Aktivboxen gibt es viele, doch die von Backes & Müller spielen immer in einer eigenen Klasse: Deren Kombination aus über Jahrzehnte perfektionierter Endstufentechnik plus Membranregelung plus perfekt Phasen-kohärenter Wiedergabe (selbst bei extremen EQ-Einstellungen) setzt immer noch Maßstäbe. Seit geraumer Zeit legt der Saarbrücker Traditionshersteller nun auch noch die Linienstrahler-Idee obendrauf. Mit ihr wird der Schall in einer Art Zylinderwelle abgestrahlt und weist wenig Decken- und Boden-Reflektionen auf. Aber für einen Linienstrahler braucht es möglichst viele Treiber, die „auf Linie“ übereinandersitzen. Bleibt die Frage: Funktioniert das Prinzip also auch in einer Kompaktbox wie der Backes & Müller Jubilé iO? Nach einigen Wochen der Tests können wir sagen: uneingeschränkt ja.
In gewisser Weise haben sich die Leute bei Backes ja neu erfunden. Die von Firmenchef und -Mastermind Johannes Siegler noch einmal neu überarbeitete, legendäre B&M-Membranregelung und dessen zeitrichtige Filtertechnik wird auch von jenen Musikfreunden gewürdigt, denen die Lautsprecher von Backes & Müller vielleicht etwas zu direkt und zu kernig klingen. An der Optik der alten B+M-Modelle jedoch gab es von allen Seiten Kritik. Und so entstand die wirklich gelungene Jubilé-Serie, deren hübschester Spross die kleine iO ist – am besten auf dem Z-förmigen Ständer.

Wie auch die Geschwister Jubilé und Neo ist die kleine iO eine ausgewachsene 3-Wege Box mit all der Technik, die Backes & Müller aktuell auszeichnet und welche die B&M-Modelle mit mindestens eine Naselänge vor fast allen Mitbewerbern ins Ziel kommen lässt. Und derzeit ist iO der smarteste, dezenteste und zudem günstigste Zugang zur außergewöhnlichen B&M-Welt.
Die Besonderheiten der Backes & Müller Jubilé iO
Da ist zunächst einmal ihre ungewöhnliche Form. Weil ein satter 12 Zoll (30 cm) Bass untergebracht sein wollte, die iO aber trotzdem optisch unauffällig bleiben sollte, ist sie mit ihren Abmessungen von 20,0 x 47,0 x 52,2 Zentimetern tatsächlich tiefer als hoch.

Der Tieftöner, ein hoch belastbares Modell aus dem Profi-Bereich, sitzt auf der Innenseite hinter einer passgenauen Stoff-Abdeckung. Das Gehäuse selbst ist geschlossen, das ist bei einer aktiven Entzerrung plus Membran-Korrektur sinnvoller als eine Bassreflex-Konstruktion.
Aber man kann sich vorstellen, dass in einem Gehäuse, bei dem die Membranregelung die große Membran förmlich auch zu den ganz tiefen Bässen (und somit zu großen Auslenkungen) zwingt, ein erheblich größerer Druck erzeugt wird als in einem ventilierten Gehäuse – wie es Bassreflex-Boxen nun einmal darstellen. Die Stabilität spielt hier also eine besonders große Rolle.
Die Schreiner von Backes & Müller werden diesen Anforderungen durch eine Kombination von MDF- und HDF-Platten gerecht, die vorn mit einer massiven Aluminium-Front abgeschlossen wird. Das Finish der Lautsprecher, hier in einem satten Weißlack, ist allerdings so gut gemacht, dass man die Unterschiede der Materialien nicht einmal erahnt…

