Teil ins Ausland. Deutschland macht da nur 15 – 20 Prozent aus. Gleichwohl sind mehr als 50 Geräte pro Monat eine ordentliche Menge und lassen – vor dem Hintergrund der ja gar nicht so niedrigen Preise – in etwa auf dem Umsatz schließen. Derso schlecht nicht sein dürfte: Der Neubau hat mit allem Zipp & Zapp mehr als 2,5 Millionen Euro gekostet
Entwicklungen sind Chefsache
Andreas Hofmann hat genaue Vorstellungen vom richtigen Klang. Es geht immer in Richtung Genauigkeit, Transparenz und hohe innere Dynamik. Er weiß, welche Zutaten es dafür braucht und feilt ja schon seit 50 Jahren an entsprechenden Konzepten. Vor allem ist er ein Vertreter jener Schule, dass es zum Betreiben moderner Lautsprecher nicht nur hohe Stabilität, sondern immer auch – gemessen an anderen Röhren-Verstärkern – eine relativ hohe Leistung und eine hohe Präzision auch im Bass braucht. Deshalb klingen Octave-Verstärker auch nicht wie klassische Röhren, eher wie exzellente Transistor-Amps – nur halt mit den Vorzügen der Röhre in Sachen Mitten-Transparenz.

Viel Leistung bedingt eigentlich Push-/Pull-Schaltungen – sonst kommt man nicht auf Leistung. Deshalb folgen Octave-Verstärker in der Regel diesem Aufbau. Doch Hofmann will nicht mit Scheuklappen durch die Welt laufen. Sein Kopfhörer-Verstärker V16 (der problemlos auch wirkungsgradstarke Boxen antreibt) ist eine aufwändige Single-Ended-Konstruktion, die die Octave-Welt noch einmal größer und bunter gemacht und auch ihn noch einmal inspiriert hat.
Und da wir schon einmal vor Ort waren, lag die Frage nach den zukünftigen oder womöglich vielleicht schon fertigen Projekten auf der Hand. Hofmann: „Naja, das ist jetzt wahrscheinlich keine große Überraschung. Ich arbeite aktuell an einer Mini-Ultima mit etwa 170 Watt Class A High Power. Der Preis wird bei etwa 60.000 bis 70.000 Euro liegen. Und natürlich fehlt dann noch eine entsprechende Jubilee Vorstufe. Die ist auch schon in Planung und wird etwa 50.000 Euro kosten.“
Das ist viel Geld, entspricht aber dem gegenwärtigen Trend. Hofmann: „Gerade gehen die teureren Geräte einfach besser. Glücklicherweise haben wir weltweit eine große Fan-Gemeinde, die oft den nächsten Schritt einfach mitmacht.“
Nur Selbstgemachtes ist wirklich verlässlich
Das aber funktioniert nur, weil Octave-Geräte als ausgesprochen verlässlich und langlebig gelten. Und damit sind wir in der Produktion von Octave, wo wegen des hohen Anspruchs die Fertigungstiefe enorm ist. Die Fertigungstiefe wurde dem Chef quasi schon in die Wiege gelegt; er erbte früh ein Trafo-Wickelwerk seines Vaters – deshalb auch sein Interesse für Röhren.
Man darf dieses Detail nicht unterschätzen: Die Qualität eines Röhren-Verstärkers entscheidet sich spätestens an den Ausgangstrafos. Hofman: „An den Trafos hängt die Hälfte der Performance. Da geht es natürlich um die optimale Anpassung, aber auch um Dynamik-Fähigkeit, um Verzerrungsarmut und um vieles mehr.“ Deshalb werden alle klangrelevanten Trafos bei Octave selbstgewickelt. So bekommt man genau das richtige Bauteil für den jeweiligen Anwendungszweck.
Natürlich wird jeder Trafo, jedes Fertigungsstufe eines Geräts gemessen und überprüft. Für die Trafos gibt es Hochvolt-Messungen mit Werten zwischen 5.000 – 8.000 Volt. Hofmanns Ansprüche sind dabei so hoch, dass seine Geräte sogar die CCC-Zertifizierung Chinas bekamen. Die haben für die Einfuhren elektronischer Geräte ins Reich der Mitte nämlich hoch ambitionierte Anforderungen und ein chinesischer Ingenieur kam eigens für mehrere Tage (!) nach Karlsbad, um die Mess-Apparaturen abzunehmen. Diese CCC-Zertifizierung wurde später als Handels-Hürde für HiFi-Geräte ausgesetzt. Gleichwohl hat Octave sie als eine von vielleicht fünf oder sechs Firmen aus Deutschland genommen.

