Heritage! Alt muss es aussehen. Aber auch klingen? Der auf britisches Traditions-HiFi spezialisierte IAD-Konzern beweist mit der Wharfedale Super Denton, dass Old School auch hochmodern und frisch klingen kann. Zudem bricht die britisch-chinesische Company mit dem Trend zu abgehobenen Preisen. Günstiger, kleiner, klangstärker war ein legendärer Dreiwegler nie zu haben.
Nicht alle Firmengründer sind in dieser Art & Weise mit dem HiFi-Virus infiziert worden, aber erstaunlich viele. Zumeist im elterlichen Keller bei einem Selbstbauprojekt in den 1970er oder 1980er-Jahren. In diesem Fall aber viel früher: Gilbert Briggs nutzte den Keller des Familienanwesens bereits im Jahre 1932 für seine Passion. Aus seiner Bastelei entstand eine Legende unter den HiFi-Companys, eben Wharfedale. Briggs schuf die ersten Modelle mit zwei Wegen und entsprechender Weiche, weshalb Wharfedale zu den absoluten Pionieren der damals noch gar nicht existenten HiFi-Gemeinde zählt. Der Ort seines Schaffens ging nicht in die Geschichte ein, Ilkley ist auch heute noch ein verschlafenes Nest. Zwar in der absoluten Mitte Englands, aber selbst nach Leeds wäre man eine halbe Tagesreise unterwegs.
Hier werden längst keine Lautsprecher mehr gebaut. Aber der nahe Fluss „Wharfe“ steht noch heute für den Firmennamen Wharfedale (wie auch der Linn bei Glasgow). However: Wharfedale gehört heute zur weltweit operierenden International Audio Group (IAG) mit Marken wie Audiolab, Castle, Leak, Mission, Quad und vielen mehr…
Viele Worte zum Einstieg, die aber wichtig sind für die Geschichte der neuen Denton. Denn Wharfedale war die erste UK-Company, die Teil der IAG wurde. Die beiden chinesischen Zwillingsbrüder Michael und Bernard Chang kennen, schätzen und nutzen die Werte der legendären Firmennamen – verändern aber zugleich die Spielregeln. Während Retro-Lautsprecher und -Elektronik wieder en vogue sind und die Konkurrenten heftig den Mythos beschwören, um zeitgleich an der Preisschraube zu drehen, erscheinen die Wharfedale-Meisterwerke zwar auch im historischen Gewand – aber zu drastisch günstigen Preisen. Mit der Linton hat IAG einen Superseller für kleines Geld etabliert. Der sich hunderttausendfach verkauft hat und noch verkauft. Vor vier Jahren jubelten wir unter der Schlagzeile: „Wonneproppen aus einer anderen Welt. Wer zwischen den Zeilen lesen kann, sieht uns beim andauernden Kopfschütteln: Meine Güte, so schön, so klangstark, so günstig…
Wharfedale Super Denton: drei Wege auf kleinstem Raum
Die Linton konnte fast alles, nur nicht klein erscheinen; ein Ständer ist fast unabdingbar. In die Lücke eines echten Kompakt- und Regal-Monitors soll jetzt die Super Denton vorstoßen. Die „normale“ Denton ist ein klassischer Zweiwegler, die „Super“ hingegen wird von Wharfedale mit drei Wegen aufgebaut. Der Basstreiber mit seinen 6,5-Zoll und der Kevlar-Membran scheint identisch, der Gewebehochtöner zumindest verwandt – aber eine Mitteltonkalotte ist ausgesprochen selten.
Auch dies eine Seidenkalotte, aber mit zwei Zoll ist sie doppelt so groß wie die Hochtonschwester. Das Entwickler-Mastermind Peter Comeau konnte hier in den großen Baukasten der IAGroup greifen und nutzte die technische Basis des EVO4-Projekts, das wiederum auf der Top-Serie Elysian fußt. Dort sitzt der Mitteltöner in einer kleinen, formschönen Mulde, bei der Super Denton hingegen wird er robust mit drei Schrauben in der Front arretiert. Spartanisch? Nein, so überhaupt nicht. Das Holzfinish ist anspruchsvoll und müsste manchen Mitbewerber nach Luft schnappen lassen. Das Furnier liegt zwar nur auf MDF auf, doch im Inneren kombiniert Peter Comeau hochverdichtete Spanplatte mit Spezialklebern und Dämpfungselementen.
Die Ahnherren waren nicht so feinsinnig unterwegs. Die Denton 3 aus dem Jahr 1971 konnten wir zwar nicht zu einem Gastspiel in unserem Hörraum einladen – doch Peter Comeau hatte alle technischen Zeichnungen auf seinem Tisch. Damals war die Denton einer der kompaktesten Dreiwegler überhaupt, die neue Super Denton soll dem nicht nachstehen. Für das Lebensgefühl: Die Front ist schlanke 36 Zentimeter hoch – ein iPad Pro würde sie verdecken. Alles dahinter ist rund neun Kilo leicht – das ist wirklich ein Böxchen fürs Regal oder das Sideboard. Natürlich lässt sich IAG nicht lumpen und listet auch ein passgenaues Ständerpaar im Katalog auf.
