Nach über 50 Jahren baut Marantz mal wieder Lautsprecher. Aber nicht irgendwelche klassischen Passiv-Lautsprecher, welche die verschiedenen Konzern-Schwestern (wie B&W, Boston Acoustics oder Definitive Technology) sicherlich besser hinbekommen hätten. Nein: Die Japaner fokussieren sich auf außergewöhnliche Wireless-Speaker. LowBeats hatte mit dem Marantz Grand Horizon nun das größere der beiden Modelle im Test.

Zunächst waren die Aussichten düster. Ich hatte die beiden Einbox-Systeme namens Horizon und Grand Horizon schon bei ihrer Europa-Premiere auf Malta gehört. Und dann, wenige Wochen später, auch noch bei einer Präsentation in München. In beiden Fällen war ich nicht begeistert. Und weil wir bei LowBeats ja nur jene Dinge vorstellen, von denen wir angetan sind, war die Sache damit eigentlich schon abgetan. Eigentlich. Denn beide bekamen noch einmal einen deutlichen Software-Schub. Und auf einmal ist alles anders und der Grand Horizon wird meine absolute Top-Empfehlung, wenn es um die seriös-kultivierte (und hübsche) Beschallung von Räumen mit nur einem Lautsprecher geht…
Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte, ein Film ersetzt ein ganzes Buch…? So auch wieder nicht. Aber um einen Eindruck von der Gestaltung und der Machart zu vermitteln, habe ich an dieser Stelle mal das einminütige, offizielle Marantz-Video vorangestellt. Keine Sorge: nur schöne Bilder, keine Worte.
Marantz Grand Horizon: Wenn schon das Auspacken Spaß macht…
Man könnte sagen, dass 6.000 Euro für einen Wireless-Speaker ganz schön happig sind. Doch den Grand Horizon fand ich an keiner Stelle überteuert – da gibt es im HiFi ganz andere Beispiele… Und beim Marantz fängt der Spaß schon beim Auspacken an: Wenn man den stabilen, in einem noblen Blau gehaltenen, Karton nach oben abzieht, findet man den Grand Horizon in einer festen Tasche, in der man ihn leicht (soweit man das bei einer Skulptur mit über 20 Kilo Lebendgewicht überhaupt sagen kann) herausheben und aufstellen kann. Und mit ihren zwei Reißverschlüssen macht die Tasche das Entblättern einfach. Das haben die Produktdesigner des Konzerns einfach raus: eine wirklich hohe Verpackungs-Intelligenz.

Allerdings: 21,3 Kilo wiegt der Grand Horizon und die wollen erst einmal auf ihren Platz gestellt werden. Das geht besser zu zweit. Dann muss man ihn nur noch ans Netz anschließen und von da ab läuft alles ziemlich einfach und schnell – vorausgesetzt man hat ein heimisches Netzwerk. Nachdem die HEOS-App des Konzern auf das Smartphone geladen ist, geht es schon an die flüssig von der Hand gehende Einrichtung. Punkt Eins: Wo steht das gute Stück?

Über die HEOS App gibt es verschiedenste Möglichkeiten – viele Leser werden sie von den zahllosen Marantz- oder Denon-Komponenten kennen, in denen HEOS schon lange zuverlässig den Dienst verrichtet. Doch die Position sollte man unbedingt genau einstellen, weil sie einen substanziellen Einfluss auf die Basswiedergabe hat.

Natürlich ist es möglich, den Grand Horizon über die App zu bedienen. Aber er ist irgendwie auch ein sehr haptisches Produkt – nicht nur wegen der massiven Mamorplatte oder wegen des angenehmen Stoffbezugs. Quellen und Lautstärke sind elegenat auch am Speaker einzustellen – ohne, dass man irgendwelche Bedien-Elemente sehen würde. Die Pegelhöhe beispielsweise wird geregelt, indem man mit der Hand über den schwarzen Ring fährt. Im Ring stecken LEDs, die dann die Lautstärke auch visuell darstellen – sehr schick.
Die Technik
Der Grand Horizon hat die Form eines Reifens. Das sieht nicht nur elegant aus, sondern hat schon vom Prinzip her eine hohe Festigkeit. Der Korpus selbst besteht aus einem extrem robusten, gut bedämpften Kunststoff, den man aber nicht sieht, weil er von einem ebenfalls robusten, perfekt passenden Gewebe-Überzug bedeckt ist.
Im vorderen Teil, hinter Abdeckung mit dem Marantz-Logo sitzt ein Tieftöner der 20-Zentimeter-Klasse, der zu immensem Hub in der Lage ist – was man an seiner wulstigen Sicke erahnen kann. Das Datenblatt verspricht, dass die speziellen Marantz Schaltnetz-Endstufen zusammen mehr als 800 Watt Impuls-Leistung raushauen. Da sollte einiges gehen – zumal der Grand Horizon angeblich auf 28 Hertz entzerrt ist. Man darf also unterstellen, dass sich im vergleichsweise kleinen (geschlossenen) Reifengehäuse ein ziemlich hoher Druck aufbaut, wenn der Bass mal richtig losgeht. Und der Grand Horizon kann erstaunlich laut – wir haben es gehört und gemessen – aber nie war irgendwo ein Schnarren oder Klappern zu hören. Auch diesbezüglich haben die Entwickler einen guten Job gemacht.

