Das muss man keinem schlauen Menschen erklären: Ein Netzteil in einer Phonostufe kann für Ungemach sorgen – es entstehen elektromagnetische Emissionen. Gerade die winzigen Signale aus den Tonabnehmern sind da sensibel. Es kann brummen. Das ist der Hauptgrund, warum fast alle Hersteller von Phonostufen das Netzteil in ein eigenes Gehäuse bauen und auslagern. Sogar die Günstig-Anbieter folgen der Logik – mit zumeist billigen Schaltnetzteilen aus Fernost. Doch nun kommt die Überraschung: Fezz Audio, bekennender Hersteller bester Röhren-Amps, integriert sein Netzteil in die brandneuen Fezz Gratia Evo Prestige MK2. Hinein geht es direkt über einen dreipoligen Kaltgerätestecker, nix externe Box. Die müssen verrückt sein, diese Polen…
Nein, so verrückt sind sie nicht. Es genügt eine kleine Zeitreise. Fezz Audio ist eigentlich ein Liebhaber-Projekt. Die wirklichen Umsätze generierte Lech Lachowski mit Ringkern-Ausgangsübertragern. Toroidy heißt das mittelständische Unternehmen am harten östlichen Rand Polens. Der Namenszug steht heute am Firmengebäude gleich neben dem von Fezz. Kurzfassung: Toroidy baute und baut noch immer ein paar der aufwändigsten Stromlieferanten für die weltweite Audiogemeinschaft. Dann verschwinden die Meisterwerke zumeist namenlos bei den ganz großen High-End-Marken. Warum nicht selbst eine Firma starten? So ist Fezz entstanden, so klärt sich auch die Frage nach dem internen Trafo der neuen Phonovorstufe. Das ist das Luxusmodell der Polen, massiv verkapselt und in seinem Streufeld faktisch physikalisch nicht vorhanden. Ein Extra-Gehäuse würde nur Platz im Rack fressen mehr Geld kosten.

Ein fein austariertes Preisleistungsverhältnis ist genau der Markenkern von Fezz. Hier gibt es Röhrenklang aus Europa, zwar nicht in der Preisliga der Chinesen, aber im Verhältnis erstaunlich menschenfreundlich. Zumal Fezz nun auch optisch die Messlatte hochlegt, feines Design, sieben Farben – siehe Slideshow:
Und muss man für die bunten Farben extra zahlen? Nein, egal ob „Burning Red oder „EverGreen“ – alle Gratia Evo Prestige MK2 kosten 1.995 Euro. Als Branchenkenner staunt man. Die Anfassqualität ist erhaben, die Gegenwart von echtem Handwerk hoch. Zum Klanglichen kommen wir später.
Fezz Gratia Evo Prestige MK2: die technischen Details
Erst gilt es zu klären, woher das MK2 in den Namen kommt. Der Ur-Gratia war eine schwarze Kiste mit begrenzter Feinregelung für das Zusammenspiel mit den vielfältigen Tonabnehmern. Vieles ist geblieben, vornehmlich auf der Rückseite. Da gibt es vier kleine Drücker. MM oder MC? Subsonic on? Gain plus 6 dB? Stereo oder Mono? Dazu noch einen Schalter für die Wahl der Erdung. Der Push in die Gegenwart ist auf der Front zu sehen und zu fühlen. Da liegen zwei große Drehschalter, als ob es ein Vollverstärker wäre. Doch hier steht die Wahl von „Load“ und Kapazität an. Also in physikalischen Werten: vier Schritte von 100 bis 1000 Ohm, dazu ebenfalls vier Schritte von 220 bis 0 Picofarad. Das deckt nach unserer Erfahrung über 90 Prozent aller Kontakte zu den Tonabnehmern dieser Welt ab. Der Rest ist winzig und liegt außerhalb einer echten Marktbedeutung. Fernbedienung? Gibt es nicht, wozu auch? Einmal das Ideal gefunden, sollte man seine Finger von Spielereien lassen. Obwohl: Ich könnte auch zwei Plattenspieler oder zwei Arme mit dem Gratia Evo Prestige MK2 verbinden. Auf der Rückseite gibt es nur einen Ausgang, aber zwei Eingänge – getrennt für MM- oder MC-Abnehmer.

