Da knirscht jede Form der offensichtlichen Argumentation. Der Cayin C9ii ist kleiner als so manche Zigarrenschachtel – kostet aber stolze 2.698 Euro. Jetzt darf man sich ans Herz fassen. Haben die Entwickler einen kleinen Goldbarren darin verbaut? Nein, das Hauptgewicht machen vier etwas größere Akkus von Samsung aus (Typ 18650), das wäre es dann aber auch.
Ich habe vor Jahren einmal in einem Gespräch „out of records“ Dr. Amar Bose gefragt, warum denn sein Wave-Radio so überaus teuer verkauft wird. Nun ja, antwortete der ältere Herr, die Frage würde man ja auch nicht bei Diamanten stellen. Die seien auch klein und teuer und wertvoll…

Wirkt der Cayin C9ii auch wertvoll? Ja, das ist Edelklasse, großartig in jeder Schraube, ebenso die kleinen Winzschalter, herrlich die beiden Bullaugen mit Blick auf die Röhren. Doch wieder ein Schlag in das Portemonnaie: Allein tönt der C9ii nicht, es braucht einen Player/Wandler. Genau diese Produktgruppe hat Cayin bekannt gemacht.

Passgenau in Wertigkeit und Auflösung wäre der N7 – und abermals entschwinden 2.298 Euro. Doch es gibt keine digitale Verbindung zwischen beiden Komponenten, macht auch keinen Sinn. Aber auch keinen Cinch-Transfer, sondern nur ein winziges Kabel mit zwei Ministeckern, wahlweise in 3,5 oder Balanced in 4,4 Millimetern – beide liegen bei, sind hochwertig und folgen der Flechtkunst à la Kimber. Trotzdem seltsam, seltsam.
Cayin C9ii – die Technik
Der Denkfehler liegt nicht bei Cayin, sondern bei uns. Schubladen sind dumm. Natürlich ist der C9ii ein wunderbarer portabler Kopfhörerverstärker. Er kann aber auch Großartiges auf dem Schreibtisch vollbringen oder im schlau reduzierten High-End-Rack – und das im höchsten audiophilen Sinn auch batteriegepuffert. Die Schaltung ist wandelbar ausgelegt – mit viel Raum für Spielerei. Die Signale folgen einer vollständig symmetrischen Architektur, kombiniert mit allen erdenklichen Modifikationen. Ich kann im Röhren-Modus in Class A hören. Oder auf A/B umschwenken, die Röhren selbst lege ich auf Single-Ended an. Ein weiterer Winzschalter erlaubt die Wahl zwischen Modern-, Classic- und Solid State (also Transistor-) Modus. Cayin setzt hier in Miniaturform alles um, was auch die großen Highend-Verstärker der Marke auszeichnet.

Dann gestatte ich Rückkopplungen oder untersage sie. An der Seite, eher unsichtbar, liegen noch zwei Druckknöpfe, hier entscheiden Mensch und Ohr über den zugespielten Eingang und über den Klang: „Local Negative Feedback“ oder „Large-loop Negative Feedback“? Das kann überfordern – oder eben die Freude am individuellen Klangspiel locken. Ein hohes Feedback bringt im besten Fall mehr Dynamikraum, im Umkehrschluss steige ich in die Badewanne des soften Röhrensounds.

Da darf man sich am Kopf kratzen: Wie passen überhaupt Röhren in diese kompakte Bauform? Wieder ein Denkfehler – es geht hier nicht um die Glühkolben, die Cayin so lecker auf seinen Vollverstärkern inszeniert. Das sind im C9ii Miniaturen, Winzlinge, sogenannte Nutubes 6P1 in der nunmehr fünften und neusten Generation. Da gibt es in der technologischen Basis eine Verwandtschaft zu den NuVistoren, die Musical Fidelity in seine Edel-Verstärker einsetzt. Der Unterschied liegt in der Wärmeentwicklung des Kathodengitters – bei Cayin kühl, bei Musical Fidelity warm.
Die Bauweise ist aber in beiden Fällen robust, weit langlebiger als „normale“ Röhren und sie stammt aus der Militärforschung. Also durchaus ein Mitspieler für Kopfhörer-Amps, die in Taschen geschunkelt und manchmal auf den Tisch geknallt werden. Angst ist also nicht angebracht. Die Miniaturen für Cayin fertigt Korg – jene Company, die ihr Renommee in Tonstudios, Musikinstrumenten und auf Live-Bühnen erworben hat. Da ist das Rustikale Pflicht, die Bauform nutzt Korg vornehmlich in seinen Gitarrenverstärkern. Die Romantik dabei kann man sich allerdings schenken – die 6P1 ähneln in der Bauform eher Mikrochips aus alten Tagen mit grün-bläulicher LED. Nur wer ganz, ganz tief hineinzoomt, erkennt zwei kleine Leuchtkörper, eingebettet in einem Kathodengitter.