Den Platz auf der Front teilen sich zwei 15 cm Tiefmitteltöner mit dem patentierten Schlitzstrahler, den B&M vor einigen Jahren zusammen mit den Ingenieuren der Fraunhofer Gesellschaft entwickelt hat. Alle drei Treiber sitzen hinter der Front und werden teilweise verdeckt. Das hat den Vorteil, dass weder die Treiber in Gänze noch deren Befestigungen zu sehen sind.
Apropos Optik: Gegen einen gar nicht so hohen Aufpreis kann man die Modelle der Jubilé-Serie auch in allen anderen, denkbaren Farben haben. Und weil Backes auch die Mitteltontreiber im Saarbrücker Stammhaus produziert, sind auch die großen Mittelton-Kalotten in Wunschfarbe zu bekommen. Siegler: „Das ist kein so großes Problem. Die Kalotten bestehen aus einer Aluminium-Legierung, die wir fast beliebig einfärben können.“ Damit hat B&M eine Sonderstellung am Markt. Individualisierung ist ja heute ein wesentliches Verkaufs-Kriterium. Aber hier geht es – was die Farbgestaltung angeht – doch außergewöhnlich weit.

Zur Optik gehört natürlich auch der optionale Ständer. Der sieht ziemlich schick aus, auch, weil man ihn natürlich in der Farbe der Speaker bekommt. Der Ständer besteht Stahl, das von einer tonnenschweren Presse in die Z-Form gebracht wird.
Stößt man von vorn oder von hinten gegen die Box auf dem Ständer, dann schwingt er erkennbar aus. Hoppla! Ist das so gewollt? Klangförderlich kann das ja wohl nicht sein. „Kein Problem“, sagt Siegler. „Eine wirkliche Bewegungs-Anregung kommt nur von den Bässen und die sitzen auf der Seite – da gibt es seitens des Ständers kein Nachgeben. Und der Ständer selbst schwingt bei 3 Hertz – das liegt weit außerhalb des Übertragungsbereichs.“

Und tatsächlich konnte ich keinerlei Klang-Nachteile durch den Ständer heraushören. Gleichwohl verkauft Backes wohl mehr iOs in der Variante „ohne“. Vielleicht auch, weil dem einen oder dem anderen der Preis von 4.000 Euro etwas zu happig erscheint.

Praxis
Neben vielen anderen ist einer der wesentlichen Vorteile der B&M iO die jederzeit phasenrichtige Wiedergabe. Das heißt: Man kann am Equalizer die wildesten Kurven einstellen und trotzdem bleibt die Wiedergabe immer absolut zeitrichtig. Damit ist ein Stichwort gefallen: Equalizer. Bei Backes heißt der PPG und versteckt sich einem kleinen weißgrauen Kästchen. Man braucht ihn nicht unbedingt, aber meist ist es sinnvoll, ihn einzusetzen.
Als wir die iO im LowBeats Hörraum aufstellten, fehlte eigentlich nicht viel; die Grundeinstellung war von der Ideallinie für unseren Hörraum nicht weit entfernt. Ich habe die iO absichtlich möglichst dicht an die Rückwände gestellt, weil dies wahrscheinlich auch die realistischste Aufstellung der meisten Hörer im Alltag sein wird. Anschließend kam das PPG zum Einsatz; dafür muss man den Pultförmigen Equalizer mit einem Datenkabel mit der jeweiligen IO verbinden. Man macht es sinnigerweise für jeden Lautsprecher, weil diese – zwangsweise – in der Regel unterschiedliche Positionen und unterschiedliche Behandlungen erfordern.

Das war im LowBeats Hörraum allerdings nicht nötig. Das PPG ermöglicht bis zu vier Presets mit jeweils sechs Filtern, die man in Pegel und Güte (also wie eng oder wie breit die Wirksamkeit der Anhebung oder Absenkung sein soll) festlegen kann. Mit nur drei kleineren Korrekturen pro Box war ich schon am Ziel. Ich habe bei beiden den oberen Bass etwas zurückgenommen und dafür ganz unten etwas angehoben. Auch erreichte ich mit einem breiter angelegten Filter bei 2.000 Hertz (- 1 dB) eine etwas mildere Mittenwiedergabe. Ich hatte allerdings den Vorteil, schon mehrfach mit dem PPG gearbeitet zu haben und wusste deshalb genau, was ich wie einzustellen hatte. Musikfreunde, die gar nicht wissen, an welchen Schrauben sie mit dem PPG drehen sollten, können die Einstellung getrost dem Händler überlassen.