Ebenfalls im vorderen Teil des „Reifens“, rund um den Tieftöner gruppiert, sitzen vier Mittel- und drei Hochtöner – das Bild unten zeigt die Anordnung:

Die Vielzahl der Treiber hat drei handfeste Gründe. Zum einen will der Grand Horizon eine sehr weiträumige Abstrahlung realisieren. Zum anderen ist der Marantz ja mit verschiedenen 3D-Decodern von Dolby ausgestattet. Und da ist das räumliche Ergebnis meist umso besser, je mehr unterschiedliche Schallquellen in unterschiedlichen Abstrahlrichtungen eingebaut sind. Zudem steigt die Belastbarkeit mit jedem weiteren Hoch- oder Mitteltöner.
Kontrolliert und überwacht werden die insgesamt acht Treiber von der Mirage DSP-Steuerung, die nicht nur für die Klang-Beeinflussungen verantwortlich ist, sondern auch durch kluges Sound Processing die breite Abstrahlung (respektive den 3D-Klang) umsetzt.
3D-Klang und ein HDMI eARC-Anschluss – das schreit ja fast danach, einen TV dranzuhängen. Hier fehlt mir allerdings ein bisschen die Fantasie, wie man eine solche Skulptur elegant mit einem großen Display zusammenbringt. Vielleicht, wenn man zwei Horizons nimmt. Dann könnte man sie links und rechts vom TV aufstellen. Aber macht man das?

Die weiteren Anschlüsse sind genauso erwartbar wie praxisnah: Einen solchen Lautsprecher füttert man idealerweise mit Daten aus dem Netzwerk oder von einem Speicher – NAS oder Stick. Oder eben vom Smartphone per Bluetooth und AirPlay. Wer die HEOS-App kennt, weiß dass man Amazon Music, Deezer und Tidal direkt aufrufen kann.

Aber der Kenner ahnt auch, dass wie immer bei HEOS auch hier der französische Streaming-Dient Qobuz leider (noch?) nicht an Bord ist. Auch Chromecast wird nicht unterstützt. Nicht so schön, aber verschmerzbar.
Praxis
Über die schöne Machart und die einfache Einrichtung habe ich mich schon zu Beginn des Artikels gefreut. Ebenso erfreulich sind die quantitativen Ergebnisse der ausgefuchsten Marantz-Entwicklung. Zum einen ist die Abstrahlung des Grand Horizon wirklich extrem breit: Selbst außerhalb der 30°-Achse hat man über den gesamten Frequenzbereich noch vollen Pegel.

Noch erstaunlicher ist der hohe Schalldruck, zu dem der Grand Horizon fähig ist. Wir haben einen Spitzen- (Musik-) Pegel von 106 Dezibel gemessen. Für einen „Design-Lautsprecher“ dieser Größe ist das ein hervorragender Wert und wir konnten im Büro mit ihm reichlich Rabatz machen…
Diese Fähigkeiten unterstreichen die Horizon-Idee, ein Zimmer allein mit Klang zu fluten. Natürlich könnte man auch ein Stereo-Paar aufstellen. Aber wozu? Ich hatte im Februar Gelegenheit, bei einem Händler eine Stereo-Konfiguration zu hören. Ehrlich gesagt: Das war bei klassischer Stereo-Musik kaum ein Vorteil. Und eigentlich ist ja das genau auch der Sex dieses Konzepts: Dass da so ein Monolith steht, der gar nicht nach Lautsprecher aussieht und dennoch wunderbar tönt…

Klangeindruck
Es stellt sich ja immer die Frage, wie ein solcher Aktiv-Lautsprecher klingt, der dank DSP in vielen klanglichen Parametern veränderbar ist. Natürlich tut sich da einiges. Aber auch in der Neutral-Einstellung klingt der Grand Horizon richtig gut: tonal ausgewogen und erfreulich detailreich.

Nach dem Einrichten ließ ich den Grand Horizon erst einmal ein bisschen einspielen und setzte mich wieder an den Schreibtisch, der in etwa fünf Meter Entfernung im 45°-Winkel zum Lautsprecher steht. Es lief „Superkilen“ vom dänischen Elektropop-Duo Svaneborg Kardyb. Das ist entspannend-nette, aber exzellent aufgenommene Musik Und ich dachte: „Hoppla: Man hört ja wirklich alles!“ Dann begann ich im 80 Quadratmeter großen LowBeats Redaktionsbüro herumzulaufen und hatte nur geringfügigste Einschränkungen in der Tonalität – super!

