HiFi-Freunde kennen die überragenden Elektronik-Komponenten von Naim Audio. Die Briten setzten lange Zeit im audiophilen Transistor-Highend Maßstäbe – und ebenfalls im Bereich des hochklassigen und leicht zu bedienenden Streaming. Und man kennt Focal. Auch die Franzosen liegen technisch und akustisch seit Jahrzehnten immer vorn. Dass beide seit 2011 schon unter einem Dach sind, war eigentlich nebensächlich. Bis jetzt. Denn mit der Focal Diva Utopia erobert das erste Produkt den Markt, das von beiden Kultmarken gleichermaßen befeuert wird: das Beste aus beiden Welten quasi. Und wohlwissend, über welche Fähigkeiten Focal und Naim verfügen, waren wir über das Ergebnis doch überrascht. Und zwar über die Maßen positiv.

Ihren ersten Auftritt hatte die Diva Utopia auf der LowBeats Messe in Darmstadt – also quasi in unserem Vorzimmer. Und weil die Premiere auch noch so überzeugend ausfiel, war auch der Test längst überfällig…
Focal Diva Utopia: was ist besonders?
Eigentlich alles. Das Rad haben die Macher der französisch-britischen Kooperation hier zwar hier nicht komplett neu erfunden, denn die Diva Utopia ist nüchtern betrachtet ein weiterer, digital-aktiver Lautsprecher mit Netzwerk-Funktionalität und Streaming-Fähigkeit. Aber die meisten Vertreter dieser Art sind weit günstiger. Und bei der Diva Utopia ist – gleich wo man hinschaut – alles ein bisschen edler, eleganter, besser…
Allein über das Gehäuse könnte man ganze Abhandlungen schreiben. Fünf Jahre, so heißt es bei Focal/Naim, habe das Projekt Diva Utopia vom ersten Entwurf bis hin zum serienreifen Objekt gedauert. Einen stattlichen Anteil dieser Zeit dürfte dabei das Gehäuse in Anspruch genommen haben. Denn anders als von Focal gewohnt, kommt hier kein MDF zum Einsatz, sondern ein robuster Kunststoff, ein – wie es bei den Franzosen heißt: „Polymer mit hoher Dichte und strukturellen Verstärkungen.“ Wir haben uns erlaubt, mal einen Blick hinter die Filz-Ummantelung zu werfen:

Unterschiedliche Stärken und verschiedene Einlassungen und Aussparungen, optimiert durch lange Finite-Elemente-Forschungsreihen, brachten ein hörbar gutes Ergebnis. Klopft man drauf, wird schnell erkennbar, dass hier viel Gehirnschmalz investiert wurde.
Das Bild zeigt die Diva Utopia von der Seite, wo jeweils zwei Tieftöner (Durchmesser: 16,5 Zentimeter) arbeiten. Da auf der gegenüberliegenden Seite das gleiche Set eingebaut ist, spricht man von einer Push-/Push-Anordnung, bei der sich viele Unlinearitäten von vornherein gegenseitig auslöschen. In der Regel ist dies die einfachste und überzeugendste Form, einen sauberen Tiefton zu erzeugen. Und man kann so – weil die Bässe auf der Seite sitzen – viel schwingende Bassfläche in einem schlanken Gehäuse unterbringen. Alle vier Tieftöner arbeiten auf eine Bassreflex-Konstruktion, die genauso schön wie edel im Fuß mündet. Der Fuß ist aus Aluminium (also sehr fest) und lässt die Diva Utopia scheinbar „schweben“. Das ist sehr schick.

Ein weiterer, ziemlich cleverer Punkt: Der Polymer-Korpus ist mit einer zweiteiligen Ummantelung aus OEKO-TEX zertifiziertem, abnehmbarem Filz bespannt. Das Testmuster kam in edlem Grau. Zukünftig soll es noch weitere Farbvarianten – allerdings gegen erklecklichen Preisaufschlag – geben. Das ist die optische Seite, es gibt aber auch noch eine akustische, die womöglich wichtiger ist: Erstens entstehen am Gehäuse keine Reflexionen und zweitens wird das Kunststoff-gehäuse noch einmal wirksam bedämpft – in gewisser Weise genial.

