Der kürzlich vorgestellte Phono-Preamp Grimm Audio PW1 ist das jüngste Produkt im HiFi-Programm des renommierten niederländischen High-End-Herstellers. Offiziell steht das Namenskürzel „PW“ für „Phono Wizard“; ebenso jedoch auch für die Initialen seines Entwicklers: dem Grimm-Mitbegründer Peter van Willenswaard. Seiner Ansicht nach stellen Phono-Vorverstärker die Königsdisziplin in Sachen Verstärkerentwicklung dar (eine Auffassung, die ich aus eigener Erfahrung uneingeschränkt teile). Und van Willenswaard muss es wissen: Neu konstruierte sowie Redesigns existierender Phono-Amps in annähernd dreistelliger Anzahl verhalfen ihm im Laufe von Jahrzehnten zu einem unermesslichen Erfahrungsschatz.
Mit der Vorstellung des PW1 setzt Grimm Audio auch in Sachen Marken-Image ein deutliches Zeichen. Bislang kam prompt die Frage, sobald ich erwähnte, aktuell einen Phono-Preamp von Grimm Audio zu testen: „Wie bitte – eine Phono-Stage von Grimm? Die machen doch sonst nur Digitales und Aktivlautsprecher.“ Diese Einschätzung greift das nachfolgende, englischsprachige Video ebenfalls auf: Doch neben vielen interessanten Konstruktionsdetails des Grimm Audio PW1 verrät Peter van Willenswaard hier auch, dass der Beginn dieses Projektes bereits etliche Jahre zurückliegt – der PW1 kommt also keineswegs „wie Kai aus der Kiste“ .
Aufgrund ihres geringen Funktionsumfangs fristen Phono-Preamps ihr Dasein meist auf optisch unauffälligen Plätzen im HiFi-System. Im Falle des Grimm Audio PW1 wäre das eher schade, kommt er doch mit kubisch-minimalistischem Design ausgesprochen schick daher. Trotz kompakter Abmesungen ist der PW1 mit 3,3 Kilogramm ein echtes Schwergewicht in seiner Klasse. Sein aus dem Vollen gefrästes Aluminium-Gehäuse, in dem ein als Einschub konstruiertes, verkupfertes Metallchassis ruht, hinterlässt denn auch einen mechanisch unerschütterlichen Eindruck. Das Ganze hat allerdings seinen Preis: Exakt 4.999 Euro müssen Grimm-Audio-PW1-Aspiranten auf den Tisch legen.
Die Ausstattung des Grimm Audio PW1: Keep it simple
Wie die meisten seiner Mitbewerber besitzt auch der Grimm PW1 nur ein einziges, primäres Bedienelement – den rückseitig angeordneten Netzschalter. Das dürfte die allermeisten Vinyl-Liebhaber jedoch kaum stören, da sie ihren Phono-Vorverstärker aus klanglichen Erwägungen ohnehin permanent eingeschaltet lassen.
Exklusive Phono-Preamps wie der PW1 haben es mit den unterschiedlichsten Tonabnehmern zu tun – angefangen bei Moving Magnet, Hi-Level Moving Coil; Moving Coil bis hin zu Low Output MC. Dank weitreichend einstellbarer Verstärkung von 37 bis hin zu stattlichen 77 Dezibel deckt der Grimm PW1 die gesamte Pickup-Spannbreite locker ab. Durch geschickte Zuordnung der DIP-Schalter zu den Verstärker-Sektionen kann dies sogar in praxisgerechten 10-Dezibel-Schritten erfolgen. Das ermöglicht eine optimale Dynamikanpassung für jegliche Art von Tonabnehmern.
Wie in obiger Slideshow zu sehen, verfügt der Grimm Audio PW1 neben der Verstärkungseinstellung auch über zahlreiche Optionen zur Impedanzanpassung an den verwendeten Tonabnehmer. Für MM-Systeme weist der Eingangswiderstand dabei den international genormten Wert von 47 Kiloohm auf, daher stehen hier naturgemäß nur unterschiedliche Parallelkapazitäten zur Verfügung, die sich einzeln oder auch additiv zuschalten lassen.
Technik: Weniger ist mehr
Das technische Konzept des Grimm PW1 stellt die Essenz von van Willenswaards bislang gesammelten Erfahrungen dar: eine asymmetrische (single ended) Grundschaltung mit möglichst wenig (aktiven) Bauelementen im Signalweg, die sich strukturell an klassischen, hochwertigen Röhren-Vorverstärkern orientiert. Diese Vorgabe findet sich im PW1 in der Tat konsequent umgesetzt: So enthält sein Signalweg pro Kanal lediglich drei ultra-rauscharme Feldeffekt-Transistoren (einer im MC-Gainblock; die beiden anderen in der MM-Stufe) plus einem integrierten Operationsverstärker als niederohmige Ausgangsstufe (sog. Buffer).