Doch das vielleicht wichtigste Tool der Octave-Produktion steckt hinter dieser PC-Maske (siehe Bild oben). Hofmann hat sich ein Warenwirschaftssystem schneidern lassen, dass nicht nur den aktuellen Zustand und Ort der Geräte in Produktion verwaltete, sondern auch eine schnelle Übersicht, über die selbst gefertigten Bauteile ermöglicht. So weiß zum Beispiel dann jedes Mitglied der Herstellung, in welchem Zustand und wo sich gerade jener Trafo befindet, den man gleich zum Aufbau des Verstärkers braucht. Nicht übel…
Aber das Warenwirtschaftssystem glänzt auch mit vorausschauender Lager-Logik und warnt, wenn Bauteile zur Neige gehen. Hofmann: „Das darf halt nicht passieren – wenn ein Fach leer ist, ist es zu spät…“

Alles unter Kontrolle: Das Motto lautet: messen, messen, messen
Es ist so etwas wie die Kern-DNA von Octave: Hinter jedem größeren Produktionsschritt steht eine Messung. Die wesentlichen Bauteile (Röhren und Trafos) werden vor dem Einbau gemessen, im Falle der Röhren paarweise selektiert und das Ganze anschließend dokumentiert. Und dann gilt: messen, messen, messen…
Am Ende eines jeden hergestellten Octave Verstärkers steht dann die finale Praxis-Prüfung. In einem eigens dafür ausgestatteten Hörraum prüfen Spezialisten alle Funktionen und auch den Klang der Geräte. Es verlässt also kein Gerät die Rampe, das nicht schon einige Stunden auf dem Buckel hat. Das gibt ein gutes Gefühl.
Wie übrigens auch der Umstand, dass sich Octave-Geräte als ausgesprochen langlebig erweisen. Bei meinem Besuch hatte Octave-Spezialist Michael Nonnenmann gerade mehrere Octave-Schätze aus dem vorigen Jahrtausend zur Revision auf der Werkbank. Auch die Revisionen durchlaufen den vollen Mess-Parcours.

Am Ende entscheidet doch das Ohr
Doch das spezielle Verhältnis zwischen Verstärker und Lautsprecher kann man (noch) nicht viel messen; man muss es hören, das weiß auch Hofmann. Also hat er sich vom Akustik Büro RTFS einen erstklassigen Hörraum einbauen lassen, in denen er stets aktuelle und möglichst komplexe Lautsprecher (niedrige Impedanz, starke Phasenverschiebungen) betreibt. Lange Zeit standen hier große Gauder Modelle oder eine B&W 802/D4. Aktuell ist es eine Focal Scala Utopia. Der Markt „draußen“ wird hier schon einigermaßen genau abgebildet.

Und es wird viel gehört. Als LowBeats Autor und Kopfhörer-Spezialist Claus Dick von Andreas Hofman anlässlich des neuen Kopfhörer-Verstärkers V16 um eine Einschätzung gebeten wurde, war eine vierstündige Hör-Session im Octave Hörraum vorausgegangen.
Der Hörraum ist bewusst vom Praxisraum entkoppelt, denn hier soll in Ruhe die finale Feinabstimmung gefunden oder gute Mitbewerber-Produkte eingeschätzt werden. Beides scheint gut zu klappen: Octave hat seine Sonderstellung am Markt über all die Jahre halten können.
Quintessenz
Mein letzter Besuch bei Octave ist über 20 Jahre her. Seitdem hat sich sehr viel bewegt. Erlebt habe ich eine Firma am Rande des Nordschwarzwaldes, in der die Stimmung der Mitarbeiter gut und das Engagement hoch ist. Eine immer noch kleine, aber sehr feine Manufaktur mit ungewöhnlich hoher Fertigungstiefe, die mit klassischen „audiophilen“ Röhren-Schmieden allein schon wegen deshalb nicht vergleichbar ist, weil die Octave-Fertigung höchsten, professionellen Ansprüchen genügt. Ich habe diese Verstärker ja immer geschätzt; durch den Besuch kann ich besser verstehen, warum ein Octave so präzise klingt, wie er klingt – es liegt im Wesen der Firma.
Die Präzision der Schwarzwälder Produktion (nicht nur die von Kuckucksuhren) war ja in den 50er, 60er oder 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts legendär. Wer die Produktion in Karlsbad mal erleben darf, wird mir zustimmen: Andreas Hofmann und sein Team leben diesen Geist noch konsequenter als es bei Dual, Thorens & Co damals möglich war.
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