Wer so viel Aufwand – optisch, finanziell, technisch – betreibt, wäre dumm, würde er im Umfeld der Schaltung sparen. So liegen vor den Röhren vier Paar an JFETs – „Junction Field Effect“-Transistoren, selektiert von Toshiba mit dem Kürzel 2SK209. Danach geht es identisch weiter – auch im „Buffer Driver“ nutzt Cayin abermals vier Toshiba JFETs. Ein weiteres Zeichen für die Investitionen der oberen Liga sind auch die genannten Samsung-Akkus mit 3400 Milliampere.

Die sind langlebig, austauschbar und natürlich abgesichert gegen jede Form von Überspannung oder gar Lecks. In 15 Jahren kann man die aber auch gegen neuere, noch potentere Versionen austauschen. Einfach einlegen wie die bekannten AAs – hier ist die Baugröße aber deutlich voluminöser. Klein und zukunftsgewandt hingegen der Ladeanschluss: Das ist ein USB-C-Dock mit Fast Charging . Kleiner Vorteil: Natürlich gibt es eine winzige Anzeige des Ladestands. Großer Vorteil: Das Batteriefach lässt sich mit einem Klammergriff um das Gehäuse entriegeln und komplett herausnehmen. Zur Verbindung intern nutzt Cayin einen SATA-Port wie von den etablierten Festplatten.

Cayin liefert auf Wunsch auch einen zweiten Akku-Pack. Beispielsweise für die Profis im heimischen oder mobilen Tonstudio. In der – leider nur englischen oder chinesischen – Bedienungsanleitung ist auch eine Tabelle über die maximale Spielzeit abgedruckt. Die variiert je nach Schaltung. In Class A/B wären 17,5 Stunden möglich, im Röhrenbetrieb bei diskretem single-ended Class A wird es nach acht Stunden still. Die Ladezeit ist ebenfalls von Fall zu Fall unterschiedlich. Ein USB-Kabel liegt bei, jedoch kein Netzteil. Hier kann sich die Ladezeit halbieren, bei modernen Quick-Chargern ist der C9ii nach rund vier Stunden voll und spielbereit.
Alles gesagt? Nein, ein Punkt noch: Auf der Front muss man sich entscheiden, wie das Signal hinein- und herauskommt. Es gibt den etablierten 3,5er Klinken-Weg oder die Kür für Balanced-Kabel mit 4,4 Millimetern im Durchmesser. Beide Kurzkabel liegen bei, die Entscheidung liegt beim Nutzer und den Zwängen der genutzten Kopfhörer. Die Parameter sind dabei unkritisch und offen für Modelle von 16 bis 300 Ohm. Vorsicht und der erste Tipp: Egal unter welchen Vorgaben – es kann laut, – sehr laut – werden, nicht den zentralen Volume-Regler aus den Augen lassen…

Viele Möglichkeiten, viele Details – deshalb vor dem Hörtest eine schnelle Zusammenfassung. C9ii, der neue Kopfhörerverstärker von Cayin scheint für den mobilen Einsatz geschaffen – er kann aber auch jeden Schreibtisch, jedes Rack, jedes Tonstudio aufwerten. Mit USB-C und frei zusteckbaren Akkus ist er nachhaltig, mit seinen Nutubes potenziell langlebig. Ist er einzig für einen Wandler/Mitspieler aus dem Cayin-Fundus geschaffen? Nein, er könnte bei mobilen Tonaufnahmen direkt an ein MacBook, im Rack an einen hochklassigen Streamer oder in unserem Testfall an die kompakte D/A-Wandlerbox vom RME, den ADI-2 DAC. Der geht auf der Front über Kopfhörer-Klinke heraus, erlaubt also den direkten Vergleich. Auf der Rückseite gibt es zudem ein Stereo-Paar an XLR-Muffen. Mit Adapter ist also auch der Quercheck zum Balanced-Modus des Cayin möglich. Also rein in den Sandkasten und das potenzielle Vergnügen.
Hörtest
Erst einmal maximal entspannt. Der Meister der relaxten Musik hat ein neues Album vorgelegt – Snoop Dogg macht dabei gemeinsame Sache mit Dr. Dre. Klingt nach Cannabis-Rauch und HipHop-Sprechsingen. Doch im zweiten Teil sind die beiden älteren Herren rein instrumental unterwegs. Wunderbare Tracks in 24 Bit mit hohen dynamischen Ansprüchen an die Wiedergabekette. „Gunz N Smoke“ groovt mit Perkussion und psychedelischen Wellen. Passiert eigentlich nichts, alles auf Loop. Klar ist hier die beste Wahl am C9ii die A/B-Schaltung, das bringt die schnellen Impulse nach vorn. Der „Modern Tube Timbre Circuit“ zeigt die Kanten, die Single-Ended-Variante unterdrückt zu viel Dynamik im Plüsch.

