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Vertere Dark Sabre auf Platte
Das Vertere Dark Sabre zielt auf jene Musikfreunde, die sich eine audiophile Abtastung mit der hohen Ausgangsspannung klassischer MMs wünschen. Sein Preis liegt bei 1.800 Euro (Foto: B. Rietschel)

Test MM-Tonabnehmer Vertere Dark Sabre: die dunkle Seite der Macht

Das Vertere Dark Sabre nimmt nicht nur preislich eine Sonderrolle unter den MM-Systemen ein. Statt Maximalauflösung liefert es einen erdigen, schnörkellos-kraftvollen Klang, wie man ihn bei Spitzenabtastern selten findet.

Das Dark Sabre ist ein MM-System zum Preis eines MC. Aber nur, wenn man das zu vergleichende MC nicht auch bei Vertere kauft. In der Preisliste der englischen Firma stimmt die Hierarchie dann wieder: Das Vertere Mystic als erschwinglichstes Moving Coil kostet aktuell 3.450 Euro. Das Dark Sabre halbiert diesen Preis also fast und bietet sogar den feineren, nämlich nackt-kristallorientierten Abtastdiamanten. Den man zudem vergleichsweise preiswert auswechseln kann, sollte er einmal verschlissen sein: Die Ersatznadel für das Dark Sabre kostet nur 648 Euro. Klingt schon viel versöhnlicher, vor allem für Vielhörer.

Vertere Acoustics Touraj Moghaddam
Roksan- und Vertere-Gründer Touraj Moghaddam ist bekannt für seine ungewöhnlichen, aber stets besser klingenden Lösungen (Foto: Vertere Acoustics)

Aber warum ist das komplette System dann so teuer? Der Preis reflektiert, zumindest teilweise, den besonderen, Vertere-typischen Konstruktionsansatz: entscheidend ist nicht nur die Nadel oder der davon angetriebene Generator. Sondern auch die Art und Weise, wie dieser Generator im Headshell gehalten wird, und wie seine mechanische Umgebung ihn bei der Arbeit beeinflusst. Vertere-Gründer Touraj Moghaddam baute schon mit seiner ersten Firma Roksan ganz ähnliche Systeme. Damals wie heute pflegt er einen betont ganzheitlichen Ansatz, der die oft vernachlässigte mechanische Peripherie mit einbezieht. Das legendäre Roksan-MC Shiraz etwa trug seine Technik komplett unverhüllt zur Schau: Ein radioerprobtes MC-Aggregat des deutschen Herstellers EMT, aber ohne die gewohnte Tondose aus Alu und Plastik drumherum. Stattdessen mit Stahlspikes an nur drei Punkten in einen stabilen Montagerahmen eingespannt. Unnachgiebig stabil, zugleich aber mit geringstmöglicher Kontaktfläche, um jegliches mechanisches Eigenleben, Vibrationen, Resonanzen vom Entstehungsort der Musik fernzuhalten.

Roksan Shiraz MC
Im Shiraz finden sich bereits viele Ansätze, die im Dark Sabre perfektioniert umgesetzt sind (Foto: Vertere)

Das Vertere Dark Sabre…

…übersetzt die klassische Shiraz-Idee in die MM-Welt. Sein hochwertiger MM-Generator stammt von einem bewährten Zulieferer und ist technisch eher unspektakulär: nichts jedenfalls, was Audiophilen beim Lesen des Datenblatts verzückte Ohs und Ahs entlockt. Vertere baut dafür aber eine Alu-Karosserie, die mehr tut, als nur schön auszusehen: Sie verleiht dem Dark Sabre perfekte mechanische Integrität und spornt die MM-Technik damit zu Höchstleistungen an. Was wir von dem System sehen, wenn es am Headshell hängt, entsteht in England: Ein einteiliger, aus dem Vollen gefräster und schwarz anodisierter Alukorpus. Extrem stabil und im Headshell todschick.

Trotz der wuchtigen Form hält sich sein Platzverbrauch in Grenzen. Genau wie beim günstigeren, orangenen Sabre, das wir schon vor ein paar Jahren hier zum Test hatten. Beide Abtaster passen problemlos auch in enge Headshells wie die meines Linn Ekos. Befestigt werden sie an direkt ins Alu geschnittenen Gewinde, bevorzugt mit den beiliegenden Rändelschrauben im Format M2.5×7. Diese werkzeuglos anzuziehenden thumb screws deuten bereits an, dass Moghaddam trotz der hohen Stabilität des Systemgehäuses ein Festschrauben mit eher geringem Drehmoment empfiehlt. Also auch dann, wenn man auf gewöhnliche Innensechskant- oder Schlitzschrauben ausweicht. Das kann nötig werden, weil die Originalschrauben nicht überall optimal passen: Ihre Köpfe sind größer als typische Inbus-Zylinderköpfe und finden nicht auf allen Headshells eine ausreichend große plane Auflagefläche.

