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Test Naim Audio Uniti Nova: der überlegene Streaming Amp

Jenseits des Gewohnten öffnet der Naim Uniti Nova sogar erfahrenen Streaming-Fans neue Dimensionen: Wie alle neuen Uniti-Modelle ist der Nova Roon ready, arbeitet also nahtlos mit Roon, der aktuell wohl perfektesten Musikverwaltungs- und Steuersoftware zusammen.

Roon integriert lokale und Cloud-Quellen in einer raffinierten, hoch intuitiven Bedienoberfläche, die dank Roon-eigenen, enorm detailreichen Metadaten ein ganz neues Nutzer-Erlebnis ermöglicht. Zum Beispiel, indem es Musik nach bestimmten stilistischen oder atmosphärischen Kriterien passend zusammensucht oder überraschende Verbindungen zwischen altbekannten Alben aufdeckt.

Für Intensivhörer und Musiknerds ein Traum, der allerdings auch seinen Preis hat, nämlich 119 Dollar pro Jahr oder 499 Dollar für eine lebenslang gültige Lizenz. Beruhigend, dass bereits die kostenlose Naim App die Serverinhalte überdurchschnittlich informativ darstellt und eine lücken- und bruchlose Steuerung aller Funktionen per Touchscreen ermöglicht.

Die App passt sich dabei dynamisch an den jeweils verwendeten Uniti und dessen Betriebszustand an – lässt also Ripping-Werkzeuge erst dann aufpoppen, wenn sie benötigt werden und offeriert nur Eingänge, die sowohl vorhanden als auch vom Benutzer gewünscht sind. In diesem Punkt ist der Naim auch dem jüngst getesteten Auralic Polaris merklich voraus: Die App ist einfach stabiler, intuitiver, schneller und besser integriert.

Die App des Naim Uniti Nova
Kein Rätselraten: Auflösung und Dateiformat werden auf der App und auch dem Gerätedisplay angezeigt. Hier ein FLAC-Stream in CD-Auflösung vom Streamingdienst Tidal (Foto: B. Rietschel)

Ergänzt werden die umfassenden Streaming-Fähigkeiten durch klassische Analog- und Digitaleingänge, wobei erstere sowohl im populären Cinch- als auch im Naim-spezifischen DIN-Format zur Verfügung stehen und letztere neben Koax und TOSlink auch einen HDMI-Input umfassen.

Per ARC (Audio Return Channel) bekommt dieser den Ton sämtlicher am Fernseher ankommenden Inhalte weitergereicht, sodass auch Netflix, Amazon, Sky & Co vom Naim-Sound profitieren. Das ist dann zwar „nur“ Stereo (die ARC-Ausgabe muss im TV auf Stereo gestellt sein, sonst bleibt der Nova stumm), aber hier gilt ganz klar die Faustregel „lieber Stereo in überragender Qualität als halbherziges Surround“.

Und überragend klingt der Nova ohne jeden Zweifel. Seine eingebaute Stereo-Endstufe leistet laut Werksangaben 80 Watt pro Kanal an 8 Ohm. Wer aber einen Blick auf die gigantische Netztrafo-Torte wirft, die fast die gesamte rechte Gehäusehälfte einnimmt, ahnt schon, dass diese Angabe branchenunüblich eher unter- als übertrieben ist, und dass sich der angegebene Wert an 4 Ohm nahezu verdoppeln und an 2 Ohm sogar fast vervierfachen dürfte.

Zumal die Sinusleistung ohnehin in der Praxis keinen Einfluss auf den Klang hat, solange sie einen gewissen Mindestwert nicht unterschreitet. Entscheidender ist ein konsistentes, für Gehör und Gehirn natürlich wirkendes Klirrverhalten, das sich im dynamischen Betrieb keine Unstetigkeiten erlaubt und auch gegenüber wild schwankenden Anforderungen seitens des Lautsprechers möglichst unbeirrt bleibt.

Das bekommt Naim seit jeher sehr gut hin: mit Endstufenschaltungen, die auf große Open-Loop-Bandbreite und -Sauberkeit setzen und daher mit relativ wenig Über-Alles-Gegenkopplung auskommen – und mit einer thermisch wie elektrisch unerschütterlich stabilen Konstruktion.

Mir ist in bald dreißig aktiven HiFi-Jahren als Tester, Verkäufer (vor langer Zeit) und Nutzer von Naim Amps noch nie eine defekte Naim Endstufe begegnet.

Und dies trotz zum Teil haarsträubender Bedienfehler wie dem versehentlichen Parallelschalten zweier Endstufen durch vergessene Anschlussbrücken am Lautsprecher: Da raucht’s normalerweise innerhalb von Sekunden, während die zwei Naims damals minutenlang versuchten, sich gegenseitig umzubringen, dabei aber letztlich erfolglos blieben.

