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Die Sonus faber Guarneri Tradition im Paar
Die Sonus faber Guarneri Tradition in Rot. Die perfekt verarbeitete Zweiwegebox mit der für Sonus faber typischen, Leder-bezogenen Schallwand kostet inklusive Ständer 15.900 Euro pro Paar (Foto: Sonus faber)

Sonus faber Guarneri Tradition – der Exklusivtest

Der weltweit erste Test der Sonus faber Guarneri Tradition
Eine Kompaktbox mit höchsten Ansprüchen, aber auch entsprechend hohem Preis (15.900 Euro)
Eine Kompaktbox, die eigentlich keine ist, weil der Ständer zum Konzept gehört

Die Bühne war gerichtet, der Ort gut gewählt. Und doch werden viele der über 5.000 Besucher der Norddeutschen HiFi Tage 2017 (4./5. Februar 2017) womöglich gar nicht wahrgenommen haben, dass sie in der Lobby des Hamburger Holiday Inn an der wohl schönsten Messe-Premiere vorbeigeschoben wurden – einfach, weil es zeitweise so voll war. Schade, denn die Sonus faber Guarneri Tradition hatte hier in der Lobby ihren ersten Europa-Auftritt und man muss kein HiFi-Fan sein, um sich für diese Art Lautsprecher zu begeistern: schlüssige Formsprache, hohe Ästhetik, begnadete Handwerkskunst, ein Lack-Finish zum Niederknien…

Auf der Messe gab es noch keine Gelegenheit, die Sonus faber Guarneri Tradition zu hören. Aber eines der ersten ausgelieferten Paare fand seinen Weg umgehend in die LowBeats Redaktion, wo es seitdem läuft und von Tag zu Tag besser wird.

Aber der Reihe nach. Die Sonus faber Guarneri Tradition steht in einer langen Reihe anmutiger und klanglich herausragender Kompaktlautsprecher.

Vor allem zu nennen sind hier die Electa Amator von 1987, die Extrema von 1991, die Guarneri Homage von 1993 und die Guarneri Memento von 2006. Alle vier hier in der Slideshow:

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Souns Faber Electa Amator von 1987
Traumhaft schön und aus Echtholz aufgebaut: Die Souns Faber Electa Amator von 1987 (Foto: Sonus faber)
die Sonus faber Extrema
In vielen Belangen extrem: die Sonus faber Extrema mit Top-Bestückung und ovaler Passivmembran auf der Rückseite. Bei ihrer Markteinführung 1991 kostete das Paar 15.000 Mark (Foto: Sonus faber)
Die Sonus faber Guarneri Hommage von 1993
Die Sonus faber Guarneri Homage von 1993 in passender Umgebung (Foto: Sonus faber)
Die Sonus faber Guarneri Memento aus dem Jahre 2006
Die Sonus faber Guarneri Memento aus dem Jahre 2006. Damals kostete das Paar 10.000 Euro (Foto: Sonus faber)
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Bespannung der Sonus faber
Bei Sonus faber gibt es ja keine  Bespannrahmen, sondern eine Reihe gummiartiger Striemen. Akustisch ist diese Lösung  die beste (Foto: H. Biermann)

Schon seit Bestehen von Sonus faber (Firmengründung: 1983) orientiert man sich bei der Gestaltung der Lautsprecher am klassischen Instrumentenbau: die Form, die Hölzer, die ästhetische Anmutung.

So tief verwurzelt in der Tradition der italienischen Meister sieht man sich bei Sonus faber, dass sogar das Dach der Manufaktur einem Cello nachempfunden wurde.

Und selbst die Front-Abdeckung, die bei den größeren Sonus faber Modellen ja immer in Form von gespannten, elastischen Bändern umgesetzt wird, wurde von den Saiten der (Saiten-) Instrumente inspiriert. Und dass der legendäre italienische Geigenbauer Giuseppe Guarneri (1698 – 1744) hier Pate für den Namen unseres Testmodells stand, ist natürlich auch kein Zufall.

