Der Clearaudio TT5 ist Teil des größten Tonarm-Vergleichs, den LowBeats bislang gemacht hat. Er bedient sich dabei ausschließlich der Tonarme von Clearaudio; die Erlanger haben neben ihren elf Laufwerken, 17 Tonabnehmern, Plattenreinigern und Phonostufen – übrigens alles „Made in Erlangen“ – auch noch 12 (!) Tonarme im Programm. Die sieben wichtigsten davon hatten wir im Test. Als da wären:
- Clearaudio Profiler, um 1.900 Euro
- Clearaudio Tracer, um 2.500 Euro
- Clearaudio Unify 14 Zoll, ab 2.700 Euro
- Clearaudio TT 5, ab 2.800 Euro
- Clearaudio TT 3, um 4.100 Euro
- Clearaudio Universal, ab 5.500 Euro
- Clearaudio Unity, ab 15.000 Euro
Im großen Übersichts-Beitrag finden Sie alles Wissenswerte um Tonarme, Additive und die Übersicht, im vorliegenden Test dreht sich alles um den
Clearaudio TT 5
Sind Sie Zahnarzt? Oder kennen zumindest eine Zahnarzthelferin? Das könnte sich unter zwei Bedingungen als nützlich erweisen. Erstens: Sie lesen diesen Test und bestellen den vorgestellten TT 5. Zweitens: Sie haben den Ehrgeiz, alles selber zu justieren.
Clearaudio verantwortet vollumfänglich Bedingung eins. Sie offerieren mit dem TT 5 einen der preiswertesten Tangentialtonarme überhaupt. Neben drei weiteren Schlittenläufern im Programm. Beginnend mit dem ziemlich ultimativen TT 1, der zum hauseigenen „Statement“-Programm gehört und so ziemlich die obere Fahnenstange des überhaupt Machbaren markiert. Für die nächstkleineren TT 2 und TT 3 von „günstiger“ zu sprechen, verbietet die Ehrfurcht vor jedem ehrlich verdienten Euro. Einen TT 4 gibt es aus Ehrfurcht vor fernöstlichen Kunden nicht. Denn in Japan und China, so sagt man, gelte die 4 als Unglückszahl.
Wie auch immer: Ein Tangentialtonarm für heute unter 2.800 Euro (zur Markteinführung vor zehn Jahren unter 2.000 Euro), das ist mal eine Nummer. Die technischen Herausforderungen an die ja theoretisch richtige Maßnahme, eine Schallplatte auch so abzutasten, wie sie bei der Herstellung geschnitten wurde, sind immens. Im Schneidstudio treibt das Signal den Stichel schnurgerade vom Plattenrand Richtung Mittelpunkt vor, also auf einer Radial-Linie. Mal schneller, wenn die Dynamik und Bassintensität breite Rillenauslenkungen erfordert, mal langsamer, wenn zarte Flötentöne säuseln. Die spiralförmige Rille rotiert natürlich immer mit gleicher Geschwindigkeit, der Schneidkopf steht dabei immer im gleichen Winkel zu ihr, der Stichel also immer tangential zur Plattenrille. Die Abweichung des Tangentialschnitts von der Ideallinie beträgt also null Grad.
Bei Radialtonarmen aber beschreibt die Abtastnadel ihrerseits eine Kreis(ausschnitts)Linie über der Scheibe. So schneidet dieser Kreisausschnitt die Ideallinie nur an zwei Punkten; und nur an diesen zwei Punkten steht die Nadel exakt so über der Rille, wie diese geschnitten wurde. Bei allen anderen 666 Malen, die der Bogen bei einer 20minütigen Schallplattenseite den gedachten Radius passiert, tut er dies mit einer gewissen Abweichung vom Ideal, man spricht vom tangentialen Spurfehlwinkel. Diesen verzerrungsträchtigen Fehler zu minimieren, ist eine Wissenschaft für sich. Ganze Glaubenskriege fanden statt und HiFi-Freundschaften zerbrachen an der Frage, nach welcher Schablone man für welche Schallplatten den Winkel optimiert.