Aber es gibt noch eine Steigerung: Für Hörer, die es hundertprozentig haben wollen, gibt es auch ein von Johannes Siegler selbst geschriebenes Einmessprogramm. Gegen Aufpreis kommt dann ein B&M-Profi vorbei und ermittelt mit Hilfe des Programms und verschieden aufgenommener Positionen im Raum die optimale Kurve. Diese Kurve wird – wie auch die mit dem PPG gesetzten EQ-Filter – im DSP der Lautsprecher abgelegt und kann jederzeit wieder überschrieben werden. Das ist der Vorteil aller aktiv-entzerrten Lautsprecher: Zieht man in eine gänzlich andere Akustik um, muss man den Lautsprecher nicht wechseln, sondern nur die Filter anpassen.
Wie auch bei der großen Jubilé sollte der Hörer bei der iO einigermaßen genau in der Mitte sitzen, weil sonst diese irrwitzig dreidimensionale Abbildung leidet. Aber keine Sorge: Für all jene, deren Einrichtung nur eine asymmetrische Aufstellung erlaubt, hat Siegler die „Distance Shift“-Option eingebaut. Die hatte ich tatsächlich während der vorhergehenden Tests gar nicht so auf dem Schirm, musste nun aber feststellen, dass sie ganz vorzüglich funktioniert. Mit ihr konnte ich auch größere unterschiedlich lange Wegstecken vom Hörplatz zu den Lautsprechern ohne klangliche Einbußen egalisieren – super.

Hat man eine klassisch analoge Vorstufe (oder eine Quelle mit regelbarem Ausgang), steuert man die iO einfach mit entsprechend langen XLR-Kabeln an. Das ist allerdings nicht Sieglers Lieblingsidee. Er favorisiert die EasyLink DigitalConnection von B&M, ein dünnes Datenkabel, welches das Signal mit höchster Auflösung überträgt. Allerdings braucht man dafür die entsprechend ausgerüstete ICE-525-Vorstufe der Saarländer – was die Sache gleich noch einmal um 9.000 Euro verteuert. Die ICE 525 ist ohne Makel und man bleibt mit ihr ab Vorstufen-Eingang komplett bis zum Treiber in der digitalen Welt. Aber wie gesagt: das kostet…
Hörtest
Man bekommt ja schon beim Einspielen und Aufstellen – im Falle der iO auch noch beim Einmessen – eine Idee davon, wie gut ein Lautsprecher klingt. Natürlich erinnert die iO an die große Jubilé, die wir ja erst kürzlich im Test hatten. Kunststück: Es ist ja die selbe Technik, derselbe Entwickler. Und doch hatte ich den Eindruck, die iO sei Johannes Siegler noch ein bisschen besser gelungen. Ich musste ja nur ganz wenig in den Frequenzgang eingreifen; sie spielte von Anfang an extrem sauber und luftig. Es ist eh erstaunlich, wie “groß” dieser immer noch kompakte Lautsprecher nach der Einmessung klingt. Dynamisches Verhalten, Tiefbass-Fundament, Verzerrungsarmut – da würde man bei geschlossenen Augen nie auf die Idee verfallen, dass hier eine hübsche Ständerbox spielt.
Weil wir sie erst kürzlich zum Album der Woche gekürt hatten, kam mir die Multi-Instrumentalistin Haley Fohr, die unter dem Künstlernamen Circuit Des Yeux auftritt, mit ihrem Album „Halo On The Inside“ gerade recht. Denn sie kombiniert düster-satte Bässe mit urbanen Grooves und singt darüber mit ihrer unfasslich starken, fast männlich klingenden Stimme. Die Bässe jedenfalls gehen sofort ins Mark. Und was die kleine iO daraus machte, war schlicht spektakulär – eine Energie, eine Genauigkeit, eine Authentizität, die absolute Seltenheit hat.