Doch im Gegensatz zu Giuseppe Guarneri, der für seine Instrumente ausschließlich edelste Klanghölzer verwendete, nutzen die Entwickler von Sonus faber Holz nur noch für die Schallwand, die Seitenwangen und die Intarsien-Arbeiten auf dem Deckel.

Basierend auf den Erfahrungen der Modelle Amati Futura und Guarneri Evolution (beide aus dem Jahr 2011) bestehen Rücken, Boden und Deckel nun aus massivem Aluminium.

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Dier Aluminium-Teile der Sonus faber Guarneri Tradition
Die Sonus faber Guarneri Tradition besteht nur noch zum Teil aus Holz. Alle lila-gefärbten Elemente sind aus Aluminium: das Rückenteil, sowie Deckel und Boden (Animation Sonus faber)
Die grprägten Aluminium-Deckel der Sonus faber Guarneri Tradition
Die massiven Aluminium-Deckel sind Teil des akustischen Idee. Holz-Einlegearbeiten in den Aussparungen vervollständigen dann das optische Konzept (Foto: Sonus faber)
Das Rückteil der Sonus faber Guarneri Tradition
Ein Sonus faber Mechaniker beim Einsetzen des Aluminium-Rückens. Hier entsteht natürlich alles in Handarbeit (Foto: Sonus faber)
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Dieser Kulturwandel ist den Italienern sicher nicht leicht gefallen, macht aber akustisch viel Sinn. Denn im Gegensatz zum früheren Ansatz, Lautsprecher wie klingende Instrumente zu bauen, kommt man mit dem heutige Konzept – nämlich möglichst neutrale Schallwandler zu entwickeln –  womöglich doch weiter.

Die Metallteile sind miteinander verbunden und bilden quasi das extrem steife Skelett (die Marketingabteilung bei Sonus faber taufte die Konstruktion „Exoskelett“) des Gehäuses. Ein „reines“ Holzgehäuse hat nie die Festigkeit einer Metall-Konstruktion und produziert somit mehr Eigenklang.

Während viele Hersteller die Schallwand mit Aluminium verstärken (bekanntestes Beispiel: Dynaudio), sind es bei der Sonus faber Guarneri Tradition halt Rücken, Boden und Deckel. Zu Recht, denn vor allem der Deckel nimmt mehr Einfluss auf den Klang und die Abbildung als gemeinhin gedacht.

Aber auch das Rückenteil ist wichtig, weil hier alles zusammenläuft. Die neue B&W 800 D3 Linie nutzt ja ebenfalls solch eine massive Rückenpartie  – dort allerdings dient das Aluminium – trickreich – auch noch als Kühlung für die Widerstände der Frequenzweiche.

Bei der Sonus faber Guarneri Tradition ist der Metallrücken stattdessen Bestandteil des Bassreflex-Konstruktion. Eigentlich ist die Italienerin ja ein in allen Belangen höchst ziviler Lautsprecher, aber beim Bassreflex wurde zumindest verbal aufgerüstet: Das „Stealth Ultraflex-System“ ist eine Kombination aus klassischem BR-Kanal (Holz) plus dem vorgesetzten Alu-Profil sowie einem neuen, sogar patentierten Dämmstoff im Inneren.

Alles gemeinsam soll sehr viel tiefere Abstimmungen ermöglichen als übliche BR-Konstruktionen. Das konnten wir im Hörtest nicht bestätigen. Aber dazu später mehr.

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Die Bassreflex-Konstruktion der Sonus faber Guarneri Tradition
Die blau eingefärbten Teile zeigen den Bassreflex-Port der Guarneri Tradition. Er öffnet sich nach hinten (Animation: Sonus faber)
Die Lamellenform des Alu-Rückens
Die Zeichnung der Alu-Lamellenform zeigt, wie sich der BR-Port nach hinten öffnet und die Alu-Lamellen als perfekte Austrittsöffnung nutzt (Foto: Sonus faber)
Metallrücken und BR-Port der Sonus faber Guarneri Tradition
Der Bassreflex-Kanal ist Teil des Aluminium-Rückens. Über dem Port ist die Seriennummer eingelassen (Foto: H. Biermann)
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Die Technik der Sonus faber Guarneri Tradition

Lange Zeit bediente sich Sonus faber bei den besten Treiber-Herstellern der Welt, hier vor allem bei Audio Technology und Scan Speak. Diese Zeiten sind lange vorbei. Die Entwicklungsabteilung entwickelt die Treiber schon lange selbst und kann sie so exakt auf die jeweiligen Einsatzbereiche hin optimieren.