Vertere Dark Sabre auf LP12
Die hohen Köpfe erlauben einen Einbau mit den Fingern (Foto: B. Rietschel)

Die werkzeug- und mutternlose Montage macht den Einbau zum Vergnügen, zumal sich das System mit seinen langen, geraden Kanten und der gut sichtbaren Nadel sehr einfach positionieren und justieren lässt. Eine eingefräste Stufe in der Korpus-Vorderseite signalisiert die tatsächliche Position der Nadel. Ein nettes Feature, das mit klug designten Tonarmen – etwa denen von Vertere oder auch Linn – das Auffinden des korrekten Überhangs erleichtert. Deren Headshell endet nämlich in einer geraden Kante exakt oberhalb der Stelle, an der bei korrekt montiertem Arm die Nadelspitze stehen sollte. So muss man also nur die Kanten an Headshell und System zur Deckung bringen und kann die Schablone in der Schublade lassen.

Vertere Dark Sabre von der Seite
Die harten Kanten des Dark Sabre machen den Einbau zum KInderspiel. Gut zu sehen auch die seitlichgen SAchrauben, die den Generator im Gehäuse festzurren (Foto: Vertere)

Von den vier Inbus-Schrauben an den Seitenflächen des Systems lassen Besitzer tunlichst die Finger. Diese Madenschrauben – Besserwisser dürfen auch gerne die Bezeichnung „Gewindestifte“ verwenden – klemmen jeweils paarweise den Generator fest, der zum Alu-Chassis, auch wenn’s anders aussieht, nur über deren vier Spike-Spitzen Kontakt hat. Eine Vierpunkt-Variante des klassischen Shiraz-Aufbaus also. Der eigentliche Generator samt Kunststoff-Anschlussblock und schirmendem Blechmantel stammt hier aus Japan. Neugierige Analogfans erkennen mühelos eine Bauform wieder, die in verschiedenen Varianten, zum Beispiel auch in den aktuellen Sumiko-MMs steckt. Oder auch im Gold Note Vasari Gold, dessen Datenblatt zu dem des Vertere fast deckungsgleich ist. Vertere verzichtet auf jegliche Verkleidung am Nadeleinschub, der sich daher nicht ohne Werkzeug greifen und abziehen lässt. Tauschen kann man ihn dennoch: Der Ersatznadel liegt eine passende Pinzette bei, mit der man das oberhalb der Nadel leicht überstehende Schirmblech packen kann. Wer sich nicht traut, schlecht sieht oder keine ruhige Hand hat, kann die Aufgabe sicher auch seinem Händler überlassen.

Als Nadel gibt Vertere ein Aluröhrchen mit nacktem, direkt eingepresstem Diamanten in Auftrag. Was dann auch den Hauptunterschied zum gewöhnlichen Vertere Sabre ausmacht, wo der Stein bonded, also an einem Metallsockel montiert ist. Die nude-Ausführung im Dark Sabre ist masseärmer und wegen des besseren Ausgangsmaterials – einem Vierkant-Stäbchen aus Naturdiamant statt eines Kunstdiamant-Krümels – auch langlebiger. Dass der Nadelträger beim Dark Sabre aus Alu und nicht aus dem schickeren, noch steiferen Bor besteht, hat vermutlich nichts mit dem höheren Preis des Halbmetalls zu tun, sondern mit klanglichen Erwägungen. Denn auch Moghaddams 7000 Euro teurer Top-Abtaster Xtrax – definitiv eine cost-no-object-Konstruktion – führt seine Nadel an so einem vermeintlich unterlegenen Aluröhrchen.

