REL ist eine britische Company, die international denkt und agiert, sich aber einen erfreulichen britischem Spleen bewahrt hat: Man entwickelt Subwoofer nicht vor allem für das Heimkino, sondern fein, edel, wohnraumtauglich für das Stereo-Set-up. Das harmoniert und funktioniert grandios. Doch wofür stehen denn diese drei Buchstaben „REL“ und was hat die Krone im Logo zu suchen? Vor allem: Was treibt LowBeats umher, sich diesem Subwoofer mit der Nummer 99 zu widmen?
Von hinten beantwortet: Wir haben im Februar einen Oberklasse-Sub der Briten getestet, den REL S/812 – und er hat uns geflasht, die Kanonenschläge von Tschaikowskys „1812“ inklusive. Fazit des Chefredakteurs: „Als ob man uns eine 3D-Brille aufgesetzt hätte“. Nun der Classic 99, der sich bewusst untechnisch gibt, eher ein lebensnaher Begleiter für den Wohnraum. Andere Zielgruppe, aber mit dem verwandten Wissen der Profis. Und er verzichtet – untypisch für einen Subwoofer – auf die Bass-verstärkende Wirkung der Bassreflex-Konstruktion. Eine geschlossene Bassbox wie man sie vielleicht in den 1960er Jahren ersonnen hätte. Allein das ist schon eine Geschichte…

Zweite Frage: Was hat es mit der Krone auf sich? Sind die Subwoofer-Hersteller gar königliche Hoflieferanten? Sind sie nicht. REL wurde in Großbritannien gegründet, genauer gesagt in Wales – ein Land mit starkem Bezug zur Monarchie und traditionellen Symbolen. Die Krone im Logo spielt auf dieses britische Erbe an und positioniert REL subtil als „königliche Klasse“ unter den Subwoofer-Herstellern: hochwertig, edel, kompromisslos. Also eine Mischung aus Mogelpackung und Prestigedenken.

Erste Frage: warum die drei Buchstaben? REL steht für den Namen des Firmengründers: Richard E. Lord. Der wiederum kein Lord war, aber snobistisch dachte. Im positiven Sinn. Mister Lord wollte Subwoofer entwickeln, die vor allem die Musikalität in Stereo-Systemen unterstützen – ein damals, 1990, sehr ungewöhnlicher Anspruch. Also nicht nur ein Snob, sondern ein vom Spleen angetriebener noch hinzu.
Das Gesicht der Company ist heute John Hunter, der Chefdesigner von REL. Was im englischen Sprachraum, aber den Job eines technischen Entwicklers einschließt. Darüber hinaus ist der Mann auch ein begnadeter Moderator und Erklärer. Er kommt aber nicht mit der Lieferung des Subwoofers ins private Heim – er liebt die Möglichkeiten von Videos auf YouTube:
Gleich zu Anfang spricht John Hunter den Grund an, wie es zu dem Classic 99 kam. Denn REL hat mit dem Classic 98 bereits ein ähnliches Modell im Handel. Verkauft sich gut, wurde von den englischsprachigen Magazinen bejubelt. Warum also den Superseller im Katalog mit einem Nachfolger aushebeln? Weil die Briten halt den Spleen haben, es besser zu können, auch hausintern. Der REL Classic 99 ist im Vergleich zum 98 einfach eine Nummer größer – in fast allem. Äußerlich wirken beide nicht wirklich wie ein Sub, eher wie eine Cajón – das Rhythmus-Instrument aus Mittelamerika. Eine Holzkiste, draufsetzen und den Takt angeben. Oder eben wie ein Hocker, hier in abgedunkeltem Walnuss-Furnier. Sieht ein wenig zu gut-gesittet aus. Da kommt der britische Wohnzimmergeschmack zum Tragen.
REL Classic 99: die Technik
Entgegen der anderen Modelle im Katalog wird hier die Bassenergie nach unten gepustet – Downfiring. Der 98 treibt hier eine 10-Zoll- (25 cm) Membran mit 300 Watt an, der 99 eine 12-Zoll- (30 cm) Membran mit 450 Watt. In beiden Fällen liefert den Schub ein Class-D-Verstärker.