Und weil es so schön und so beeindruckend war, haben wir sehr, sehr laut gehört. Und wieder hat mich die iO beeindruckt. Sie ging nicht in die Knie, die Aufnahme blieb durchhörbar. Siegler sagt, es sei eine Schutzschaltung eingebaut, doch die sprach nie an. Da scheint die Kleine sogar noch Reserven zu haben…
Das komplette Gegenprogramm zum Depeche-Mode-Sound von Circuit Des Yeux ist das aktuelle Album von Ulla Van Daelen, die auf „83 Strings“ virtuos verschiedene Harfen bearbeitet und damit auch ein paar Gassenhauer eingespielt hat. Die Griffigkeit und Genauigkeit, mit der die kleine Jubilé das Ausschwingen der Saiten in den Raum stellte, diese immense Mühelosigkeit bei jedem Impuls, ist einfach begeisternd. Die iO zelebriert jeden Ton sehr direkt auf den Punkt. Da ist nichts verwaschen oder verhuscht. Der Klang ist manchem sicher zu unverblümt. Aber so klingt nun einmal ein Instrument, wenn man dicht herantritt.
Und dann ist da noch die eigentliche Königs-Disziplin: Die iO beherrscht eine derart plastisch-dreidimensionale Abbildung, dass ich mich bei geschlossenen Augen fast animierte fühlte, nach vorn in die Saiten zu greifen… Das können nur die wenigsten Lautsprecher des Weltmarkts.
Fazit Backes & Müller Jubilé iO
Ich hatte viel erwartet und habe noch mehr bekommen: Die kleine Jubilé iO reicht (mit Ausnahme des letzten Quäntchens von Bass und etwas mehr Pegel) erstaunlich dicht an die große Jubilé heran. Vor allem in den qualitativen Bereichen – Tonalität, dreidimensionale Abbildung und Feindynamik – ist sie sicherlich ebenbürtig. Und wir haben mit ihr teilweise so laut gehört, dass es uns die Tränen in die Augen trieb. Kurz: Das Erlebnis, das die vergleichsweise kleine iO vermittelt, macht oft sprachlos – und Lust auf viel mehr davon. Kein billiges Vergnügen, aber ein großes.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Extrem griffiges, präzis-feines, hochdynamisches Klangbild |
| Hochstabile Räumlichkeit, tiefreichender Bass |
| Weitreichende EQ-Anpassungen möglich |
| Eher enger Sweetspot, aber größere Hörentfernungen möglich |
Vertrieb:
Backes & Müller GmbH
Altenkesseler Str. 17/D1
66115 Saarbrücken
www.backesmüller.de
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Backes & Müller Jubilé iO: 20.000 Euro
Backes & Müller iO-Ständer: 4.000 Euro
Technische Daten
Backes & Müller JUBILÉ iO | |
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Konzept: | 3-Wege Aktiv-Standbox, geschlossen, entzerrt |
Bestückung: | HT: 1 x Ringradiator mit Alu-Waveguide, MT: 8 x 15 cm, TT: 1 x 30 cm (DMC-Membranregelung) |
Leistung: | 800 Watt |
Max.-Pegel (Dauer/ kurzfristig): | 106 / 114 dB |
Besonderheiten: | Zylinderwellen-Abstrahlung, DMC-Gegenkopplung, FIRTEC-Signalprocessing, optional B&M-PPG verfügbar |
Abmessungen (B x H x T): | 20,0 x 47,0 x 52,2 cm. Mit Ständer: 20,0 x 107,0 x 52,2 cm. |
Gewicht: | 21,3 Kilo (iO), 19,2 Kilo (Ständer) |
Alle technischen Daten |
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