Der Gauder‘ sche Steilfilter-Ansatz ist der komplette Gegensatzentwurf zu den häufig so gern als „audiophil“ apostrophierten, flachen 6-dB-Weichen. Wer die Zeit hat, kann sich den Spaß machen und den Doktor der Physik beiläufig auf das Thema 6-dB-Weichen ansprechen. Es ist sein Lieblingsthema und der kommende Vortrag wird sicher etwas länger ausfallen: Selbst im Schlaf könnte er noch Kurven und Formeln an die Tafel malen, die beweisen, dass 6-dB-Filter eben nicht funktionieren…
Der Blick auf die Weiche der Arcona MK II zeigt eine Besonderheit, mit der die kleinste Standbox des Programms etwas aus dem Rahmen fällt: Sie hat keinen Hochpass, der den meisten Gauder Modellen etwas mehr Tiefbass und eine etwas höhere Betriebssicherheit schenkt. Ich bin kein Freund dieser Hochpässe. Ihre Vorzüge sind unbestritten, aber klanglich haben zusätzliche Filter halt keine Vorteile. Und vielleicht klingt die Arcona MK II auch deshalb so gut, weil sie auf die Filter verzichten darf…?
Praxis & Messwerte
Aber wie viele andere Gauder Modelle hat auch die grazile Arcona eine Bass-Extension. Durch das Einstecken der vergoldeten Brücke wird der Bass unterhalb 70 Hertz dezent angehoben.
Aber ganz ehrlich: Das ist nur etwas für Leute, die entweder a.) gern etwas molliger hören, b.) ganz leise hören oder c.) die Gauder Akustik Arcona 60 MK II in einem eigentlich zu großen Hörraum spielen wollen. Ohne eingesetzte Brücke klingt es flüssiger, präziser, richtiger. Die maximale Raumgröße dürfte bei etwa 25 Quadratmetern liegen. Kleiner darf es aber ruhig sein.
Zur Aufstellung: Die kleine Gauder Standbox wirkt zwar nett und wohnzimmerfreundlich, gerade so, als lade sie zur Aufstellung direkt an der Rückwand ein. Aber das kann ich nicht empfehlen. Wie eigentlich alle Gauder Standboxen braucht sie einen Abstand von mindestens 30 Zentimetern – auch, weil sich dann die Räumlichkeit noch einmal viel besser entfaltet.
Zur Aufstellung gibt es einen zweiten Tipp: Die hier gezeigte, wirklich gut gemachte Fußkonstruktion ist leider nicht im Lieferumfang enthalten, sondern kostet 400 Euro extra. Nicht über den Sinn oder Unsinn nachdenken: einfach mitordern. Es lohnt sich.
Nun habe ich schon die ganze Zeit die Gauder als so nett und wohnzimmerfreundlich beschrieben, dass sich die Frage stellen muss: Kann so ein graziler Lautsprecher überhaupt Pegel? Ja, er kann. Und zwar deutlich mehr, als ich der Arcona 60 MK II zugetraut hätte – wie unsere Messungen belegen
Bei den Messungen zur Zimmer-Lautstärke (grüne Kurve, 94 dB, 1 Meter Mikro-Abstand) zeigt sie kaum Verzerrungen. Mit +4 dB steigen die Verzerrungen fast linear an. Auffällig ist der Peak bei 80 Hertz, der den Maximalpegel deutlich begrenzt, aber mit ausgeschalteter Bass-Extension flacher verläuft. Ohne Bass-Extension kommt die kleine Gauder mit noch vertretbaren Verzerrungen auf knapp 110 dB. Das ist eine Menge für eine Box dieser Größe.
Besonders wichtig für eine gut passende Kombination mit einem Verstärker ist der Impedanz- und Phasenverlauf. Diesbezüglich hat mich die Gauder Akustik Arcona MK II vielleicht am meisten überrascht: beides völlig problemlos für den angeschlossenen Amp. Die Impedanz liegt immer oberhalb der 4-Ohm-Marke, doch vor allem der Phasenverlauf ist vorbildlich – womöglich ein Ergebnis der aufwändigen Filterung?
Und was ebenfalls überrascht: Selbst bei eingeschalteter Bass-Extension verändern sich Impedanz- und Phasengang nicht. Wie machen Sie das, Herr Gauder? „Verrate ich nicht“, schallte es mir fröhlich entgegen. Schade. Aber ich kann mich auch ohne das Wissen um das „Wie“ am Ergebnis freuen.
Wie üblich versuchten wir die kleine Gauder an einer Vielzahl von Verstärkern. Aber mit ihr – und das ist selten – klangen alle auf ihre Art gut. So wurde sie zum Haupttest-Lautsprecher in einem interessanten Verstärkertestfeld rund um den Mitte Mai erscheinenden Yamaha A-S 3200, hier rechts im Bild. Vor allem die feindynamischen Unterschiede der Amps machte sie transparenter als jeder andere Passiv-Lautsprecher, den wir gerade in der Redaktion haben.