In beiden Fällen besteht die Membran aus verdichtetem Papier (offiziell „Amended Pulp-on-Paper“ – etwa „verdichteter Zellstoff“). Auch optisch und in den Baumaßen wird das „Großer-kleiner-Bruder“-Spiel ausgereizt – 47 Zentimeter gegen 53 Zentimeter in der Höhe. Was aber relativ ist, beide Modelle wirken erstaunlich kompakt für einen Subwoofer mit diesen Leistungswerten. Die US-amerikanischen Mitbewerber bauen hier eher so, als ob es darauf ankommt, möglichst viel Aufhebens um die eigene Potenz zu machen. Ritter gegen Cowboys halt.

Die tiefere Potenz der Männer von der Insel liegt in dem, was moderne Menschen „Connectivity“ nennen. Wie komme ich am besten in den Subwoofer hinein? Was belästigt meine Frau am wenigsten? Wie hole ich das meiste aus dem guten Stück heraus?
Anschluss & Aufstellung
Als neuer Besitzer des REL Classic 99 habe ich mehrere Optionen, mit kleinen Varianten. Eins: Ich gehe über den High-Level-Eingang hinein, den SpeakOn-Anschluss. Da wird es für die Audiophilen warm ums Herz, dazu noch sehr professionell – das ist eher ein Standard in den Tonstudios, wenn der große Amp an die noch größeren Bühnenlautsprecher gepluggt wird. REL liefert das passgenaue Kabel mit einem Neutrik-SpeakOn-Stecker mit. Etwas über 80 Zentimeter – das ist sehr mager, was den Radius angeht. Das Geschäftsmodell könnte einen Trick ahnen lassen. Denn REL bietet in seinem Fundus auch ein besseres, dickeres, längeres Kabel an – wahlweise in 3, 6 oder 10 Metern. Das sollte reichen. Wenn auch die Brieftasche mitspielt. Die Preisspanne beginnt bei 449 Pfund.

Jetzt wird es – primär im Kopf – etwas vertrackt. Warum gibt es da nur drei Kabelenden, wo an den Lautsprecherausgängen des Verstärkers doch vier Schraubklemmen sind? Die Bedienungsanleitung hilft weiter: Black ist der „Ground“, das gelbe Kabel geht zum linken Plus-Pol, das rote zum rechten. Fertig. So erhält der Subwoofer exakt dasselbe Signal wie die Lautsprecher, inklusive der klanglichen Charakteristik des Verstärkers. Nette Idee, praktisch höchst simpel.
Option zwei: Ich stricke ein Cinch-Kabel zum Low-Level-Eingang. Besonders leicht, wenn mein Amp einen Subwoofer-Ausgang anbietet, alternativ einen geregelten Cinch-Vorstufen-Ausgang. Ansonsten muss ich – ungeregelt – konstant die Lautstärke im Verhältnis zu den Stereo-Boxen nachjustieren.
Option drei – jetzt wird es hyperpraktisch für das Zusammenleben: Ein AirShip II Modul. Das kostet extra (350 Pfund), ist von REL aber überaus ambitioniert entworfen worden. Es überträgt das Signal mit niedrigster Latenz und praktisch verlustfrei. Keine Kabel im Wohnzimmer, das hebt das Lebensgefühl und schärft abermals die Zielgruppe.

Auf der Rückseite bestimme ich die Übergabe und Schnittpunkte von Höhen/Tiefen, das LFE-Level und schlicht die Crossover-Vorgaben von 30 bis 120 Hertz. Alles keine Hexerei, kennt jeder HiFi-Freund, wenn nicht, springt der Händler vor Ort ein. Und zwei kleine Kippschalter gibt es noch dazu: Ich kann die Phase um 180 Grad tauschen und bestimmen, ob der Subwoofer dauerhaft an ist oder nur bei Signalen hochfährt.