Weit wichtiger für das Erleben ist das zentrale Fenster auf der Oberfläche. Vom Hörsofa aus sieht man nur ein dezentes Glimmen. Wer die beiden Röhren in voller Pracht sehen will, muss sich über den MK2 beugen. Das ist natürlich kein Wald wie bei den Endstufen oder Vollverstärkern von Fezz, doch auch die eher kleinen ECC82 / 12AU7 haben Wirkkraft. Vom Werk aus nutzt Fezz hier ein Doppel des Herstellers TAD – eine chinesische Werkstatt fertigt sie für den „Tube Amp Doktor“.

Die TAD-Röhren sind primär begehrt bei Musikern, für deren Studio- oder Bühnen-Amps. Da sprechen die Fans mitunter sogar von einem „cremigem Sustain“. Jeder schlaue Geschäftsmann würde genau an dieser Stelle in seine Rattenfänger-Flöte pusten: Lieber Kunde, wir haben extra für dich die seltensten, besten Röhren besorgt, kostet zwar genau so viel wie die Phonostufe selbst, aber es lohnt sich! Genau dieses Spiel spielt Frank Urban vom deutschen Vertrieb Audium nicht mit. Eine Version gibt es – basta. Wer von beglückenden, verschollen geglaubten Röhren träumt, darf sich diese gern beim Händler des Vertrauens beschaffen. Eine Empfehlung spricht Audium nicht aus, man vertraut den Freunden aus Polen.

Obwohl – Fezz hat die beiden 12AU7 nicht nur schmückend unter Glas gelegt. Besagte Sichtplatte ist mit zwei Fingern auch nach links schiebbar. Dann einfach die Röhren heraus zupfen und neue einfügen (Vorsicht: abkühlen lassen).
Noch ein paar Sätze zum Schaltungskonzept. Fezz setzt hier auf einen komplett diskreten Aufbau – in zwei Steps. Die Röhren liegen dabei in der Ausgangsstufe, davor nutzt Fezz einen Burson Supreme Sound Opamp V5i. Eben ein Operationsverstärker, klein und auch ein Markenkern vieler weiterer Fezz-Stufen. Man muss sich einen Maikäfer vorstellen – acht vergoldete Beine, darüber zwei winzige Platinen. Da gibt es ein IC, aber auch miniaturisierte Keramikkondensatoren aus japanischer Fertigung, alles unter einer Aluhaube verkapselt.

Auch der V5i ist diskret ausgelegt – und wie wir alle wissen, kann die gute alte LP deutlich höhere Frequenzen wiedergeben als die 20-Kilohertz-CD. Logisch, dass auch der V5i eine Bandbreite bis 50 Kilohertz verspricht. Burson Audio ist eine Macht in diesem Geschäft, vor über 20 Jahren gegründet und im australischen Melbourne daheim.
Hörtest
Wir haben mehrere Plattenspieler für diesen Test aufgebaut, dazu noch unterschiedliche Tonabnehmer montiert. Die Kopplung an den Fezz gelingt maximal problemlos, einfach an der Front die Schalter klacken lassen, wenn nötig. Die vielleicht anstrengendere Frage: Womit hören? Ringo Starr hat wieder eine LP pressen lassen. Auf dem Cover von „Look Up“ (siehe auch Rezension) zeigt sich der Drummer mit großformatigem Cowboy-Hut. Das ist eine Ansage und hat Programm: Country, überall Country. Nicht vergessen: Bei den Beatles hat er früh dem Genre gehuldigt, zudem lebt der Mann an der US-Westküste. Schon im ersten Song „Breathless“ wirft er ein typisches Schlagzeug-Intro ein, Stars wie Billy Springs, Molly Tuttle und Alison Krauss schauen vorbei. Das wird ein Ritt.

Und die Gratia Evo Prestige MK2 liegt voll auf dramaturgischer Linie: viel Peng auf den Trommelfellen und den hellen Gitarrensaiten. Die beiden Röhren sind hier sicherlich keine Weichspüler. Aber sie vermitteln den Wohlfühlsound eines alten Gitarrenverstärkers im Studio oder eben die bierselige Atmosphäre in einem amerikanischen Country-Club. Ringo singt zudem besser als je in seiner Karriere. Alles richtig gemacht. „Come Back“ schlurft atmosphärisch dicht über die Klangbühne. Das könnte auch eine Live-Aufnahme sein. Zum Vergleich haben wir den Tom Evans The Groove daneben gestellt – ein echtes Arbeitstier in unserem Redaktionsalltag. Der aber im Kontrast zum Fezz etwas zurückhaltender aufspielte, vielleicht auch weniger plastisch. Die Polen lassen es mehr rocken.

