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Test Direct Drive Spitzen-Laufwerk Technics SL-1000R

Die allerbesten Fremdarme bringen im Vergleich zum Technics-Original noch etwas mehr Steifigkeit und Resonanzarmut, etwa weil sie auf eine geklemmte Headshell verzichten, noch großkalibrigere, gerade Rohre tragen und diese auch noch kompromissloser lagern. Die großen SME-Arme gehören zu dieser Kategorie und noch eine Handvoll anderer Spezialisten, und alle lassen sich auf Wunsch auf dem SL-1000R montieren.

Technics SL-1000R maximale Ausbaustufe
Die maximale Ausbaustufe des Technics SL-1000R mit drei Tonarmen – hier einem 9 Zöller (Mitte) und einem 12-Zöller von Ortofon (links) zusätzlich zum Technics Arm (Foto: Technics)

Denn der Spieler trägt an der Standardposition hinten rechts zwar stets den Hausarm, lässt sich aber um bis zu zwei weitere Armbasen ergänzen, die dann links hinten respektive links vorne montiert werden.

Die massiven Alu-Balkone gibt es mit maßgeschneiderten Bohrungen für alle erdenklichen Montagestandards sowie für echte Exoten auch als ungebohrte Blanko-Boards. Die entsprechenden Aufnahmen sind im gefrästen Alu-Oberdeck des Spielers bereits vorhanden und bei Nichtbenutzung mit Blind-Einsätzen perfekt kaschiert. So macht der 1000R als Einarmiger wie als Mehrarm-Bohrinsel stets eine stimmige Figur und lässt manch andere Multiarm-Konstruktion daneben regelrecht gebastelt aussehen.

Der SL-1000R im Hörtest

An den Serienarm montierten wir, was unser Systemfundus an Edlem und Feinem hergab, mussten uns aber zuerst einmal für ein Headshell entscheiden – der Technics kommt ab Werk wie gesagt ohne dieses Bauteil, dafür aber mit einer Reihe Zusatz-Gegengewichte, um wirklich jede System-Headshell-Kombination sauber ausbalancieren zu können.

Schließlich rangieren Headshells von wenigen Gramm leichten Kohlefaser- oder Holzkonstruktionen bis hin zu mächtigen, unzenschweren Frästeilen – weshalb es auch nicht möglich ist, eine effektive Masse für den Arm anzugeben. Wie entschieden uns pragmatisch für den Mittelweg, nämlich mehrere Exemplare des sehr steifen, im Azimuth verstellbaren Ortofon SH-4000.

Headshell von Ortofon
Weil dieses Bauteil in jedem Fall noch gekauft werden muss: Dsa SH4 Headshell von Ortofon war die erste Wahl bei unseren Hörtests (Foto: Ortofon)

Als Tonabnehmer versuchten wir ein Ortofon Cadenza Black, die beiden Lyra-Geschwister Delos und Kleos, ein Audio-Technica VM-740ML als High-End-Magnetsystem, sowie als noch etwas unbekannteren Special Guest ein Jico Seto-Hori.

Vorweg: selbst das Kleos lässt sich mit dem Technics-Arm absolut adäquat betreiben. Intensive Klangfarben, liebevolle Detailauflösung und ein lupenreiner Abbildungs-Fokus sind der Lohn für die 3.000-Euro-Investition am vordersten Ende des Arms. Zum halben Preis – und damit den halben Kosten pro Betriebsstunde, denn Systeme sind nun mal Verschleißteile – kommt man aber auch schon verblüffend weit: Das Lyra Delos fühlte sich an dem Technics-Arm auf Anhieb so hörbar wohl, dass man gar nicht mehr groß feinjustieren, sondern einfach nur noch eine Platte nach der anderen auflegen wollte.