Mit vorzeitigem Ableben der Uniti Nova Endstufe ist daher wohl auch nicht zu rechnen. Zumal die Grundschaltung gegenüber den klassischen Stand-Alone-Endstufen weitestgehend unverändert scheint und, anders als die kleinen Geschwister Star und Atom, auch noch vollständig aus klassisch bedrahteten Bauteilen aufgebaut ist.

Ein Déjà-vu bereitet dann auch der leicht erhöhte Rauschgrund der alten Schaltung: Mit dem Ohr am Hochtöner (und bei Hörnern oder anderen Hochwirkungsgrad-Konstruktionen auch von etwas weiter weg) nimmt man ein zartes, neutrales, von der Lautstärkeeinstellung unabhängiges Rauschen wahr. Das nur, damit niemand sagt, wir hätten das verschwiegen. Aber man muss gezielt danach suchen, denn vom Sessel aus kann man es nicht hören.

Der Hörtest

Was man dagegen sehr gut hört, ist das Temperament und die ungebremste Dynamik des Naim Uniti Nova, der mit seinen ersten paar Dutzend Watt (denn mehr dürften beim Hörtest unter Wohnraumbedingungen nie geflossen sein) so großzügig umgeht, als hätte er nicht knapp hundert, sondern Tausende davon in der Hinterhand.

Cover Art Plunch Fever Ray
Plunge: Fever Ray (Cover Amazon)

Perkussion- und effektgespickte Aufnahmen wie etwa das neue Album Plunge von Fever Ray zünden damit wie Zimmerfeuerwerke, hüllen den Hörer ein in Wolken aus ansatzlos knackigen Claps, Clicks und anderem perkussivem Gedengel.

Die Stimme von Fever-Ray-Zentralfrau Karin Dreijer Andersson ist über das Album hinweg meist mehr oder weniger stark verfremdet, bleibt aber bei aller gewollten Künstlichkeit stets angenehm, facettenreich und geschmeidig.

Der Eindruck wiederholt sich bei ganz trocken und unbehandelt aufgenommenen Vocals – etwa auf Susanne Sundførs ergreifender Liedersammlung Music For People In Trouble oder den (nur vom Titel her ähnlichen) Sad Songs For Dirty Lovers von The National.

Cover Art Susanne Sundfor: Music For People In Trouble
Bewegende Musik von Susanne Sundfør: Music For People In Trouble (Cover: Amazon)

Egal ob Sundførs Alt, Matt Berningers Bariton oder Tone Wiks Sopran (auf der fabelhaft räumlichen 2L-Aufnahme Bellezza Crudel) – die Stimmen leben durch die griffig-direkte, ungekünstelte Wiedergabe des Nova ungemein auf, bleiben aber auch an schwierigen, tonal heiklen Stellen stets auf der saftigen, genießbaren Seite.

Das ist ein Punkt, an dem sich der Naim Uniti Nova von klassischen Naims der 80er und 90er Jahre unterscheidet: Er bietet deren Timing und Lebendigkeit, ist jedoch im Ton glatter, edler und zugänglicher als die mitunter etwas herb wirkenden Vorfahren.

Enorm glatt sogar – auf ganz positive Weise: Der Klang hat Gewicht und Volumen, dehnt sich weit in den Raum aus, bleibt jedoch immer präzise definiert, mit akkuraten Kanten und wie poliert wirkenden Oberflächen.

Als Lautsprecher dienten in diesem Test Naims eigene Klassiker SBL, die – wenig überraschend – hervorragend passten, als Empfehlung aber schon deshalb nur eingeschränkt sinnvoll sind, weil sie seit 15 Jahren nicht mehr gebaut werden.

Damals und heute: Um funktional mit dem Nova mithalten zu können, braucht die Vor-Endstufenkombi aus den 90ern (Naim NAC102/NAP180/HiCap) noch einen separaten Netzwerkplayer (Linn Sneaky, im Hintergrund). Leider kann sich die Kombi aber auch klanglich nicht wirklich absetzen. Im Zweifel macht man also Tabula Rasa auf dem Tabula Rasa (einem der wohnlichsten und nachhaltigsten HiFi-Möbel übrigens) und ersetzt alles mit dem schönen Uniti (Foto: B. Rietschel)

Auch aus aktueller Produktion haben wir eine ganze Reihe von Lautsprechern probiert. Ganz erstaunlich war die Synergie mit den winzigen, aber hochgezüchteten Totem-Kompaktboxen Sky – eine Kombination, die enorm „schnell“, impulsgenau und zugleich verblüffend großvolumig spielte: Understatement in doppeltem Sinne, denn einerseits käme niemand darauf, dass da mit dem Naim Uniti Nova und den Skys fast 9.000 Euro auf dem Sideboard stehen und andererseits übertrifft die akustische Größe dieser kompakten Kette selbst optimistischste Erwartungen.