Die Frequenzweiche ist kein Träger von Geheimnissen. Auch hier hat sich Peter Comeau an den alten Meistern orientiert, aber moderne Bauteile genutzt. Besagter Mitteltöner ist dabei Träger aller wichtigen, präsenten Klanginformation, sein Arbeitsbereich beginnt bei gut 900 Hertz und endet recht hoch bei 4,5 Kilohertz.
Bi-Wiring kannte man in den 1970er Jahren noch nicht; es wäre nicht authentisch. Also gibt es auf der Rückseite nur zwei einzelne, aber gute Schraubmuffen und zwei Bassreflexöffnungen direkt unter der Oberkante.
Sollte man mit oder ohne Frontbespannung hören? Peter Comeau ist da eindeutig: Er hat den Sound mit dem Rahmen gehört und getunt. Natürlich kommt Wharfedale nicht umhin, die nackte Schönheit auf den offiziellen Fotos zu zeigen, aber klanglich authentischer wäre der blickdichte Vorhang.
Noch etwas zu Peter Comeau. Der Mann lebt eigentlich im Flugzeug. Nur während der Pandemie hütete er sein Heim in Great Britain. Ansonsten pendelt er zwischen Südengland und Südchina. Hier unterhält IAG seine Fertigungsanlagen. Das sind eigentlich Städte in der Stadt – in ihrem Potenzial wie Output zählen die Chang-Brüder sicherlich zu den größten HiFi-Herstellern der Welt. Lange müsste man überlegen, wer mehr Eisen im Feuer hat.
Diese highendige Seidenstraße ermöglicht einerseits Margen, günstige Preise – und dennoch europäische Klangvorgaben, eben durch die starke Präsenz von Meistern wie Peter Comeau. Der offenbar eine Freude an den Heritage-Modellen hat. Das konnte man erst kürzlich live auf der High-End-Messe 2024 in München erleben, wo Comeau die Super Denton persönlich vorführte und auch den Arm um die neuen Flächenstrahler von Quad legte – alles seine Kinder. Das hält jung, die Daten in seinem Reisepass stimmen nicht mit seinem vitalen Auftritt überein.
Praxis
Man muss sich immer die Größe der Super Denton vor Augen halten: Mit ihrem Volumen von nicht einmal 15 Litern ist sie selbst unter den Kompakten noch eine der kleineren. Dafür ist ihre Pegelfestigkeit erfreulich hoch. 93 dB Dauerpegel und 105 dB mit dynamischem Musiksignal ermittelte das Messlabor. Da reibt man sich manchmal die Augen, was da alles rauskommt…
Der hohe Wirkungsgrad und die Messungen verraten: Die Super Denton kann nicht ultratief. Bei rund 50 Hertz ist Schluss, ein echter Basskeller sieht anders aus. Aber so ergeben sich andere Möglichkeiten. Man kann diesen Lautsprecher tatsächlich auf einem Sideboard oder auf einem Ständer in der Nähe der Rückwand aufstellen, ohne dass es lästig dröhnt. Unter Praxis-Gesichtspunkten natürlich ein Vorteil.
Aber welchen Verstärker anschließen? Der hiesige Vertrieb IAD stellt die neue Denton gern mit einem Leak-Amp aus. Das passt preislich und funktioniert dank des recht hohen Wirkungsgrades von 86 dB gut. Aber auch an Röhren vermitteln die Super Denton eine Menge Schub – wir haben beispielsweise mit dem PrimaLuna EVO 100 gehört. Finanziell natürlich etwas zu hochgesprungen (3.000 Euro), aber ein klasse Erweckungsmoment, in dem man erkennt, dass die Super Denton weder zum Komprimieren neigt noch der Flaschenhals im Gesamtklangbild wird.
Allerdings zeigt die folgende LowBeats-Messung (vor allem der sehr niedrige EPDR-Wert bei 120 Hertz) ebenfalls, dass die Super Denton am liebsten Verstärker mit kraftvollen Netzteilen hat. Wollte man im IAG-Kosmos bleiben, böte sich ein AudioLab 7000A an, den wir allerdings nicht mehr in der Redaktion hatten. Wir nutzten daher während der Hörtests überwiegend den lang bewährten Atoll IN 50 Signature und den Musical Fidelity A1, der ebenfalls bestens mit der Wharfedale zurechtkam.
Hörtest
Spürt man diese Vitalität auch in der neuen Wharfedale? Wie zugleich den Schulterschluss zu den historischen Modellen finden? Die zweite Frage ist leicht beantwortet: Die Super Denton mag britisch klingen, alles aus den Mitten aufgebaut – aber altertümlich ist dieser Klang nicht. Das ist ein Lautsprecher der Jetztzeit, schnell, anspringend, dynamisch.