So besonders und anders sich die Diva Utopia in vielen Bereichen gibt, in einem Punkt aber bleibt sie eindeutig Teil der Utopia-Familie: die charakteristische Zweiteilung des Gehäuses. Allerdings nur optisch. Denn das Kunststoffgehäuse ist durchgehend…

Treiber und Elektronik
Die meisten Leser werden es wissen: Es gehört zum Selbstverständnis von Focal, dass die der Franzosen ihre Treiber allesamt „in house“ erstellen. Das gilt auch für die berühmte Beryllium-Kalotte, deren Herstellung wegen der hohen Gefährlichkeit des Materials unter allerhöchsten Reinraum-Sicherheitsauflagen im Stammwerk entsteht. Genauso charakteristisch sind aber auch die gräulichen, hochdämpfenden Membranen der vier 16,6-Zentimeter-Bässe und des gleichgroßen Tiefmitteltöners.

Den gesamten Elektronikblock steuert – natürlich – Naim bei. Gemeinhin stößt man bei Aktiv-Boxen auf Digitalendstufen. Aber das ginge den Naim-Ingenieuren dann doch gegen die Ehre. Nimmt man die metallene Rückseite ab (die gleichzeitig als riesiger Kühlkörper fungiert), finden sich drei Class-A/B-Endstufen mit insgesamt 400 Watt: 250 Watt stehen für den Bass und jeweils 75 Watt für Mittel- und Hochton.

Und Naim fing ja für die Diva Utopia nicht bei null an: Die sogenannte „Pulse Plattform“, mit der auch die Uniti- und Muso-Modelle ja so wunderbar performen, wurde von den Naim-Entwicklern exakt auf die Anforderungen Diva Utopia abgestimmt.
Praxis:
Analoge Endstufentechnik hin oder her: intern wird alles zunächst digitalisiert, sonst würden die aktiven (digitalen) Frequenzweichen und die gesamten Klang-Processing-Vorgänge ja nicht funktionieren. Die „Pulse Plattform“ nimmt digitale Audiosignale bis hin zu PCM bis 24Bit/384kHz und DSD64 sowie128 an. Allerdings werden intern maximal 192 kHz Samplingrate verarbeitet.
Diva Utopia ist als Master-/Client-System konzipiert. Das heißt: Ein Lautsprecher (der Master) hat alle relevanten Anschlüsse, während der zweite „Client“ nur im Zusammenspiel mit dem Master spielt. Idealerweise verbindet man den sekundären Lautsprecher mittels RJ45-Kabel. Die Verbindung zwischen den beiden Boxen lässt sich aber auch elegant-drahtlos bewerkstelligen. Dafür nutzt Naim die Ultra-Wideband-Funktechnologie (UWB), die zwar eine recht hohe Bandbreite, aber nur wenige Meter Reichweite hat. Nun denn, wir wollen die Focal Diva Utopia ja schließlich nicht meilenweilt auseinanderstellen: Es sind klassischen Stereo-Lautsprecher. Kleine Einschränkung: Bei der UWB-Verbindung ist die maximale Samplingrate auf 96 kHz begrenzt. Aber bitte schön: Das ist immer noch HiRes…

Für lokale, kabelgebundene Quellen gibt es an der Rückseite unterschiedliche Anschlüsse: HDMI eARC/CEC, TOSLINK, RCA/Cinch analog, Type A USB 2.0 und RJ45 Ethernet für die kabelgebundene Netzwerk-Verbindung. Da das Diva-Utopia-System auf den Einsatz eines externen Hubs zum Anschluss von Quellen verzichtet, müssen Kabel bei diesem Konzept allerdings stets von der Quelle bis zum Master-Lautsprecher verlegt werden. Ein Nachteil, den sich die Diva Utopia mit technologisch ähnlichen LS-Wireless-Speakern teilen.
Aber es gibt auch noch die kabellosen Lösungen: Die Diva Utopia ist offen für AirPlay 2, Google Cast, UPnP und Bluetooth (AAC, aptX Adaptive) für Direktverbindungen mit Smartphone & Co. Und weil sich die Lautsprecher natürlich auch per WLAN verbinden (Wi-Fi 6) können, würden – falls keine kabelgebundenen Quellen angeschlossen sind – jede Diva Utopia lediglich mit nur einem Stromkabel verbunden sein. Und das ist eine schöne Aussicht nur für die Diva Utopia: Die Lautsprecher stehen im Raum, und es sind keine Kabel zu sehen. Die Musik kommt per WLAN aus dem Netzwerk und – vielleicht – von einem hübschen und hochklassigen Plattenspieler, der seine Musik per Bluetooth verschickt. Für diese Vision fehlt mir nur noch das Spitzen-Laufwerk mit Super-Bluetooth-Übertragung…
Dank Naims Streaming-Plattform bieten die Diva Utopia Zugriff auf alle relevanten Musikdienste wie Spotify Connect, TIDAL Connect, QQ Music via QPlay, sowie Qobuz Connect, Internetradio und Podcasts. Auch Multiroom-Funktionalität wird geboten. Zählt man alles zusammen, lassen sich bis zu 32 Focal und Naim Streaming-Devices gemeinsam steuern. Leider ist Roon noch nicht dabei. Aber was nicht ist, kann ja noch werden…
Für die Steuerung des Systems kann man die schicke, leider Aufpreis-pflichtige, Funk-Fernbedienung verwenden. Aber es gibt natürlich auch die bewährte Focal Naim App.