Natürlich funktionieren auch die Boxen von Focal hervorragend am Nova – Nach der Fusion von Focal und Naim dürften die französischen Lautsprecher wohl auch in Salisbury bei der Feinabstimmung der Amps eingesetzt werden.

Probiert haben wir eine Aria 926 für rund 2.000 Euro, die als ausgewachsene Standbox mit hochmoderner Treibertechnik absolut riesig und unbestechlich neutral spielte. Klasse auch die DALI Opticon 6, die im Bass etwas weniger, dafür in der Raumabbildung noch mehr Präzision lieferte.

Man könnte die Liste lange fortsetzen, denn letztlich erwies sich der Nova als sehr universell – wie ein ganz normales, nur eben sehr gutes, mitreißend musikalisches HiFi-Gerät. Das neben sich zwar weitere Geräte duldet, aber eigentlich keine benötigt.

Denn alles, was Musik in digitaler Datei-Form enthält, spielt der integrierte Streamer perfekt, wandelt der bordeigene D/A-Wandler in überragender Offenheit, Frische und Natürlichkeit – und verstärkt die eingebaute Endstufe mit jener Kombination aus Autorität und Eleganz, die eben nur ausgereifte High-End-Verstärker so hinbekommen.

Analogfans müssen sich allerdings mit dem Gedanken anfreunden, dass der Nova die Signale der analogen Eingänge digitalisiert. Echte Puristen werden das nicht wollen, aber es ist halb so schlimm: LPs – im Test abgespielt über einen Linn LP12 mit Ekos-Tonarm und einem Audio-Technica VM740ML am Phono-Preamp Natalija von Rike Audio – klangen über den Line-Input dennoch wunderbar natürlich, seidig und „analog“.

Wie das sein kann? Dafür gibt es mindestens zwei Erklärungen: Erstens ist der von Naim verwendete A/D-Wandler offenbar von guter Qualität und auch korrekt implementiert worden. Und zweitens ist das geheimnisvolle „Analoge Etwas“, das Plattenfans (zu denen sich auch der Autor zählt) so schätzen, ganz überwiegend eine additive Komponente.

Es kommt beim Abtastvorgang also etwas dazu, und zwar in so reichlichem Umfang, dass es mühelos auch einen A/D-D/A-Prozess überlebt. Auch einige der beim Test gestreamten Musikfiles waren Vinyl-Rips – und selbst die klingen definitiv wie Platte, nicht wie ein gestreamtes Digitalfile.

Grund für den Verzicht auf einen rein analogen Signalweg ist die Multiroom-Fähigkeit des Naim Uniti Nova: Man könnte ja womöglich auch mal in anderen Zimmern des Hauses Musik hören wollen, oder gar in allen gleichzeitig.

Und das geht beim Nova eben nicht nur mit den digitalen, sondern mit allen Quellen: Der Plattenspieler spielt dann eben nicht nur am Nova im Wohnzimmer, sondern zum Beispiel auch über die Atoms in der Küche und der Bibliothek und/oder den Star in der Zigarrenlounge.

Fazit

5.000 Euro sind ein Haufen Geld – zumindest für Musikfreunde ohne begehbaren Humidor, und auch wenn man nicht mehrere, sondern nur einen Uniti zu kaufen gedenkt.

Der Gegenwert, den der Naim Uniti Nova bietet, ist jedoch immens: Die Suche nach einem guten Verstärker und einem optimal dazu passenden Player ist auf einen Schlag erledigt, die fruchtlose Kabeldiskussion im Keim erstickt und gegenüber der alten Anlage locker ein Meter Regalfläche gewonnen.

Das einzige was bleibt, ist passende Lautsprecher zu finden und mit dem Naim-eigenen, preiswerten NACA5-Kabel in passender Länge anzuschließen. Um sich dann beruhigt für viele Jahre aus dem HiFi-Zirkus zu verabschieden: Ich bin dann mal Musikhören.

Naim Audio Uniti Nova
2017/11
Test-Ergebnis: 4,8
Überragend
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Klingt sehr musikalisch, dynamisch und natürlich
Offen für alle wichtigen Digitalquellen
Gewohnt saubere und Klang-orientierte Verarbeitung
Bester Streaming-Verstärker seiner Klasse

Vertrieb:
Music Line
Hainbuchenweg 14–18
21224 Rosengarten
www.music-line.biz

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Naim Audio Uniti Nova: 5.000 Euro

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Autor: Bernhard Rietschel

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Bernhard Rietschel ist gelebte HiFi-Kompetenz. Sein Urteil zu allen Geräten ist geprägt von enormer Kenntnis, doch beim Analogen macht ihm erst recht niemand etwas vor: mehr Analog-Laufwerke, Tonarme und Tonabnehmer hat keiner gehört.