Aus der Runde klangen der Cambridge Edge A und der Yamaha A-S 3200 am besten mit der Arcona 60 MK II. Aufnehmen in diese Empfehlungsliste möchte ich noch den Hybrid-Verstärker Canor AI 2.10 (3.500 Euro) der ebenfalls so wunderbar leichtfüßig klingt, aber die Redaktion schon wieder verlassen musste und so nicht mehr aufs Bild kam.
Hörtest Gauder Akustik Arcona 60 MK II
Ein Stichwort ist schon gefallen: Feindynamik. Die Gauder hat eine unglaubliche Mühelosigkeit, selbst komplexe Klang-Passagen sauberst und aufs Feinste herausgeschält darzustellen. Das von uns so gern zum Testen verwendete „Miss Teardrop“ von Felix Laband stellte sie so unglaublich plastisch und vielschichtig in den Raum, als könne man die einzelnen Töne greifen.
Dem Tontechniker gelang es auf dieser Stereo-Aufnahme, Schallereignisse seitlich auf die Höhe des Hörplatzes zu platzieren – das funktioniert normalerweise nur mit Q-Sound Aufnahmen. Die Gauder projizierte diese Aufnahme verblüffend dreidimensional. Selbst unsere langjährige Kompaktboxen-Referenz dieser Klasse (und Meisterin in räumlicher Darstellung), die Dynaudio Contour 20, konnte das lange nicht so gut.
Ich war in den letzten Jahren nicht immer zufrieden mit der räumlichen Abbildung von Gauder Lautsprechern; nicht selten hing das Klangbild zu stark an den Gehäusen. Ganz anders die Arconas: Sie zaubern ein völlig losgelöstes Klangbild von beeindruckender Tiefe und Breite. Und bei entsprechenden Aufnahmen sogar eine verblüffende Front-Projektion.
Meistens versteht man unter dem Begriff „Neutralität“ eher etwas Steriles, wenig Herzhaftes. Auch hier belehrt uns die kleine Gauder eines Besseren. Sie klingt ungemein neutral und „echt“, aber im gleichen Maße warm, voll und klangfarbenstark. Das liegt natürlich auch am Bass, der trotz der geringen Größe erstaunlich satt und habhaft daherkommt – selbst ohne Bass-Extension. Schaltet man diese ein, wird der Tiefton etwas zu mächtig, der Klang wirkt minimal gehemmter.
Doch darüber hinaus fand ich einfach nichts zu bekritteln, sondern nur zu loben. Vor allem die traumhafte homogene und gleichzeitig blitzsaubere Auflösung. Die Gauder Akustik Arcona MK II ist der klassische „hochauflösende“ Schallwandler, der aber im Gegensatz zu den meisten so titulierten Lautsprechern niemals lästig oder scharf wirkt. Ihre Spielweise hat etwas ungewöhnlich Natürliches. Die Stimme von Courtney Barnett kommt mit der Gauder so facettenreich und lebensecht, als säße Frau Barnett, Gitarre in der Hand, direkt vorm Hörplatz.
Meine beiden anderen Favoriten dieser Klasse, die Q Acoustics C500 und die KEF R11 haben sicherlich mehr Pegelreserven und die größeren Dynamik-Möglichkeiten. Aber in Bezug auf den Feinsinn im gesamten Mittelhochtonbereich sowie auf die Präzision in der Darstellung – also auch bei der so treffsicheren Stimmwiedergabe von Courtney Barnett – tun auch sie sich gegen die Gauder ganz schön schwer…
Fazit
Die Gauder Akustik Arcona MK II versteckt hinter ihrem makellos adretten Äußeren eine hoch audiophile Konstruktion mit einer außergewöhnlich guten Auflösung und exzellenter Feindynamik. Hinzu kommt ein erstaunlich tiefer und fester Bass. Und nicht nur das: Technisch ist sie so erfreulich anspruchslos, dass kein Verstärker überfordert sein dürfte.
Die Arcona MK II ist ein Inbegriff dessen, was deutsches High End in dieser Klasse leisten kann: überlegenes Engineering und herausragend guter Klang. Meine These: Wer nicht in zu großen Räumen übermäßig laut hören möchte, ist mit diesem Ausnahme-Lautsprecher bestens bedient. Also über 90% der HiFi-Freunde.
Bewertungen
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Genial transparenter, sehr natürlicher Klang |
| Erstaunlich tiefer Bass, sehr plastische Raumdarstellung |
| Exzellente Verarbeitung, dezente Optik mit Tropfenform |
| Die stabile Fußkonstruktion kostet extra |
Vertrieb:
Gauder Akustik
Steinbeisstraße 24 – 26
Renningen
www.gauderakustik.com
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Gauder Arcona MKII: 4.000 Euro
In HG Schwarz oder Weiß erhältlich
Fuß-Konstruktion: 400 Euro
Mit- und Gegenspieler:
Test Vollverstärker Canor AI 2.10: volle Kraft mit Röhre
Test Atoll IN 400 SE: bester Vollverstärker unter 5.000 Euro?‘
Test Dynaudio Contour 20: Absolute Natürlichkeit
Test Q Acoustics C 500 – beste Standbox unter 5.000 Euro
Test Standbox KEF R11 – ganz nah an der Reference