Vertere Dark Sabre von unten
DEr Nadelträger ist teleskopisch aufgebaut, besteht also aus zwei Segmenten, die sich in Durchmesser und Wandstärke unterscheiden (Foto: Vertere)

Im Nadelschliff gibt es weitere Parallelen zwischen Dark Sabre und Xtrax: Hier wie da gleitet eine elliptisch geschliffene Spitze in der Rille. Genauer: ein micro-elliptical-Schliff, der sich von der Standardellipse durch etwas kleinere Verrundungsradien unterscheidet: 7,5×15,5µm gibt Vertere hier an. Das ist zwar etwas schlanker als die anderswo massenhaft verbaute Standardellipse mit 8×18µm, aber immer noch recht stumpf neben komplexeren Line-Contact-Schliffen. Wir können davon ausgehen, dass das keine Sparmaßnahme ist, sondern eine ganz bewusste Entscheidung. Denn einerseits sind weder scharfe Schliffe automatisch teuer noch „runde“ zwingend billig. Und andererseits haben auch die „modernen“ Geometrien (deren Entwicklung freilich auch schon Jahrzehnte zurück liegt) klanglich nicht immer nur Vorteile.

Für den Magneten am hinteren Ende des Nadelträgers wählt Touraj Moghaddam AlNiCo, ein Magnetmaterial, das seine große, kommerziell bedeutsame Zeit bereits hinter sich hat. Weiterhin verwendet wird es in geringem Umfang an Stellen, wo Magneten besonders hohe Temperaturen oder mechanische Belastungen aushalten müssen. In Tonabnehmern – und zwar sowohl an Plattenspielern als auch an E-Gitarren – macht eine andere Eigenschaft AlNiCo attraktiv. Die Legierung aus Aluminium, Nickel und Kobalt lässt sich zwar nicht so stark magnetisieren wie moderne Neodym-Rezepturen. Sie verarbeitet die im Betrieb stets entstehenden Wirbelströme aber anders als Seltenerd-Supermagneten – und verleiht dem Klang bei ansonsten gleichen Bedingungen einen etwas weicheren Charakter mit harmonischen Obertönen.

Dass der AlNiCo-Magnet nicht der stärkste ist, wirkt sich auf die Ausgangsspannung des Systems aus, die mit 4,3mV bei 5cm/s eher im unteren Mittelfeld heutiger MMs liegt. Dafür könnten theoretisch auch kleinere Spulen verantwortlich sein, aber die geben sich bei Vertere mit einem DC-Widerstand von 1000Ω als eher normalgroß zu erkennen. Bei Auswahl und/oder Einstellung des Phono-Vorverstärkers sollte man daher auf möglichst niedrige Abschlusskapazität achten. Denn eine zu hohe Kapazität kann auf ungute Weise mit der Induktivität der Spulen im System wechselwirken. Es bildet sich eine Resonanz im Hochton, die mit steigenden Kapazitätswerten nicht nur zunimmt, sondern sich auch zu niedrigeren Frequenzen verschiebt. Da oberhalb der Resonanz der Frequenzgang steil abfällt, fallen kapazitiv fehlangepasste MMs durch übertriebenes Brillanz-„Gezimbel“ und gleichzeitig blasse Klangfarben auf. Nicht schön, und bei Top-MMs potenzieller Klangfeind Nummer eins. Nicht weil Top-MMs da empfindlicher wären als preiswertere Exemplare. Sondern weil kaum noch andere Störfaktoren und Schmutzeffekte existieren, die davon ablenken könnten.

Im Test habe ich folglich ein sehr niederkapazitives Phonokabel verwendet, um meinen Anpassungs-Spielraum an der Phonostufe möglichst groß zu halten. Viel zu probieren gab’s letztlich nicht: 50-100pF am Preamp erwiesen sich mit dem SME 345 und 1,20m Sunwire Phono Reference als klangliches Optimum. Nicht anders am Linn Ekos mit dem Linn T-Kable. Mit den in der Bedienungsanleitung als Obergrenze angegebenen 470pF verlor die Abbildung schon merklich an Weite und Stimmen etwas von ihrem natürlichen Schmelz. Es ist also kein Ideal- sondern tatsächlich ein Grenzwert, der zudem – was oft übersehen wird – die Verkabelung miteinschließt. Ich reite darauf nicht zum Spaß oder aus Langeweile so herum. Sondern weil gerade bei den vornehmen Spielern, auf denen das Vertere aller Wahrscheinlichkeit nach arbeiten wird, die Phonokabel oft steck- und tauschbar sind. Und weil nicht alle der dort steckenden Strippen wirklich als MM-tauglich durchgehen würden. Hing vorher ein MC dran, war womöglich alles in bester Ordnung, da MCs kapazitätsunkritisch sind. Für die artgerechte Haltung eines Dark Sabre ist dagegen die Kabelkapazität ein zentrales Kriterium.

