Kürzlich waren wir wieder einmal zu Besuch bei Progressive Audio in Essen. Ralf Koenen, der Chef von Progressive Audio, wollte uns erneut die Gelegenheit geben, sein Flaggschiff Evidence in ruhiger Umgebung zu hören. Der Aktiv-Speaker mit dem einzigartigen Accuton-Koax (und dem sechsstelligem Preisschild) hatte auf der HIGH END 2024 (wie auch dieses Jahr) geradezu magisch getönt. Doch bei unserem Besuch stahl ein anderer Lautsprecher – passiv und mit 12.800 Euro im Vergleich zur Evidence fast schon günstig – dem Flaggschiff die Show. Die Rede ist von der Progressive Audio Elise III, die nun endlich den Weg in den LowBeats Hörraum gefunden hat und bei uns – wie in Essen – vom Start weg begeisterte…

Die Besonderheiten der Progressive Audio Elise III
Das Auffälligste ist das Gehäuse. Das ist nämlich aus 18 Millimeter starkem, hochglänzendem Acryl. Der Gehäusebauer von Progressive Audio schafft es, die einzelnen Platten komplett übergangslos zu verkleben. Das schafft perfekte Verbindungen und sieht auch ziemlich edel aus. Ralf Koenen sagt dazu: „Acryl hat sich bei unseren Versuchen gegenüber Holz oder MDF klar durchgesetzt. Es ist genauso hart, hat aber eine bessere Dämpfung und auch eine geringere Schalldurchlässigkeit.“ So wird verständlich, dass Koenen das ungewöhnliche, zudem teurere Material nutzt. Zumal Acryl auch die Möglichkeit bietet, verschiedenste Farben anzubieten. Der Aufpreis liegt bei etwa 10%.

So viele Vorteile das Acryl auch haben mag: Es ist nicht ganz ohne Nachteile. Das liegt vor allem an der empfindlichen Oberfläche. In der Bedienungsanleitung wird dringlich angeraten, die Reinigung mit feuchtem Tuch durchzuführen, sonst kann es schnell zu Mikro-Kratzern kommen. Koenen empfiehlt ein spezielles Swiss-Oil; das lässt die Oberfläche noch “tiefer” erscheinen” und riecht auch lecker…

Ebenfalls auffällig ist die Einbindung des Tiefmitteltöners in die Schallwand. Bei der Vorgängerin Elise II war das obere Drittel schräg gestellt, um Hoch- und Tiefmitteltöner in die richtige Phasenlage zu bekommen. Bei der Elise III hat sich Koenen die Kritik an der teilschrägen Front zu Herzen genommen und stattdessen nur den Tiefmitteltöner schräg in die Schallwand eingebunden. Dafür musste er einen speziellen Ring aus Aluminium anfertigen lassen, der dieses Kunststück vollführt – der sorgt für die Schrägstellung und stabilisiert die Schallwand.

Kenner werden den 18 Zentimeter großen Tiefmitteltöner sofort als Klassiker aus dem Hause Scan Speak erkennen. Der hier zum Einsatz kommende ist eine Sonderversion, deren Parameter einen besonders großen Hub und damit großen Tiefgang erlauben.

Der Hochtöner indes ist schwerer zu identifizieren – er verbirgt sich hinter einem Gitter, der die hochsensible Keramik-Kalotte vor Berührungen schützt. Keramikkalotte? Das klingt nach dem deutschen High End Anbieter Accuton. Richtig. Ralf Koenen vertraut hier auf einen Accuton-Typ mit 30 mm großer Kalotte. Auch der Hochtöner ist eine Sonderversion und ist auf eine besonders niedrige Resonanzfrequenz gezüchtet.
Und damit sind wir bei der Frequenzweiche. Das ist fraglos ein Kunstwerk, welches die Klang-Philosophie von Koenen optimal umsetzt. Der Progressive-Audio-Chef ist nämlich Verfechter des perfekten Impuls-Verhaltens. Dafür nimmt er schon einmal gewisse Unlinearitäten im Frequenzgang in Kauf. Doch wie der Hörtest zeigt, fallen die gar nicht ins Gewicht, wenn das Impulsverhalten stimmt.