Einen Hauch weicher und ungenauer in den Konturen, klangfarblich gegenüber dem intensiven Kleos minimal gedimmt, musizierte auch das Delos enorm kompetent und universell, schien sich auf schwierige Platten, etwa den hochdynamischen Chorwerken auf  Forgotten Peoples von Veljo Tormis (ECM New Series) geradezu lustvoll zu stürzen und segelte durch dichteste Tutti ohne eine Spur von Unsicherheit.

Lyra Delos
Das Lyra Delos ist trotz seines vergleichsweise günstigen Preises von 1.260 Euro eine Top-Empfehlung für den SL-1000R (Foto: B. Rietschel)

Noch emotionaler musizierte nur das Jico Seto-Hori, ein High-Output-MC mit Keramikgehäuse und Holz-Montageplatte, das sich der japanische Nadelproduzent Jico offenbar selbst zum Jubiläum schenkte. Es ist nicht an jeder Ecke zu bekommen und mit seinen 2 mV Ausgangsspannung auch manchmal etwas ungeschickt ausgelegt, nämlich am MM-Eingang recht leise und am MC sehr laut.

Wer sich jedoch die Mühe der Beschaffung und richtigen Anpassung macht, wird von einem wunderbar musikalischen, intensiven und feinst artikulierten Klang überascht, der den Preis des Systems (um die 1.000 Euro) schon fast wie ein Sonderangebot erscheinen lässt: Fast Koetsu-artige Eleganz trifft hier auf souveräne Abtastfähigkeit und anspringende Dynamik.

Wenn verschiedene Systeme so schlafwandlerisch sicher, sauber und stimmig spielen, ist das ein klares Indiz, dass sie auf einem Weltklasse-Spieler arbeiten. Denn die Grundlage der eindrucksvollen Performance schafft selbstverständlich der Technics SL-1000R. Die Stabilität, die er dem Klang gibt, ist erstaunlich: Man muss sie live erlebt haben, um überhaupt an ihre Existenz zu glauben.

Und hat man sie einmal gehört – das verwendete System spielt dabei ebensowenig eine Rolle wie der Rest der Anlage –, entdeckt man eine neue, unerwartete Laufwerks-Eigenschaft, nach der es sich zu suchen lohnt. Eine fundamentale Ruhe, ein gravitätisches Gleiten, das in Kombination mit der enormen Dynamik, welche der SL-1000R ermöglicht, weniger an Vinyl, sondern mehr an analoges Tonband erinnert – also das Medium, aus dem jede Vinylplatte mit Ausnahme einiger weniger Direktschnitte ursprünglich hervorgeht.

Um wirklich restlos zu begeistern, braucht der Technics vorbildlich wenig Ein- und Aufstell-Zuwendung: Horizontal sollte er natürlich schon stehen, auf einem Tisch, welcher der mächtigen Masse des Spielers gewachsen ist – wir verwendeten ein aus deutschem Massiv-Hartholz geschreinertes Lowboard von Tabula Rasa, welches den japanischen Zentner bis zum jüngsten Tag tragen dürfte, ohne irgendwann würdelos durchzuhängen, wie das MDF-Möbel gerne tun.

Im Gegensatz zu den Phonokabeln, wo das große in-akustik (siehe weiter unten) merklich mehr Transparenz brachte, erwiesen sich Designer-Netzkabel als wirkungslos: Das externe Netzteil ist intern so aufwendig entkoppelt und stabilisiert, dass man es getrost über das Beipack-Lakritz versorgen kann. Viel wichtiger war es, einen aufmerksamen Blick in die Bedienungsanleitung zu werfen.

Laufwerk mit Netzteil
Das Drehmoment stellt man am potenten Netzteil ein. Dass hier so viel Klang-Potenzial schlummert, haben einige Test-Kollegen glatt übersehen… (Foto: Technics)

Dort findet sich nach der Einstellung der Displayhelligkeit als allerletzter Punkt noch „Adjusting the torque to rotate the turntable at a constant speed“: der etwas kryptisch übersetzte Hinweis, dass man mit den Tasten an der Motorsteuerung nicht nur die Drehzahl, sondern – per Doppeltasten-Kombi – auch das Drehmoment anpassen kann. Und damit ändert sich in fünf Stufen eben nicht nur die für HiFi-Zwecke völlig sekundäre Hochlaufzeit, sondern auch der Klang.