Wer das Dark Sabre so hören will, wie sein Entwickler sich das gedacht hat, braucht neben passenden Abschlusswerten vor allem einen erstklassigen Tonarm. Der ist natürlich immer hilfreich. Aber in diesem Fall, wo ein großer Teil des Konstruktionsaufwands dazu dient, einem MM-Generator zu größtmöglicher mechanischer Integrität zu verhelfen, wäre jede Art von Gewackel in übergeordneten Baugruppen besonders kontraproduktiv. Logisch, dass das Dark Sabre auf Verteres eigene Arme passt – das hatte ich schon früher mit dem mechanisch eng verwandten Standard-Sabre und dem Vertere DG-1s verifiziert. Der Spieler ging nach seinem Gastspiel aber irgendwann den normalen Weg aller Testgeräte, also zurück zum Vertrieb oder einem anderen Tester. Weshalb das Dark Sabre es sich in verschiedenen feinen Konkurrenzspielern bequem machen musste: Besagter Linn Ekos spielte natürlich auf meinem LP12. Der SME 345 sitzt aktuell auf dem Acoustic Signature Verona Neo. Als Preis-Abrundung nach unten habe ich zudem einen Thorens TD403DD ausgepackt und das Vertere in dessen überragendem Serien-Tonarm TP 150 probiert.

Ortofon LH-4000
Immer eine gute, weil schwingungsarme Alternative zu klassischen Headshells: das Ortofon LH-4000, das aktuell zwischen 80 – 90 Euro kostet (Foto: Ortofon)

Letzterer sieht mit dem Vertere umwerfend gut aus, erst recht mit dem Ortofon LH-4000, das ich in solchen Fällen statt des Original-Headshells benutze. Die Extramasse – mit dem Ortofon-Shell effektiv über 20 Gramm – stört das Dark Sabre übrigens nicht im Geringsten: Mit 10µm/mN gibt der Hersteller eine eher niedrige Compliance an, und in der Praxis vertragen sich Arm und System bei mir prächtig.

Hörtest

Vor allem aber klingt das Dark Sabre im Thorens-Arm absolut stimmig. Auf einem Spieler also, der deutlich günstiger ist als der zu führende Tonabnehmer – eine Kombination, die ich nur selten empfehle, die hier aber exzellent funktioniert. Vor allem Sänger und Sängerinnen bringen mich im Hörraum immer wieder dazu, Notizblock und Kugelschreiber zu zücken. Etwa Damien Jurado, der sein 2003er-Album Where Shall You Take Me? nur mit seinem Gesang und ein paar einsamen gezupften Akkorden eröffnet. Um dann in der zweiten Hälfte von einem kontinuierlich anschwellenden Dröhnen von der Bühne gedrängt zu werden. Aber solange man ihn noch hört: was für ein Gesang! Die Stimme ist hier extrem nah aufgenommen, mit mächtigem Grundton und einem kompakten, aber sehr deutlichen Raum um sie herum. Ein bisschen, als wäre man mit dem Sänger in eine winzige, mit Teppich ausgeschlagene Kammer gesperrt.

Auf dem Vertere-bestückten LP12 erhält das Stück – es heißt Amateur Night – pulsierende Dynamik und spannende Intensität – klar mehr als zuvor mit dem Thorens. Alle anderen Platten auch. Es ist so eine Kombination, bei der man spontan denkt „halt, stopp, jetzt bloß nichts mehr verändern!“: Tonal wirkt das System vom ersten Takt an kraftvoll und selbstverständlich. Einer ausgeprägte Einspielphase – länger und klanglich signifikanter, als ich es in vorigen paar Tonabnehmertests erlebt habe – reichert den anfangs recht dichten Klang mit Lockerheit, Feindynamik und Detailreichtum an. Dabei bleibt die ungekünstelt-stimmige Balance jedoch vollständig erhalten. Das ergibt unterm Strich einen Abtaster, der einerseits die ganzheitliche, runde Tonalität bietet, um die wir simple Einsteigersysteme oft insgeheim beneiden. Audio-Technicas 16-Euro-MM AT3600 ist so ein Kandidat, der reale Rock- oder Popplatten so unkompliziert auftischt, dass uns fast ein etwas schales Gefühl beschleicht, wenn wir danach wieder vor unserem ausgereizten Edelspieler sitzen.