Folgt man dem Ideal von REL, dann wird der (besser: mindestens zwei) Subwoofer immer parallel zum Lautsprecherset angeschlossen; der Subwoofer „entlastet“ den Lautsprecher also nicht bei den tiefen Frequenzen, sondern fügt einfach noch Bassenergie im untersten Bereich hinzu. Vor allem dann entsteht diese spezielle REL-Faszination mit feineren Mitten und mehr Raumtiefe. Für die Einstellung gilt deshalb: Die Übergangsfrequenz so niedrig wie möglich einstellen. Dafür ist es hilfreich, wenn eine zweite Person am Regler dreht, während man am Hörplatz das Optimum herausfindet.
Die Aufstellung eines Subwoofers unter normalen Umständen ist gar nicht so einfach, weil man vermeiden sollte, allzu viele Raumresonanzen anzuregen und viele Subwoofer von Haus aus vor allem auf viel Bassausbeute und weniger auf Präzision gezüchtet sind. REL ist anders. Besonders der als geschlossene Box aufgebaute Classic 99. Stefan Rauch, Besitzer von Rauch & Schall in München und größter Kenner der REL Woofer im Münchener Raum sagt dazu: „Wenn es sein muss, kann man einen Classic 99 auch in der Ecke positionieren und dann entsprechend einstellen. Das klingt immer noch gut.“ Warum das geht? Der REL ist so linear abgestimmt und hat von sich aus keine Überhöhungen, dass er Dröhnwellen weniger anregt als die meisten anderen Mitbewerber am Markt. Dennoch hat sich in beiden LowBeats Hörraumen die Aufstellung des Classic 99 dicht bei den Lautsprechern als deutlich besser herausgestellt.

Ein Wort noch zur Pegelfestigkeit. REL propagiert ja immer gern die Idee, mehrere Subwoofer im Raum aufzustellen, gern auch übereinander. Das hat nur bedingt etwas mit Pegelfestigkeit zu tun, sondern mehr mit der Anregung der Raumresonanzen. Weil der Classic 99 ja nur additiv arbeitet, funktioniert das System deshalb auch mit einem Subwoofer recht gut – sogar bei Lautsprechern, die erheblich pegelfester sind.
Hörtest
In der Klassik ist die Geschichte des absoluten Tiefbasses überschaubar. Es gab ihn nicht – in der Renaissance, nicht im Barock, auch die Wiener Klassiker waren im Bass eher schlank aufgestellt. Die richtige Wucht kam erst in der Spätromantik auf. Da standen acht Kontrabässe auf dem Podium und insbesondere Mahler ließ den Saal erbeben.
Eine Ausnahme: Die Orgelmusik – Johann Sebastian Bach war auch reisender Orgel-Experte. Er testete die Luft aus den Blasebälgen, die Anschlagspräzision im Tempo, und er liebte die gedackten, extrem großen, damit extrem tiefen Pfeifen. Unnützes Wissen: Die größte Kirchenorgel der Welt steht in Passau im Dom. Deren mächtigste Pfeife ist elf Meter hoch, bei 306 Kilogramm. Das ist kein Ton, sondern ein Brummen bei 16 Hertz – in der katholischen Liturgie wird sie als „Demutspfeife“ eingesetzt, die Gläubigen ringen um Atem und fallen auf die Knie. Schon Arnold Schwarzenegger hat sie 2017 gespielt, kein Scherz. Alles natürlich nebensächlich in der Pop- und Rock-Musik, vom Punk und tiefschwarzem Metal nicht zu reden. Die Schallplatte kann und konnte unter 20 Hertz, die CD nicht, die modernen Streamingformate verändern abermals die Möglichkeiten.

Folgen wir doch bei den Test-Stücken genau in dieser Reihenfolge, mit denen wir den REL Classic 99 an seine Grenzen bringen wollen. Die „1812“-Ouvertüre von Tschaikowsky ist langweilig. Man höre einmal die „Lieder aus des Knaben Wunderhorn“ von Gustav Mahler (entstanden 1887 – 1898). Viele Aufnahmen gibt es, alle messen sich an der Einspielung der EMI unter George Szell (recht frisch nun in 24/192).
„Revelge“ ist böse, inhaltlich wie klanglich. Ein Soldat rührt die Trommel auch nach seinem Tod. Gruselig – Mahler lässt auf die Snare Drum schlagen, dann aber ein Dynamik-Push mit großer Trommel. Hört man an feinen Zweiweglern nicht. An Standboxen ahnt man es, erst mit einem Subwoofer geht der Effekt auf das Zwerchfell – genau wie von Mahler gewollt. Der Bassproduzent ist also musikimmanenter Mitspieler. Der REL Classic 99 liefert. Das Stück taugt auch, ihn perfekt an Kette und Raum einzupegeln. Das geht wie versprochen recht fein, der 99er schafft den Handschlag zu den tiefen Impulsen der Stereo-Membranen der angeschlossenen Dynaudio-Speaker. Das schafft er kernig-harmonisch: als ob er dafür erdacht wäre. Ich glaube, ich brauche ihn.
Die Musikkritiker des „Spiegel“ sind nicht leicht aus der hanseatischen Ruhe zu bringen. Beim neuen Album von „The Mars Volta“ legen sie alle Floskeln ab – „Lucro Sucio; Los Ojos Del Vacio“. „Wohl keine Band erfindet sich so oft so radikal neu wie The Mars Volta. Die Musik ihres neuen Albums wäre ideal geeignet für einen Fahrstuhl ins Weltall.“