Vinyl-Techies ahnen es bereits: Auf negative Rückkopplung (Gegenkopplung) verzichtet der Grimm Audio vollständig, während die R.I.A.A.-Entzerrung komplett passiv erfolgt – dies, wie unsere Messung beweist, sehr genau (+/- 0,5 Dezibel) bei perfekt invertierendem Phasengang zur Schneidkennlinie der Schallplatte.

Einen groben Überblick über den Signalfluss im Grimm Audio PW1 vermittelt nachfolgendes Blockschaltbild – wie sich während der Messungen zeigte, nur in etwa dem realen Verlauf entsprechend. Wir haben bei Grimm Audio nachgefragt: Wie vermutet, wird bei MC-Betrieb der MC-Gainblock dem MM-Vorverstärker vorgeschaltet – beide Stufen arbeiten dann seriell (ihre Verstärkungsmaße addieren sich) und nicht autark, wie im Blockdiagramm dargestellt.

Stromversorgung: Alles geregelt
Aufs Wesentliche konzentrierte Verstärkerschaltungen mit nur wenigen aktiven Bauelementen wie im Grimm Audio PW1 entfalten ihre volle Qualität prinzipbedingt nur bei optimaler Stromversorgung. Darum gingen die Niederländer auch in dieser Hinsicht keinerlei Kompromisse ein. Das beginnt bereits beim Netztransformator: Dank praktisch streufeldfreien Aufbaus kann er problemlos im Gehäuse Platz nehmen, ohne Brummstörungen zu induzieren – recht außergewöhnlich für Phono-Preamps mit ihrer hohen, dazu noch tiefenbetonenden Signalverstärkung.

Eine echte Spezialität sind auch die Regelkreise, die für die stabile, brummfreie Gleichspannungsversorgung der Verstärkereinheiten sorgen. Im Gegensatz zu den hierfür üblicherweise verbauten, integrierten Festspannungsreglern verwendet Grimm Audio im PW1 diskret aufgebaute, sogenannte Shunt-Regler. Vergleichbar einem Lautsprecher, angeschlossen an einen Verstärker, verbindet sich hierbei die zu versorgende Last (sprich: die Verstärkereinheiten) mit dem Ausgang des Shunt-Regelkreises. Dieser arbeitet in der Tat ähnlich wie eine Gegentakt-Endstufe mit definiertem Ruhestrom über die Ausgangstransistoren parallel zum Lastkreislauf. Und genau das führt zu einem äußerst stabilen Arbeitspunkt bei perfektem Regelverhalten, verglichen mit den üblichen, nur in Längsrichtung arbeitenden Festspannungsreglern.
Hörtest
Zunächst galt es, eine angemessene Umgebung für einen umfassenden und damit repräsentativen Hörtest zu finden. Kein Problem, weiß ich doch mit Fastaudio ein wahres Vinyl-Dorado in unmittelbarer Nachbarschaft: Spezialisiert auf anspruchsvolles Analog-HiFi, Lautsprecher und Raumakustik, betreibt Inhaber Thomas Fast in Stuttgart-Bad Cannstatt sicherlich eines der originellsten und attraktivsten HiFi-Geschäfte Deutschlands.
Egal ob Laufwerk, Tonarm, Tonabnehmer oder Phono-Vorstufe – bei Fastaudio gibt sich die Vinyl-Elite ein Stelldichein. Bei einem solchen Angebot wundert es nicht, dass sich der PW1-Hörtest zu einer tagesfüllenden Veranstaltung entwickelte. Es würde deutlich zu weit führen, all die durchgeführten Kombinationen separat beschreiben zu wollen – Einzelheiten zu den beteiligten Komponenten finden sich daher in den Bildunterschriften der nachfolgenden Slideshow.
Wie der Zufall es wollte, versammelten sich beim Grimm-PW1-Hörtest vier renommierte Phono-Preamps mit teils gegensätzlicher Schaltungsphilosophie: Zwar arbeitet der Thöress Phono Entzerrer (ca. 9.300 Euro) ebenso wie der PW1 nach dem Single-Ended-No-Feedback-Pinzip, verwendet jedoch Röhren als verstärkende Elemente. Auch der Phasemation EA-350 (ca. 5.200 Euro) verzichtet auf Über-Alles-Gegenkopplung, setzt allerdings auf symmetrische Signalverstärkung mittels Halbleiter plus Step-Up-Transformator für den MC-Eingang. Der Blue Amp Model 42 Mk III (ca. 18.500 Euro) hingegen verstärkt ebenfalls ausschließlich mit Halbleitern, arbeitet dabei jedoch konsequent durchweg symmetrisch (balanced) vom Eingang bis hin zum Ausgang.