Warum ihn also nicht ganz vermeiden? Weil der mechanische und fertigungstechnische Aufwand einen Tangentialtonarm eben teuer macht. Das größte Problem ist die reibungslose Wanderschaft des Tonabnehmers von – meistens – außen nach innen. Die HiFi-Historie kennt Servomotoren, welche den auf gerader Linie über die Platte geführten Arm auf Kurs zwangen. Die zerrten mal über Gebühr an der empfindlichen Nadelmechanik, mal fielen sie aus. Es gab luftkissengelagerte Arme, wo der Lärm des Blasebalgs oder seine Ausfälle jeden Musikgenuss ad absurdum führten. Und es gab und gibt eben Arme, wo die Lagerreibung des Schlittens so geringgehalten wird, dass ihn allein die Trackingkraft der Rille zieht. Die Clearaudio TTs gehören in diese Klasse.
Der Job ist alles andere als trivial. Der Schlitten führt schließlich den kurzen Tonarm samt Abtastsystem. Dieses braucht eine gewisse Auflagekraft und sollte dazu noch auch mit welligen oder eiernden Platten klarkommen. Sprich: ein komplexes System von Massen und Beschleunigungen will mechanisch beherrscht sein.
Um es vorwegzunehmen: Der TT 5 beherrscht den Job. Hier fährt der Schlitten ohne jegliches Gleitmittel auf trockenen Kugellagern über ein glattpoliertes Glasrohr. Der Stummelarm aus Carbon findet Halt in den zwei Halbkreisen einer Doppelschraubenklemme. An seinem einen Ende ist das Headshell zur Aufnahme des Tonabnehmer-Systems, am anderen wird das Gegengewicht zur Justage der Auflagekraft übergestülpt.

Womit wir bei den eingangs aufgeführten Berührungen mit der Dentalmedizin angekommen sind, genauer bei der zweiten Bedingung dazu. Die Justage eines Tonabnehmers im TT 5 erfordert eine extrem ruhige Hand, eine gewisse Übung und viel Geduld. Und ähnlich wie der Zahnklempner oder seine Assistentin im Oberkiefer zuweilen mit Spiegeln und/oder höchst sensiblem Tastsinn herumfuhrwerken müssen, so will der Azimuth am TT 5 optimiert sein. Also der präzise senkrechte Stand der Nadel in der Rille, welcher über die akkurate Ortung und Kanaltrennung entscheidet und durchaus nicht bei jedem Pickup exakt der Senkrechten der Gehäuseoberfläche entspricht. Hierzu gilt es auf engem Raum, blind tastend oder via Spiegel verortet, die Schrauben der erwähnten Klemme mit einem zarten Inbusschlüssel zu lösen und vor allem wieder – Vorsicht, bloß nicht zu fest – zu fixieren. Auch wer einen der vier beiliegenden Stahlzylinder zum Ausbalancieren der Auflagekraft partout mit der Feststellschraube nach unten anbringen will, ist in dieser Disziplin gefordert. Der Autor behalf sich, die Schraube gen Decke zu drehen. Und die eigene Tonarmwaage zu aktivieren, denn eine solche liegt dem TT 5 nicht bei.
Ein ebenfalls eher kleines Vergnügen bedeutet es, nach pingeliger Höheneinstellung des Arms, also der Justage des Vertical Tracking Angle (VTA), anschließend die Tangentiale mit Hilfe der ebenfalls beiliegenden Schablone hinzupfriemeln. Denn hierzu gilt es, die gleiche Klemmschraube im Aluminium-Klemmring der Tonarmbasis zu lösen, die man im korrekten VTA schon fixiert hatte. „Achten Sie dabei bitte darauf, dass die Höhe des Tonarms nicht verstellt wird“ mahnt die im Übrigen vorbildliche Justageanleitung, während man fluchend in der Horizontalen das Rohr Mikrometer um Mikrometer dreht, bis der Spurfehlwinkel über die komplette Plattenseitendistanz Null ist.
Alles dies ist zu leisten, wenngleich nicht alles so leicht wie die dank der eingebauten Wasserwaage präzise horizontale Ausrichtung des Arms. Dennoch sei der ungeschickte oder ungeduldige Zeitgenosse auf das dichte Clearaudio-Händlernetz verwiesen, bei welchem eine präzise Montage zum Lieferservice gehören dürfte. Wir empfehlen zudem dringend die Mit-Anschaffung der Swing Base für 570 Euro, die dann manches erleichtert, aber das Budget weiter fordert.