Wie genau Koenen das erreicht, verschweigt er lächelnd. So weit will er sich dann doch nicht in die Kochtöpfe schauen lassen. Um sein Ideal zu erreichen, versucht er Phasenfehler vermeiden und die Impedanz absolut linear zu halten.
Praxis
Starten wir mit der sensationell verlaufenden Impedanz/Phasen/EPDR-Kurve. Selten haben wir so lineare Messwerte gesehen: Sie entspricht fast einem Fest-Widerstand und entspricht so dem Ideal, das aber bei 99% aller Lautsprecher zum Teil weit verfehlt wird. Die Elise III ist eindeutig ein Lautsprecher, der weniger auf linearen Frequenzgang, dafür aber auf besten Impuls und lineare Impedanz/Phase gezüchtet wurde.

Progressive-Chef Ralf Koenen spricht von einer Linearität im Impedanzverlauf von ± 0,2 Ohm – das könnte hinkommen…
Ebenfalls überraschend ist der hohe Maximalpegel. Mit dieser Bestückung, die ja eigentlich auch in einer Kompaktbox gut aufgehoben wäre, schafft die Elise III mit den Messtönen immerhin 105 Dezibel; mit dynamischen Musikmaterial können es unter den gleichen Verzerrungs-Auflagen über 115 dB werden.
Über 115 Dezibel? – das wäre allerhand. Gleichwohl müsste man dafür viel Leistung (nämlich weit jenseits der 200 Watt) in die dezente Standbox pumpen, dass damit womöglich eine Beschädigung nicht ausgeschlossen werden könnte…
Wir haben wie immer verschiedenste Verstärker angeschlossen. Selbst der Line Magnetic LM300AI mit seinen gerade einmal 8 Watt pro Kanal klang mit ihr wirklich überzeugend. Aber ich plädiere im Falle der Elies III für deutlich mehr Leistung, weil es echt Spaß macht, ihr mit auch mal lauter zu hören. Mein Lieblings-Match war der mit dem Octave V70 CA – wobei der mit Black Box fast genau teuer ist wie die Elise III. Aber sie ist tatsächlich einer jener Lautsprecher, der auch erheblich teurere Quellen und Verstärker rechtfertigt.
Hörtest
Worauf man bei anderen Anlagen meist lange hinarbeiten muss, hat man mit der Elise III quasi schon wenige Minuten nach dem Aufstellen: Das Klangbild “rastet” sofort ein. Es ist faszinierend, wie plastisch diese schlanke Standbox Klangbilder modelliert. Man möchte die Sänger, die Instrumente anfassen – so habhaft werden sie in den Raum gestellt.
Das European Guitar Quartett hat mit “Fortune” eine Aufnahme gemacht, die dafür allerdings auch bestens geeignet ist: Ein Feuerwerk an impulsiven Mikro-Details, ein Vorzeige-Stück für Aufnahme-Tiefe und plastischer Abbildung. Mit der Elise II ist der Zuhörer mittendrin – alles flirrt, Finger bewegen sich wieselflink auf den Saiten, bisweilen hört man die Hände auf dem Gitarren-Korpus. Das ist schon ziemlich dicht an “echt”.