Aber wie ist es mit komplexer Musik? Genauso. Ich habe das Acapella-Album Árstíðir „Vetrarsól – Voices Of The Winter Sun”, der audiophile Musik-Tipp aus dem Januar, zugespielt. Wieder hat es mich verblüfft, wie viel man von den Eigenheiten der unterschiedlichen Stimmen hört, wie tief der Grand Horizon zu Zuhörer in die Aufnahme zieht. Noch einmal zu Erinnerung: Es ist ein Wireless-Designspeaker und kein Studio-Monitor.
Aber wenn ich direkt vor dem Marantz saß und hörte, hatte ich diesen Eindruck: Fantastisch wie exakt er die Anblas-Geräusche des Saxofons im Crusaders-Cover von Eleanor Rigby wiedergab, dass dieses Einbox-System es immer noch schaffte, eine Form der glaubwürdig-dreidimensionalen Abbildung zu produzieren.
Wie es in solchen Fällen immer ist, lässt man die Sache dann ruhen und lädt für die nächsten Tage Freunde und Bekannte ein, um von ihnen unkommentiert weitere Meinungen einzufangen. Im Falle des Grand Horizons waren alle durch die Bank verblüfft, wie tief, wie sauber, wie „klar“ dieser Design-Lautsprecher klingt.
Und wie pegelfest. Yello hat sein legendäres Album „Touch“ jetzt auch als 3D-Mehrkanal-Blu-ray herausgebracht, auf der es natürlich auch eine 2-Kanal-Spur gibt. „Touch“ ist ja mitreißende Musik, aber vor allem wegen seiner satten Tiefton-Grooves berührend. Wir haben fast das ganze Album durchgehört – mit einem Pegel, der allen Anwesenden wegen der kernig druckvollern Bässe ein Grinsen ins Gesicht zauberte. Hab ich es schon gesagt? Erstaunlich

Und was ist mit Dolby Atmos? In unserem großen Büro waren die Klang-Effekte zwar nachvollziehbar, aber nicht eben spektakulär. Deutlich besser wurde es in unserem kleinen Hörraum (16 Quadratmeter), in dem die Reflektionen von den Wänden sehr viel früher kamen und deshalb mehr Energie hatten. Damit bekam das Klangbild sehr viel mehr Tiefe und eine Blu-ray wie die aktuelle „Touch“ von Yello klang tatsächlich überzeugend räumlich und sehr lebendig.
Fazit Marantz Grand Horizon
Zunächst war ich skeptisch, jetzt bin ich Fan. Ausgerechnet der altehrwürdige Verstärker-Spezialist Marantz legt ein modernes, absolut überzeugendes Wireless-Speaker-Konzept vor. Horizon, vor allem der Grand Horizon sieht super aus, ist absolut praxisnah ausgestattet und klingt tatsächlich hervorragend.

Wenn man mit nur einem Lautsprecher in einem Raum seriös und überzeugend Musik hören möchte, kenne ich im Moment keinen besseren.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Hohe Mittentransparenz, große Bandbreite, Klang im ganzen Raum |
| Erstaunlich hoher Pegel, sauber-präziser Bassbereich |
| Auch Mehrkanal-Sound möglich |
| Exzellente Verarbeitung, tolle Anfassqualität |
Vertrieb:
Marantz Deutschland
D&M Germany GmbH
A division of Sound United
Poensgenstr. 7
41334 Nettetal
www.marantz.com
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Marantz Grand Horizon: 6.000 Euro
Technische Daten
MARANTZ Grand Horizon | |
---|---|
Konzept: | Wireless Streamingbox |
Wandler-Bestückung: | TT. 1 x 20 cm, MT: 4 x 7,5 cm, HT: 3 x 25 mm |
Eingänge: | 370 Watt Dauer / 870 Watt dynamisch |
Ausgänge digital: | 1 x Stereo Cinch, 1 x optisch, 1 x HDMI eARC, 1 x USB C, Bluetooth, AirPlay2 |
Übertragungsbereich (+/- 3 dB): | 28 – 20.000 Hz |
Maximalpegel (Dauer / kurzfristig): | 93 / 105 Dezibel |
App / Fernbedienung: | HEOS App / IR Remote |
3D-Decoding: | Dolby Atmos, Dolby TrueHD, DSD Dolby Digital+, Dolby Digital |
Farben: | Moon Ray (grau), Midnight Sky, Marantz Champagne |
Abmessungen (B x H x T): | 49,3 × 92,9 x 25,5 cm |
Gewicht: | 21,3 Kilo |
Alle technischen Daten |
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