Kann es auch kritisch, brachial, uncharmant werden? Nein, es gibt auch bei schlecht-gemixten Platten immer etwas Friedvolles. Da hört der Kenner die großformatige, stabile Stromversorgung – da wird nichts eng. Eric Clapton hat sein Album „Meanwhile“ auch in Vinyl gepresst. Bei „Moon River“ wird es sentimental, Jeff Beck gesellt sich mit seiner Gitarre hinzu. Ein Titel für die ultimative Behaglichkeit. Obwohl: Der harte Stick auf dem Rand der Snare-Drum klingt kantig, in analytischen Ketten wird es unangenehm. Die Gratia Evo Prestige MK2 gibt das „Knack, Knack“ als genau jenen Takt-Motor, den Eric Clapton haben wollte – da ist wieder die Hochenergie, aber mit deutlich mehr Körper als selbst im besten High-Res-Stream. Da ist Vinyl schlicht überlegen. Der Groove zeigt auch Bodenhaftung, verheimlicht aber die dynamische Kraft.

Aber wir haben zum Vergleich auch etwas Hausinternes aus dem Fezz-Fundus hinzugezogen – den Gratia in der Urfassung, ohne Knöpfchen an der Front, als reines, etwas schmuckloses Arbeitstier ausgelegt. Genetisch hört man die Verwandtschaft sofort, da ist wieder diese Analyse von dynamischer Vielfalt. Aber er kommt nicht an den Reichtum, die Pracht des größeren Nachfolgers heran (was den „Kleinen“ aber noch immer zum Super-Preis-Tipp erhebt).

Bleiben wir bei dem nagelneuen Gratia Evo Prestige MK und schauen weiter in den Plattenschrank. Haben wir nur alte, weiße Männer? Warum nicht? Die Plattenwahl könnte auch Konzept sein, zumal uns gerade eine Luxuspressung von in-akustik erreicht hat: „Le Son Vrai!“, ein Sampler von Métronome Technologie.

Da bebt die Nadel, da pumpen die Membranen. Ein gefährlicher Subbass, den man mehr spürt, als hört. Die üblichen Attacken der Blechbläser, ein helles Schlagzeug – und dennoch soll der Song eher Easy-Listening sein. Also ein Spagat. Da kamen in unserem Test gleich mehrere Vergleichsvorstufen an die Sinngrenze. Der Fezz ließ es krachen und zugleich fließen. Toll die Präzision, der unnachgiebige Druck, aber alles elegant gestaffelt – als würde man in der Mitte eines akustischen Kaleidoskops sitzen. Also genau der Geist, der Yello am Brennen hält.
Fazit Fezz Audio Gratia Evo Prestige MK2
Nennen wir besser keine Namen. Aber der neue Fezz stutzte einige Phonovorstufen aus unserem Testgeräte-Fundus. Er rasierte sie, zeigte mehr Farbe, mehr Lust an der Dynamik – egal ob grob, brachial oder fein. Es müsste eine harte Recherche-Arbeit sein, einen Tonabnehmer zu finden, der hier nicht passt. Die Einstellungsoptionen sind reich, aber nicht überbordend-verwirrend. Alles kann, nichts geht in der klaren technischen wie formellen Sprache unter. Das Design und die Verarbeitung sind großartig. So sehen High-End-Komponenten mit langer Lebenszeit aus. Der Preis ist irritierend human. Da zeigt sich abermals das schlaue Händchen von Frank Urban, der nur Produkte in sein Portfolio aufnimmt, die erschwinglich sind und nicht dem dummen Showeffekt huldigen.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Hohe Dynamik, klanglich reich, aber nie fett |
| Vielfältige Anpassoptionen – elegant über großformatige Schalter |
| Verarbeitung topp, sieben Farben zur Auswahl |
| Günstig |
Vertrieb:
Audium
Catostr. 7b
812109 Berlin
www.audium.com
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Fezz Gratia Evo Prestige MK2: 1.995 Euro
Technische Daten
Fezz Audio Mira Ceti Mono | |
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Konzept: | MM/MC-Phonovorstufe mit Röhren im Ausgang |
Röhrenbestückung: | 2x 12AU7, leicht zu wechseln |
Ausgangsspannung: | 0,5 Volt |
Eingänge: | 1x MM, 1x MC |
Besonderheiten: | Erhältlich in 7 Farben: Schwarz, Silber, Weiß, Rot, Burgund, Champagner, Evergreen (Grün) |
Stromverbrauch: | 15 Watt |
Abmessungen (B x H x T): | 35,5 x 9,5 x 38,0 cm |
Gewicht: | 8,2 Kilo |
Alle technischen Daten |
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