Nach anfänglich noch etwas steif und gebremst wirkendem Musizieren brachte das Herunterschalten auf die zweitkleinste Torque-Stufe den Spieler wahrhaftig zum Singen und Swingen. Rätselhaft bleibt, warum die Japaner den Spieler in Vollgas-Einstellung ausliefern.

Vielleicht, weil er dann messtechnisch noch etwas stabiler läuft? Wer mit dem SL-1000R eine Klavierplatte hört, weiß auch ohne Messequipment sofort: selbst in Stufe 1 muss der Gleichlauf absolut sensationell sein. Anders lassen sich so felsenfest ausklingende Akkorde nicht erzielen. Das einzige, was sich hier bewegt, sind die feinen Schwebungen zwischen den Tönen.

Technics SL-1000R: das Fazit

Der Technics lässt die Platte als Tonträger also weitgehend verschwinden und ermöglicht dem Hörer einen Blick stromaufwärts. Nur wenige Spieler können das annähernd so gut wie der 1000R, und fast keiner kann es besser.

Das „Fast“ schafft Platz für Wahnsinnskonstruktionen wie den Transcription Reference von L‘Art du Son (der feindynamisch noch bewegter klingt) sowie eine Handvoll Masselaufwerke aus Deutschland, Japan und den USA, die unterm Strich aber auch eher teurer sind als der Technics.

Dem trotz des zunächst erschreckenden Preises mithin etwas Unerwartetes gelungen ist: Unter jenen raren Laufwerken, an denen man eigentlich nichts mehr verbessern kann oder will, tatsächlich das kostengünstigste zu sein.

SL-1000R beim Autor
Der Technics SL-1000R beim Autor auf dem Sideboard. Tatsächlich ist der SL-1000R optisch etwas unscheinbar (Foto: B. Rietschel)

Daran ändert auch der Umstand wenig, dass man neben der Headshell auch das Phonokabel erst noch zukaufen muss. Die Verkabelung übernahm In-Akustik: Die Schwarzwälder hatten für eine andere Geschichte zufällig gerade perfekt passende Muster ihrer hauseigenen Phonokabel geschickt, und so konnte der Tester ganz entspannt sein Lieblingskabel heraushören.

Wenig überraschend, dass das teuerste Kabel dann auch mit Abstand am Offensten, Dynamischsten und Musikalischsten klang: Das dicke Referenz Phono 2404 Air kostet in der passenden Konfektionierung (gerader SME-Stecker auf der Spielerseite, zweimal Cinch auf der anderen) rund 1.000 Euro, was bei billigeren Spielern absurd wäre, an dem 16.000-Euro-Technicsboliden aber perfekt passt.

Mit Arm, klanglich kompromisslosem Tonabnehmer, Abdeckhaube (serienmäßig!), Headshell und Kabel bleibt man damit immer noch unter 20.000 Euro. Wenn man schon so viel für HiFi ausgibt, erscheint der Technics unter allen Optionen tatsächlich als eine der vernünftigsten und nachhaltigsten.

Technics SL-1000R
2019/01
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Mitreißend natürliches Klangbild
Überzeugende Ausbaumöglichkeiten
Überragend gute Verarbeitung
Extrem schnelle Hochlaufzeit

Vertrieb:
Technics
Winsbergring 15
22525 Hamburg
www.technics.com

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Technics SL-1000R: ab 16.000 Euro

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Autor: Bernhard Rietschel

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Bernhard Rietschel ist gelebte HiFi-Kompetenz. Sein Urteil zu allen Geräten ist geprägt von enormer Kenntnis, doch beim Analogen macht ihm erst recht niemand etwas vor: mehr Analog-Laufwerke, Tonarme und Tonabnehmer hat keiner gehört.