Zum Glück gibt es auch ein „Andererseits“, das uns bei der nächsten etwas anspruchsvolleren Aufnahme begegnet: Das 3600 kann keine Höhen, geizt mit Raum und Auflösung und spielt im Bass zwar kräftig, aber oft auch weich und ausgedunsen. Größere MMs liefern die ganzen HiFi-Merkmale, verlieren dabei aber oft die Geschlossenheit und Stimmigkeit aus den Augen. Und erst bei den ganz aufwändigen Modellen scheint sich der Kreis wieder zu schließen: Ein Ortofon 2M Black LVB zum Beispiel tönt kräftig, dynamisch, detailreich, im Hochton aber zugleich auch angenehm entspannt. Sein Bor-Nadelträger dreht im Vergleich zum Alu-benadelten Standard-Black den Farb- und Nuancenregler auf Max. Man ahnt beim Hören auch, wo die zusätzliche Oberton-Energie herkommt: Viele MMs zeigen am oberen Ende des Hörbereichs eine ganz leichte Kantigkeit, die mal als Härte, mal jedoch auch als besonders griffige, prägnante Wiedergabe erlebt wird. Dem LVB fehlt diese Verdichtung vollständig, zugunsten einer noch glatteren, breitbandigeren Wiedergabe.

Sinn des Exkurses nach Dänemark ist natürlich der Vergleich zum noch teureren Vertere. Das tatsächlich in Raumweite und Farbenvielfalt nicht ganz mit dem LVB mitkommt. Das Dark Sabre wirkt im Oberton einen Hauch schlichter und schnörkelloser, dabei aber – und da unterscheidet es sich von gewöhnlichen, einfach dunkel klingenden MMs – absolut sauber und hochdynamisch. Take Care, Take Care, Take Care von Explosions In The Sky gibt auf diesem Weg Basslinien frei, die zuvor irgendwo hinter den Gitarrenwänden herumirrten. Dadurch bekommt der oberflächlich recht matschige Mix eine taktile, strukturierte Qualität, die die Musik spannender und mitreißender macht. Wenn schon instrumentaler Postrock so deutlich profitiert, was passiert dann erst mit cleanen, effektvollen Aufnahmen wie Good Arrows von Tunng? Da springen die akustischen Gitarren weit in den Raum hinaus und lassen ihre Stahlsaiten glitzern, wie man das von Spitzen-HiFi erwartet. Dabei bleiben die Songs aber stets groovy, warm, eine Einladung zum gemütlichen Teetrinken, Mitschunkeln und – weil die Songs sehr eingängige Melodien haben – auch zum Mitsingen.

Die große Stärke des Vertere Dark Sabre ist, dass es mitreißend druckvoll musiziert, ohne Stimmen und Instrumente künstlich anzudicken. Und dass es obenrum das exakte Spiegelbid dieser Qualität liefert: Im Hochton folgt es irrwitzigen Auslenkungen, klingt aber nie hell und zimbelig. Es kombiniert Kraft und Kontrolle auf ganz dezente Weise, klingt aufs erste Hinhören ganz unspektakulär, um dann mit altbekannten Platten immer wieder für Überraschungen zu sorgen. Etwa bei Farewell To All We Know von Matt Elliott, von dem ich (unter seinem eigenen Namen und als Third Eye Foundation) 15 Alben im Regal stehen habe. Und was steht da im Notizblock? „Selten so gut gehört!“. Was einiges bedeutet, weil die LPs des britischen Songwriters hier wirklich regelmäßig laufen und dank überragender Aufnahmen generell schon ziemlich eindrucksvoll klingen. Oft aber auch ein wenig, kaum störend, übertrieben im Bass und Grundton. Das Dark Sabre raubt Elliotts tiefer Stimme nichts von ihrer Wärme und Intensität, verleiht ihr aber eine ungewöhnliche Festigkeit. Energie, die sonst eher im Raum wabert, verdichtet sich via Vertere, macht den Gesang pointierter und noch bewegender.

Ähnlich wirkt der englische Tonabnehmer auf die LP The Livelong Day der irischen Folk-Visionäre Lankum. Nur dass diese Platte, anders als die Matt Elliott zuvor, eine klanglich eher heikle Wahl ist: Auf Katie Cruel trifft die herbe Schönheit von Radie Peats Stimme auf den sonoren Gesang ihrer Bandkollegen, die düsteren Akkorde ihres Harmoniums auf dudelsackähnliche Uilleann Pipes, eine Fiddle auf ein gestrichenes Banjo. Da ist in den Mitten sehr viel los, und so manch teurer Spieler hat Mühe mit dem 9:20 Minuten langen Stück, das schnell angestrengt und komprimiert klingen kann. Oder auch nicht: LP12 und Vertere machen diesen hypnotischen Folk-Drone zu einem ergreifenden, Körper und Seele gleichermaßen berührenden Erlebnis. Todernster Folk, mit dem emotionalen Gewicht einer ganzen Galaxie.