In der App gibt es eine Vor-Einstellung für die Positionierung der beiden Divas sowie einen fünfbändigen Equalizer.

Bei größeren Problemen im Raum bietet das System auch eine vollautomatische Einmessung auf den jeweiligen Positionen im Raum. Dafür braucht der User einen PC und ein geeignetes Mikro. Oder er überlässt das Ganze einfach dem Händler…
Im LowBeats Hörraum war diese Voll-Einmessung nicht notwendig. Mit der Positions-Voreinstellung sowie mit minimalen Korrekturen am Fünfband-EQ klang die Diva Utopia überragend gut. Aber sie stand auch quasi ideal. Doch auch bei Versuchen mit Eckaufstellung tönte das smarte Kooperations-Projekt absolut überzeugend.

Was fehlt noch? Die von LowBeats gemessenen Hardfacts, also die Verzerrungswerte und die Pegelfestigkeit. Man muss sich ja vor Augen halten, dass die Diva Utopia ein aktiv-entzerrter Schallwandler ist, den die Focal-Akustiker auf stattliche 27 Hertz (-3dB) Tiefgang getrimmt haben. Das ist für vier – vergleichsweise kleine Tieftöner – ziemlich viel. Umso erfreulicher, dass die Diva Utopia dennoch einen so hohen Schalldruck produzieren kann.
107 Dezibel an den Mess-Widerständen sind eine Menge. Denn gemessen werden ja immer nur einzelne Lautsprecher mit Mess-Signalen. Im Stereo-Set und mit Musik kommen die hübschen Französinnen sogar auf 119 Dezibel. Wir haben mit den Focals lange gehört – mit wachsender Freude und wachsendem Pegel, was auf ihre hohe Verzerrungsarmut hinweist.
Hörtest
Die erste Takte Musik zeigen: Die Diva Utopia kann und will ihre Herkunft nicht verschweigen: Wie auch die anderen Focal-Modelle ist der obere Bass/Grundtonbereich eher etwas wärmer, denn knackig-sauber abgestimmt. Das macht aber nichts: Der Schuss Wärme unterstreicht den sympathischen Charakter der Französin und trotzdem bleibt viel satt-sauberer Bass mit gutem Durchzug. Das kürzlich remasterte Erst-Album von Ideal mit gleichem Namen bekam durch das Remastering einen derartigen Zusatz-Schub an Energie, dass es den Zuhörer fast überfährt – wenn der Lautsprecher mitmacht. Schon mit diesem Klassiker aus den frühen 1980er-Jahren (den ich als 24-Bit/96 kHz HiRes-Stream von Qobuz zuspielte) hatte mich die Diva Utopia: Einfach super, wie sie die Bassläufe in den Raum drückte, wie energisch sie die Snaredrum und Hi-Hat knallen ließ. Ein großer Spaß!