Der Hochtöner namens DSD H28 XRT-04 entstammt den Flaggschiff-Modellen Sonus faber Lilium und Il Cremonese und hat eine 28 Millimeter große Seidenkalotte, die an ihrer Kuppelspitze über ein kleines Filzstück am vorgesetzten Schallverteiler (der Spitze) bedämpft ist. So wollen die Sonus-Entwickler Resonanzen im Material reduzieren.

Angetrieben wird die Schwingspule von einem kräftigen Neodym-Magneten. Die größte Besonderheit aber ist die hinten angesetzte Kammer aus echtem Holz, wo der nach hinten abgestrahlte Schall in einem Labyrinth die Energie verliert und so keinen akustischen Schaden mehr anrichten kann.

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Die Gewebekalotte der Sonus Faber Guarneri Tradition
Die Seidenkalotte misst 28 Millimeter und wird in ihrer Mitte durch eine Art Filz, der unter dem Steg sitzt, bedämpft. Die vorgesetzte Spitze sorgt aber auch für eine bessere Schallverteilung bei höchsten Frequenzen und schützt die Kalotte vor Beschädigungen (Foto: H. Biermann)
Eine besonders schöne Eigenheit ist das angedockte Echtholz-Gehäuse auf der Rückseite des Hochtöners. Hier soll sich die rückwärtige Schallenergie totlaufen (Foto: Sonus faber)
Der Hochtöner der Sonus faber Guarneri Tradition
Der Hochtöner der Sonus faber Guarneri Tradition in ganzer Pracht. Ein kleiner, aber kräftiger Neodym-Magnet sorgt für den Antrieb der 28 Millimeter großen Schwingspule (Foto: Sonus faber)
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Der Tiefmitteltöner W15 XRT-04 (15 Zentimeter Außendurchmesser) stammt von seinen Anlagen her ebenfalls aus der Lilium und ist ein echtes Technik-Highlight. Die Membran besteht aus einer sehr stabilen Naturfaser-Mischung, die in einem lang andauernden Prozess luftgetrocknet wird und – so Paolo Tezzo – „einen möglichst natürlichen Klang ohne Coloration“ garantiert.

Auch die Aufhängung, also Sicke und Zentrierungsspinne, wurden in Bezug auf Form und Material komplett neuentwickelt, um bei den Hubbewegungen möglichst wenig Widerstand aufzubauen. Das ist wichtig für die Feindynamik.

Tiefmitteltöner W15 XRT-04 der Sonus faber Guarneri Tradition
Das Bild zeigt den strömungsoptimierten Aufbau mit kräftigem Neodym-Magneten. Eine 4 cm große Schwingspule sorgt für den adäquaten Antrieb der papierähnlichen Membran, ein Kupferring verhindert den Anstieg der Impedanz zu höheren Frequenzen hin (Foto: Sonus faber)

In der Sonus faber Entwicklungsabteilung werden, so Entwicklungsleiter Paolo Tezzo, Frequenzweichenbauteile durch lange Hörsitzungen ermittelt.

Dementsprechend liest sich die Bestückungsliste des Guarneri-Tradition-Netzwerks wie das Who-is-Who der Edelzulieferer: Mundorf EVO Silver Gold Öl Kondensatoren, Spulen von Jantzen, induktionsarme Widerstände.

Livio Cucuzza, Chef-Designer bei Sonus faber, erklärte bei der ersten Präsentation in New York, womit er und sein Team sich bei der Sonus faber Guarneri Tradition haben inspirieren lassen. Hätte er es nicht verraten, wäre man vielleicht trotzdem drauf gekommen…

Inspirationen für Guarneri Tradition
Inspirationen für Form und Oberflächen-Materialien der Guarneri Tradition: die italienische Rennboot-Ikone Riva Aquarama und ein Cello der alten Meister (Foto: Sonus faber)

 

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Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.