In den Klangpool der Gegenwelt springen wir mit der Filmmusik zum Edel-Grusel von „Nosferatu“. Vorsicht: Das ist nicht der Soundtrack zum aktuellen Kinofilm im Jahr 2025, sondern eine neue Partitur von Christopher Young zu Murnaus „Symphonie des Grauens“. Aber auch ganz neu. Kein namenloses Filmorchester spielt auf, der Warner-Konzern hat das Tonhalle-Orchester Zürich engagiert. Fetter Streicherteppich, alles in Moll, noch düstere Orgel-Pfeifen unter allem.

Jetzt fällt die Wahl deutlich schwerer. Über die Vorzüge der reinen Class-A-Schaltung werden keine Diskussionen aufkommen. Das hat zwar nicht den eruptiven „Peng“, wirkt aber klar agiler. Dazu den „Classic Tube Timbre Circuit“ – da handele ich mir zwar mehr Klirr ein, der aber primär nur auf dem Datenblatt steht, hörbar ist er nicht, die Röhrenfans werden zudem auf die harmonischen Werte verweisen. Der Dynamikspielraum sinkt minimal, aber ich empfinde die Staffelung des Orchesters deutlich präziser, insbesondere in die Raumtiefe. Da sitzt eine ganze Subgemeinschaft des Orchesters am Schlagwerk. Da zeigt sich auch der Unterschied zum integrierten Kopfhörerausgang des RME. Der ist ohne Frage sehr gut, alles andere als auf Aggression ausgelegt. Doch der C9ii legt sich weiter nach vorn, da ist in wenigen Minuten hörbar, dass hier die stärkere, souveränere Schaltung anliegt.
Wie wichtig ist der Faktor des Batterie-Betriebs? Wichtig – aber nicht vergleichbar. Denn egal, ob ich per USB-Kabel den Weg zur Steckdose suche oder nicht – aller Stromfluss ist stets batteriegepuffert. Der Unterschied zwischen klassischer 3,5er-Klinke und Balanced? Da stellt sich eine Denkfrage: Ergibt das Sinn, gibt es überhaupt eine Zielgruppe?
Aber sicher doch. Als LowBeats im Oktober die HiFi-Tage in Darmstadt ausrichtete, da strömten die Kopfhörer-Fans an die Spezialstände – und brachten auch ihre Balanced-Kopfhörer mit. Ab Werk gibt es wenige Hersteller, doch faktisch jeder Kopfhörer mit getrennten Kabelwegen zu den Kapseln lässt sich auf Balanced tunen. Der Markt der Kabelanbieter mit Pentacon-Steckern blüht. Wichtig: linker und rechter Kanal dürfen sich nicht die Masse teilen, sonst naht der Kurzschluss. Unser Klangeindruck: Ja, Balanced bringt mehr Schubkraft an die Membranen. Aber Vorsicht: Rein architekturbedingt liegt die Lautstärke dann auch sechs Dezibel höher. Wer es nutzt? Die genannten Fans – und die Profis im Studio. Das ist mehr als eine Option, sondern ein nachvollziehbares Upgrade in die Welt der stärkeren wie feineren Dynamik.
Fazit Cayin C9ii
Zuerst: Stimmt die Preisrelation? Das muss jeder selbst entscheiden. Wer ohnehin nur per Smartphone und Bluetooth an die Kopfhörer streamt, der wird hier keinen Kaufimpuls spüren. Aber die Profis und die Audiophilen umso stärker. Der C9ii bedient die Sehnsucht nach dem Mehr – und allen audiophilen Werten. Es gibt Röhrensound, dazu die gepufferte Stromversorgung per Batterie und einen symmetrischen Signalfluss noch hinzu. Die Menge an Optionen und Kombinationen von Schaltung, Röhren-Ansteuerung und Feedback kann überfordern – oder die Spiellust anregen. Die Verarbeitung ist grandios, das Konzept ambitioniert, der Preis hoch, aber angesichts von Verarbeitung und audiophiler Ausbeute angemessen.
Bewertungen
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Edelklasse in Verarbeitung, Optionen und Klang |
| Zukunftssicher – die Batterien sind austauschbar, die Röhren ultra-stabil |
| Vielfältige Anpassoptionen – an Kopfhörer wie Vorlieben |
| Leider nicht ganz günstig |
Vertrieb:
Cayin Audio Distribution GmbH
An der Kreuzheck 8
61479 Glashütten-Schlossborn
Telefon: 06174-9554412
www.cayin.com
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Cayin C9ii: 2.700 Euro
Technische Daten
Cayin C9ii | |
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Konzept: | Röhren-Kopfhörerverstärker (Akku) |
Röhren-Bestückung: | 2 x KORG Nutube 6P1 |
Akku-Laufleistung: | von 8 Stunden im Röhren Hyper-Modus bis hin zu 17,5 Stunden im (Transistor-) AB-Modus |
Eingänge: | Klinke: 1 x 3,5 mm, 1 x 4,4 mm (Balanced) |
Besonderheiten: | Röhren- oder Transistor-Modus umschaltbar |
Abmessungen (B x H x T): | 8,8 x 16,5 x 3,0 cm |
Gewicht: | 650 Gramm |
Alle technischen Daten |
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