Vor allem aber gelang der Französin, die Stimme von Sängerin Anette Humpe zwischen all diesen, doch sehr lebhaft gespielten Instrumenten, so klar und fein herauszuarbeiten. Das ist eine Kunst, denn die Aufnahme war damals sicher nicht in erster Linie audiophil ausgelegt.
Aber schon dieses Beispiel zeigt, was die Diva Utopia meiner Meinung nach schlicht fantastisch macht: Sie bietet eine so transparent-unaufgeregte Feinauflösung im Mittelhochtonbereich, wie es nur die allerbesten Schallwandler beherrschen. Dominic Miller Cover von Stings „Shape Of My Heart“, unterstützt unter anderem von Ausnahme-Drummer Manu Katché, bekam mit der Focal eine ungewöhnlich plastische, duftig-feine Note: all diese Obertöne von Gitarre, Bass und dem vielseitigen Schlagwerk… Hier offenbart die Beryllium-Hochtonkalotte von Focal, was sie womöglich besser kann als viele Konkurrenz-Modelle am Markt. Und in Verbindung mit der überlegenen Naim-Elektronik und dem weitestgehend Reflektions-freien Gehäuse kommt dann diese tief wie auch hoch in der Raum projizierte, verzerrungsarme Darstellung heraus. Ich habe während der Testphase viele Besucher hören lassen: kritische Worte fand niemand, lobende Worte alle.
Und das liegt – wie gesagt – an dieser feinen Transparenz, die man eher von Quad-Elektrostaten oder „Maggie“ (Magnepan)-Bändchen erwarten würde. Und doch ist die Diva Utopia kein zart besaiteter Lautsprecher, dem man nur Singersong-Writer und Chöre zumuten darf. Eher im Gegenteil: Metallica Infected Mushroom oder Underworld gehören zwingend auf den Speiseplan, wenn man die finstere Seite dieses Lautsprechers ausloten will. Denn seine aktive Entzerrung sorgt im Bass für ein fundamentales Erlebnis. Bei „Hilo Sky“, ein Stück vom letzten Underworld Album Strawberry Hotel, wuchteten die Divas die Elektro-Bässe so unverblümt in den Hörraum und die Mägen der Anwesenden, dass unsere Passiv-Referenzen, angetrieben immerhin von den großen Canor Röhren-Monos, da fast schon ein bisschen blass aussahen…
Fazit Focal Naim Diva Utopia
Die Focal Diva Utopia ist ein außergewöhnlicher Smartspeaker und allein der Umstand, dass der „Praxis“-Abschnitt so lang geriet, zeigt seine weitgehenden Möglichkeiten. Trotzdem hatten wir selten ein so erfreulich einfach zu bedienbares System im Hörraum, das am Ende des Tages auch so gut klingt. Wie gut? Nun, es ist der mit Abstand bestklingende Streaming-Speaker, den ich kenne.
Aber ich will die Diva Utopia nicht in die Ecke für abgehobene Schönlings-Modernspeaker rücken. Der erste Aktiv-Lautsprecher der beiden ikonischen Marken Naim Audio und Focal hat in meinen Augen so gut wie keine Schwächen und ist bei Licht besehen sogar das beste Focal-Modell, das ich je gehört habe – die großen Flaggschiffe inklusive.
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
| Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| | Druckvoll tiefreichender Bass mit extrem feinem Mittelhochton |
| | Erfreulich leichte Einrichtung und Bedienung |
| | Superbe Verarbeitung |
| | Hoher Maximalpegel (kurzfristig 119 dB) |
Vertrieb:
Focal Naim Deutschland GmbH
Hainbuchenweg 14–18
21224 Rosengarten
www.focal-naim.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Focal Diva Utopia: 35.000 Euro
Technische Daten
| FOCAL NAIM DIVA UTOPIA | |
|---|---|
| Konzept | Vollaktive Streaming-Standbox mit vielen Quellenoptionen. Unterstützt AirPlay 2, Google Cast, UPnP, Bluetooth 5.3 |
| Ausstattung: | 1 x Beryllium-Hochtöner mit M-Sicke, 1 x Tief-/Mitteltöner 16,5 cm mit W-Membran, 4 x 16,5 cm Bässe, 400 Watt Verstärkerleistung pro Box; Spotify Connect, Tidal Connect, Qobuz, QQ Music, Internetradio, Podcast |
| Max.-Pegel (Dauer / kurzfristig): | 107 / 119 Dezibel |
| Besonderheiten: | Gehäuse aus hochverdichtetem Polymer, Seitenteile mit Filz beschichtet und abnehmbar, Fernbedienung (Aufpreis) |
| Eingänge/Ausgänge: | HDMI ARC, Koax, Toslink, analog Cinch, Wireless oder drahtgebundenes Netzwerk, Bluetooth |
| Maße (H x B x T): | 121,2 x 42,0 x 56,2 cm |
| Gewicht: | 64,2 Kilo |
| Alle technischen Daten | |
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