Obwohl der Grimm Audio PW1 das günstigste Angebot (…wenn man das mal so sagen darf) aller Phono-Preamps im Test-Setup war, brachte ihn die illustre Umgebung keineswegs in klangliche Verlegenheit. Ich erinnere mich noch gut an die ersten Takte des Albums “Wide Awake” des Amsterdamer Duos Haevn; was mir, wiedergegeben über den PW1, spontan ein kurzes, aber anerkennendes „Ui!“ entlockte. So finden sich auf meinen Testnotizen denn auch ausschließlich Komplimente wie etwa „stabiler Fokus bei geschmeidiger, nicht überkontrastierter Konturenschärfe, ungezwungene Natürlichkeit, tonliche Eleganz.” Tatsächlich zeigte sich der Blue Amp Model 42 Mk III im Tieftonbereich noch eine Nuance nachdrücklicher, was ich jedoch, zumindest im Test-Setup, nicht als zwingend erforderlich empfand.
Dabei verhielt sich der Grimm Audio PW1 keineswegs elitär, lediglich mit absoluten Weltklasse-Tonabnehmern wie etwa dem Lyra Etna Lamda überzeugend aufzuspielen. Natürlich ließ er die systemischen Klangunterschiede zwischen den Pickup-Wandlertypen klar erkennen, verhalf jedoch auch Budget-MM-Tonabnehmern wie dem Nagaoka MP-150 zu einer beachtlichen Performance. Zum Abschluss eines langen Hörtesttages stand für mich denn auch fest: Müsste ich mich jetzt für einen der Kandidaten entscheiden, fiele die Wahl ohne Zögern auf den Grimm Audio PW1.
Fazit Grimm Audio PW1
Zweifellos kommt man bei Phono-Preamps mittels entsprechender Vorgaben – wie etwa dem Werk „The Sound Of Silence“ von Burkhard Vogel – zu Schaltungslösungen, die sich messtechnisch dicht am Rande des theoretisch Machbaren bewegen. Tatsache ist jedoch auch, dass die menschliche Wahrnehmung geradezu bewundernswert geschickt über die mannigfaltigen, übertragungstechnischen Unpässlichkeiten des Mediums Schallplatte „hinweghören“ lässt, objektiv deutlich präzisere digitale Tonkonserven dagegen vielfach als klanglich schlechter empfindet. Somit stellt sich die berechtigte Frage, inwieweit messtechnische Perfektion allein für klanglich überzeugende Phono-Preamps wirklich zielführend ist.
Nicht umsonst also folgte Peter van Willenswaard bei der Entwicklung des Grimm Audio PW1 konsequent einer holistischen Maxime: der (Hör-)-Erfahrung – sprich: möglichst geschickt mit dem umzugehen, was das Aufzeichnungsfenster der Schallplatte hörbar machen kann. Das erinnert in der Tat an Jahrtausende alte, fernöstliche Kulturweisheiten, bei denen Erfahrung als „erleuchtendes“ Aha-Erlebnis stets die Schlüsselrolle spielt. Kein Zufall also, dass Grimm-Mastermind Eelco Grimm die Schaltungsweise des PW1 als „Zen-Entwurf“ bezeichnet.
Stellt der PW1 nun, wie die Titelzeile fragt, tatsächlich einen Paradigmenwechsel in der digital geprägten Grimm-Firmenhistorie dar? Meiner Ansicht nach keineswegs: Wenn, wie bei Grimm Audio, das optimale Klangerlebnis im Mittelpunkt steht, kann auch eine im Wesentlichen auf Erfahrung basierende „Weniger-ist-mehr“-Lösung genau die richtige sein. Der Grimm Audio PW1 liefert dafür den überzeugenden Beweis.
Bewertung
Klang:Praxis:Verarbeitung:Gesamt: |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Vorbildlich neutraler, transparenter und leuchtkräftiger Klang |
| Flexibler Gain-Einstellbereich bis hin zu 77 Dezibel |
| Vielfältige Optionen zur Tonabnehmer-Anpassung |
| Gediegene Verarbeitung |
Vertrieb:
Hörzone GmbH
Balanstraße 34
81669 München
Telefon: +49 89 721 10 06
www.hoerzone.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Grimm Audio PW1: 4.999 Euro
Technische Daten
Grimm Audio PW1 | |
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Konzept | Phono-Verstärker für MM und MC |
Besonderheiten: | Verstärkungs- und Lasteinstellungen unter der Bodenplatte, geräuschloses lineares Netzteil, abgeschirmtes Kupfergehäuse |
Ein-/Ausgänge: | Input: 1 x MM, 1 x MC (RCA), Output: 1 x RCA, 1 x XLR |
Abmessungen (BxHxT): | 35,5 x 8,5 x 29,5 cm |
Gewicht: | 3,3 kg |
Alle technischen Daten |
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