Ich hatte dieses Phänomen der zum Anfassen genauen Abbildung schon beim Test der kompakten Extreme I, ebenfalls von Progressive Audio. Keine Ahnung, was die Progressive-Audio-Entwickler an dieser Stelle besser machen als die meisten Mitbewerber am Markt.
Wie oben schon angedeutet, achtet Koenen auf den optimalen Impuls. Ein fülliger „langsamer“ Tiefton ist da nicht vorgesehen, “audiophile” Wärme für mehr Pastell in den Klangfarben ebenfalls nicht. Die Tonalität ist schlank, direkt, nicht vordergründig, aber auch nichts freundlich verdeckend. Ich mag das. Das ist Wiedergabe hochpräzise auf den Punkt. Eine meiner Lieblings-Abhör-Aufnahmen ist immer noch James Blood Ulmers “Live at the Bayerischen Hof”, eine wunderbar “dichte” Atmosphäre in der vergleichsweise kleinen Bar des Nobelhotels. Auf dieser Aufnahme hört man fast alles. Wie genau die Elise III beispielsweise die Stimme von James Blood Ulmer nachzeichnet, ist großartig, wie sie die Hiebe auf die Snare-Drum exlodieren lässt, ist der Hammer. Das hat eine Energie und Genauigkeit, als säße man direkt daneben. Es gibt sicherlich einige Lautsprecher, die im Mittelhochton noch etwas feiner spielen, aber kaum eine agiert so authentisch…

Was man der (ja eigentlich dezenten) Standbox aber gar nicht zutrauen würde, ist dieser kernige, tiefe und detailreiche Bass. Bei “The Vanishing of Peter Strong” von Yello (in gehobener Lautstärke) machte die Elise III nicht nur deutlich, dass aus einem 18er Tiefmitteltöner – wenn er denn die Qualität hat – sehr viel herauszuholen ist. Die Kombination von Kraft und Präzision ließ mich hier so feine Schattierungen im Bass hören, die mir vorher noch nie aufgefallen waren.
Fazit Progressive Audio Elise III
Was Ralf Koenen in Bezug auf sauberen Impuls und Durchhörbarkeit mit der Elise III schafft, ist außergewöhnlich. Diesbezüglich gibt es unter den passiven Lautsprechern dieser Klasse nichts Besseres. Doch vom Konzept der optimalen Impulswiedergabe profitiert auch die Natürlichkeit und erst recht die Abbildung.
Machen wir es kurz. Der bislang sehr exklusive Klub meiner (passiven) Lieblings-Standlautsprecher unterhalb 20.000 Euro – bestehend aus Burmester B28 (17.600 Euro) und Piega Coax 611 (15.900 Euro) – ist um ein Mitglied erweitert worden, das auch noch – gemessen an der Performance – vergleichsweise günstig ist. Und dass die Elise III zudem mit fast jedem Verstärker am Markt harmoniert, ist weit mehr als nur eine Kirsche auf der Sahne.
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Extrem plastischer, offener Klang mit erstaunlich tiefem Bass |
| Erstaunlich hoher Maximalpegel |
| Elektrisch für quasi jeden Verstärker geeignet |
| Ungewöhnliches Acryl-Gehäuse mit vielen Farb-Varianten |
Vertrieb:
Progressive Audio Distribution
August-Thyssen-Straße 13a
45219 Essen, Germany
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Progressive Audio Elise III: 12.800 Euro
Technische Daten
Progressive Audio Elise III | |
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Konzept: | 2-Wege Standbox, Bassreflex |
Durchmesser Tiefmitteltöner: | 18 Zentimeter (Kohlefaser-Membran) |
Durchmesser Hochtöner: | 30 Millimeter (Keramik-Inverskalotte) |
Wirkungsgrad (2,83 Volt/1 Meter): | 84,5 dB |
Nominal-Impedanz: | 6,3 Ohm |
Maximalpegel (Dauer/kurzfristig): | 105 / 115 Dezibel |
Leistungsbedarf für Max.-Pegel: | >180 Watt |
Besonderheit: | Acryl-Gehäuse (Hochglanz-Schwarz) |
Abmessungen (B x H x T): | 20,0 x 110,0 x 40,3 cm |
Gewicht: | 35,2 Kilo |
Alle technischen Daten |
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