Lankum "The Livelong Day"
Fordert Abtast-Kombi-wie auch das Gemüt des Zuhörers: Lankum “The “Livelong Day” (Cover: amazon)

Das Vertere Dark Sabre ist ein klasse System, und könnte von mir aus auch dauerhaft im Ekos verbleiben. Zumal ich für einen anderen, gleich teuren Favoriten, das Lyra Delos, ja noch einen zweiten Ekos zur Verfügung habe. Aber das Lyra ist ja ein MC, und es steht schon deshalb, aber auch wegen seiner ganz anderen klanglichen Ausrichtung, nicht in direkter Konkurrenz zum Dark Sabre. Andere MMs, die den vergleichsweisen Einbau wert wären, sind äußerst dünn gesät. Wer nicht auf das Bauprinzip, sondern auf die MM-übliche Ausgangsspannung Wert legt, kann alternativ sicher zu gehobenen Grado-MIs greifen. Oder natürlich zu High-Output-MCs vornehmer Bauart: Tonal dem Vertere zumindest ähnlich klingt beispielsweise das Sumiko Songbird High Output. Und zu guter Letzt macht sich Vertere auch selbst Konkurrenz: mit dem 500 Euro günstigeren Sabre „ohne Dark“. Wer viel hört, schielt aber schon beim Neukauf auf die Nadelpreise. Und da liegen die beiden Sabres nur noch 200 Euro auseinander. Wenn die Erstanschaffung längst vergessen ist, ist das nicht viel Geld für den Zugewinn an Sauberkeit und Eleganz, die die Dark-Version mitbringt. Ein Upgrade durch Nadeltausch, wie es in anderen MM-Familien oft möglich ist, geht bei den Sabres übrigens nicht. Die Entscheidung für die Extraportion Feinheit und Eleganz, die das Dark Sabre mitbringt, muss also ganz am Anfang fallen. Mit dem beruhigenden Wissen im Hinterkopf, dass die langfristigen Betriebskosten von dieser Entscheidung nur unbedeutend beeinflusst werden.

Fazit Vertere Dark Sabre

Das Dark Sabre ist ein Ausnahme-Magnetsystem, das die Dynamik sehr guter MCs mit der Wärme klassischer MMs verbindet. Es ist aber kein Weichzeichner: Die Rhythmik ist tight, der Bass griffig und konturiert, Stimmen klingen stabil und ausdrucksstark. Tonal liegt es auf der warmen, leicht dunklen Seite, seine Abbildung wirkt kompakt, konkret und präsent. Vor all diesen Einzeldisziplinen fällt aber die kraftvolle Musikalität dieses Tonabnehmers stets zuerst auf: Das Dark Sabre ist ein Meister der Melodie und der Emotion, dem man sich auch mit schwierigen Aufnahmen vorbehaltlos anvertrauen kann.

Vertere Dark Sabre
2024/11
Test-Ergebnis: 4,5
ÜBERRAGEND
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Satter, melodischer Klang, straffe Dynamik
Sehr einbaufreundlich
Ersatznadel im Verhältnis zum Neupreis günstig
Hoher Anschaffungspreis

Vertrieb:
Beat Audio
Hainbuchenweg 12
21224 Rosengarten
www.beat-audio.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Vertere Dark Sabre: 1.800 Euro

Technische Daten

Vertere Dark sabre
Konzept:Moving Magnet Tonabnehmer (MM)
Schliff:Micro-elliptisch
Verrundungsradius:7,5×15,5µm
Ausgangsspannung:4.3mV
empf. Auflagegewicht:
1,9 – 2,1 Gramm
empf. Abschluss:
47Ω, max.470pF
Gewicht:11,5 Gramm
Alle technischen Daten
Mit- und Gegenspieler:

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Autor: Bernhard Rietschel

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Bernhard Rietschel ist gelebte HiFi-Kompetenz. Sein Urteil zu allen Geräten ist geprägt von enormer Kenntnis, doch beim Analogen macht ihm erst recht niemand etwas vor: mehr Analog-Laufwerke, Tonarme und Tonabnehmer hat keiner gehört.