Der Track „Reina Tormenta“ hebt ab, peitscht und groovt wirklich wie die Zündstufe an einer Mars-Rakete. Dann wildes Schlagzeug aus allen Stereo-Achsen bei „Enlazan Las Tinieblas“. Können Standlautsprecher gut – aber der Classic 99 gibt den Extrakick. Eine ganz besondere Weisheit stellt sich plötzlich ein: Hey, der kann nicht nur tief: Mit dem Subwoofer kommt mindestens ein Meter Raumtiefe hinzu. Aber der eigentliche Zugewinn: Die Mitten, sogar die Höhen scheinen feiner und müheloser. Ohne Frage ein audiophiler Zugewinn, den man Lautsprecher-seitig mit deutlich mehr Geld erkaufen müsste
Nun wird es unvermeidlich. Als Steigerung kann nur noch Dieter Meier („Yello“) sein „Waba Duba“ in die Mikrofone sprechen. Das ist schönster Dadaismus – so richtig fett abgemischt. Hunde, wollt ihr ewig tanzen? Der Fun-Faktor legt mit dem REL 99 um seinen Namen zu – 99 Prozent mehr. Wieder dieser doppelte Gewinn von zusätzlicher Schwärze plus mehr Feinauflösung der Mitten. Der Ingrimm eines mit der Axt gehauenen Tiefbasses, der knapp über dem Parkett fliegt. Ich brauche ihn.

Fazit REL Classic 99
Selten habe ich einen so starken Haben-Wollen-Impuls gespürt. Äußerlich könnte das eine Sitzkiste für das altdeutsche Wohnzimmer sein (Entschuldigung), aber in der Praxis und der Anpassung an das bestehende Set-up ein gewaltiger Zugewinn. Die Stereofront wirkt aufgeräumter, es gibt positive Rückwirkungen von Tiefbass auch in die Mitten hinauf. Dazu alles souveräner. Stets mit Kontur, nie unscharf – ein musikimmanenter Zugewinn, wie er klarer nicht sein könnte.
Bewertungen
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Mehr Schwärze und Kontur im Tiefbassbereich |
| Deutlicher Gewinn in der Feinzeichnung und der Abbildungstiefe |
| Problemlose Aufstellung, robuster Aufbau, dezenter Auftritt |
| Keine Fernbedienung |
Vertrieb:
REL Acoustics, Ltd
North Road
Bridgend CF313TP
[email protected]
www.rel.net
Preis (Hersteller-Empfehlung):
REL Classic 99: 2.100 Euro
Die technischen Daten
REL Classic 99 | |
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Technisches Konzept: | Aktiv-Subwoofer, geschlossen |
Bestückung: | 30 cm Bass |
Übertragungsbereich: | 24 – 150 Hertz (-6dB) |
Regelbereich: | 20 – 120 Hertz |
Leistung: | 450 Watt Sinus (Class-D) |
Eingänge: | High Level: 1 x Neutrik Speakon, Low Level stereo: 1 x RCA, Low Level LFE: 1 x RCA + 1 x XLR |
Pass-Through-Ausgänge: | 1 x High Level Neutrik Speakon, 1 x LFE RCA, 1 x LFE XLR |
Besonderheit: | REL AirShip (Kablellos-) System (optional) |
Farben: | Nussbaum Furnier |
Abmessungen (H x B x T): | 40,0 × 53,4 x 35,0 cm |
Gewicht: | 22,4 Kilo |
Alle technischen Daten |