Das alles ist vergessen, wenn der TT 5 erst einmal ordnungsgemäß läuft, beziehungsweise die Nadel laufen lässt. Der Tester schreibt es ob des Justage-Aufwandes mit einer gewissen Zurückhaltung: Aber in Sachen Abbildungsstabilität, Ortungspräzision und dynamischer Feinarbeit stellt der tangentiale „Einsteiger“-Arm die meisten Radialtonarme seiner Preisklasse schlicht in den Schatten. Auch zwei Spezialprüfungen absolvierte er mit Bravour: Die Plattenfirma Tacet hat eine im Grunde logische, in der Praxis allerdings nur selten verwirklichte Pressweise für bestimmte Produktionen eingeführt: „Playing Backwards“. Zum Beispiel mit Maurice Ravels klassischem Hit „Bolero“, der hier dann „oreloB“ heißt und von innen nach außen läuft. Macht definitiv Sinn, denn der leise Beginn braucht wenig Rillenplatz, während der Radau am Schluss ordentlich Raum braucht, den die Außenrille eben wesentlich großzügiger zur Verfügung stellt. Nebenbei: Wie sehr wünscht sich der Autor und bekennende Genesis-Fan, dass dereinst das Genesis-Meisterwerk „Foxtrot“ mit dem Longtrack „Supper´s Ready“ so geschnitten wiederkehrt…

Wie auch immer: der TT 5 bewältigte den „oreloB“ meisterlich. Natürlich nicht rückwärts, sondern vorwärts gespielt, aber von innen nach außen laufend. Das Niederländische Philharmonische Orchester blühte in voller Pracht auf. Großes Kino.

Zweite Spezialprüfung: Der Autor hat einige Jahre in der Schweiz verbracht und dort den Mundart-Sänger Gölä kennen und mögen gelernt. Seine schönste, leider schon längst vergriffene Platte, hat er in Nashville mit US-Profimusikern gemacht, die eine Auswahl seiner besten Rock-Balladen einspielten. Die Platte gab es auch auf limitierter Doppel-LP. Mit einem Schönheitsfehler: Seite C wurde exzentrisch gepresst. Und deshalb „eiern“ Supersongs wie „We Du Jung Bisch“ oder „Uf U Dervo“ auf den meisten Drehern gottserbärmlich. Mit dem völlig unbeeindruckt hin- und her tanzenden TT 5 klingt das Ganze durchaus manierlich.
Quintessenz Clearaudio TT 5
Kein anderer Arm vermittelt einerseits die Faszination des Tangentialen und zeigt andererseits so prägnant dessen Schattenseiten wie der TT 5: Er ist klanglich super, aber mit starken Einschränkungen im Handling. Vielleicht ist es auch einfach nur eine Frage des Preises: Der größere (und 1.300 Euro teurere) Bruder TT 3 avancierte zum eigentlichen Testsieger des 7er-Vergleichs…
Tonabnehmer-Empfehlung:
Clearaudio Maestro V2 Gold, um 1200 Euro; 8,4 Gramm
Benz Micro Ace H, um 1000 Euro; Top-Empfehlung für High-Output-MC, 8,8 Gramm
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Sehr gut definierter Klang |
| Präzise Raumabbildung |
| Handling gewöhnungsbedürftig |
| Tonabnehmer-Wechsel für Laien nicht zu empfehlen |
Vertrieb:
Clearaudio
Spardorferstraße 150
91054 Erlangen
www.clearaudio.de
Preis (Hersteller-Empfehlung)
Clearaudio TT5: 2.800 Euro
Technische Daten
Clearaudio TT5 | |
---|---|
Konzept: | Tangential-Tonarm Rein mechanischer und passiver Antrieb durch trocken laufende Kugellager in einem kalibrierten und polierten Glasrohr |
Material: | Aluminium |
justierbare Tonabnehmer: | 5,5 g – 15,0 Gramm |
Abmessungen (B x H x T): | 200 × 140 × 140 Millimeter |
Überhang: | 0 mm |
Kröpfungswinkel: | 0° |
Signalkabel: | 1,1 m Super Sixtream konfektioniert mit Cinch |
Gewicht: | 520 Gramm plus Alu-Klemmring (65 Gramm) |
Alle technischen Daten |
Weitere Tonarme des Tests:
- Clearaudio Profiler, um 1.900 Euro
- Clearaudio Tracer, um 2.500 Euro
- Clearaudio Unify 14 Zoll, ab 2.700 Euro
- Clearaudio TT 3, um 4.100 Euro
- Clearaudio Universal, ab 5.500 Euro
- Clearaudio Unity, ab 15.000 Euro
7 Clearaudio-Tonarme im Vergleich: die Übersicht
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