Aus Alt mach Jung. Da passt das neue Album von Lenny Kravitz perfekt zum Hörtest – „Blue Electric Light“. Der Mann sieht aus wie Mitte zwanzig, hat aber gerade die 60 überschritten. Viele Kinder, viele Frauen – und elf Alben aus den Tonstudios. Nun Nummer zwölf – und er gibt auch hier den jugendlichen Helden. Jeder Song eine Neuschöpfung, „Paralyzed“ ist bester Rock aus dem vergangenen Jahrhundert, fett die E-Gitarren, noch fetter das Schlagzeug, klingt wie live.
Die Super Denton ist gefordert, zuerst in ihrem grobdynamischen Potenzial. Das muss mitunter laut sein. Mag sein, dass die Super Denton der kleinste Dreiwegler des Weltmarktes ist, aber genau jetzt darf sie nicht den sensiblen Gartenzwerg herauskehren. Tat sie nicht, das fetzte in unserem kleinen Hörraum richtig. Da waren eher die vier Wände das limitierende Element. Gutes Gefühl, ein Peng mitten auf die Stirn und das Zwerchfell.
Bei der Klassik hat die Decca ein Traumpaar zusammengebracht. Den Superstar unter den Dirigenten und die beste Violinistin des Labels. Janine Jansen und Klaus Mäkelä. Die Niederländerin und der Finne – begleitet von einem norwegischen Orchester, der Hundertschaft aus Oslo. Junge Meister, alte Komponisten – mit dem Sibelius-Konzert war man erst kürzlich auf Welttournee.
Die Decca-Tontechniker bleiben ihrem historisch gewachsenen Kultklang treu – alles auf der Gegenseite des analytischen High-Res-Säuselns. Man könnte es auch als pausbäckig abtun. Was aber immer auch im Kontext mit der heimischen Kette liegt. Bevor ich die Playtaste drücke, unterwerfe ich die Super Denton einem Vorurteil: britische Legende, britisches Label, der Hang zum dicklichen Wohlklang… Doch die Wharfedale lässt sich diese vorgefasste Meinung nicht gefallen. Als wollte sie den Gegenbeweis antreten, setzte sie im Sibelius-Konzert den Fokus auf Agilität und Durchhörbarkeit. Kein Studiomonitor, sicherlich nicht, so aber doch einem modern-kantigen Klangideal verpflichtet.
Da hätte ich genau jetzt gern die Ur-Denton aus den frühen 1970er-Jahren zum Vergleich gehört. Gibt es aber nicht. Und wenn, dann wären das Alter der Weiche und der Chassis stark angegriffen und hätten den heutigen Klangeindruck verfremdet. Also eine andere Kompaktbox zum Vergleich. Die LS3/5a von Harwood ist eine feste Größe im LowBeats Hörraum. Wir geben sie nicht weg.
Der äußerliche Vergleich lässt darauf schließen, dass die Super Denton um einiges teurer sein müsste. Denkste: Hier treten 1.200 Euro (Wharfedale) gegen 1.600 Euro an (Harwood LS 3/5a). An dieser Stelle muss ich wieder einmal unterstreichen, dass die LS 3/5a tonal eine Bank und ebenfalls ein großartiger Schallwandler ihrer Preisklasse ist. Aber die Super Denton klingt ebenfalls britisch-ausgewogen, allerdings in den Mitten sehr viel offener und lebendiger. Zudem kann die Wharfedale bei Bedarf richtig laut – da ist die auf kleine Übertragungswege gezüchtete LS 3/5a in der Dynamik hoffnungslos unterlegen. Da klingt dann ein derber Paukenhieb eben bei weitem nicht so echt wie mit der Wharfedale…
Fazit Wharfedale Super Denton
Heritage – so heißt die Serie, in die die Super Denton bei Wharfedale hineingeboren wurde. Das ist einerseits Versprechen an die eigene Historie der Company, zudem auch Zeitgeschmack. Doch während viele Mitbewerber hier schwer zu argumentierende Preise aufrufen, folgt Wharfedale – mal wieder – der Freude an der fairen Preisgestaltung. Eine doppelte Freude. Für den Käufer und die International Audio Group, die in großen Stückzahlen zu denken gewohnt ist. Das Finish ist erstaunlich gut. Klanglich ist mir kaum ein Dreiwegler begegnet, der so kompakt gebaut ist und zugleich so geschlossen klingt – da wurde natürlich mit den Messinstrumenten abgestimmt, aber auch mit dem lebenserfahrenen Ohrenpaar von Peter Comeau.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Erstaunlich großformatiger Klang, mit leicht britischer Note |
| Technische Feinkost aus höheren Serien (Klasse-Mitteltöner!) |
| Überzeugende Verarbeitungsqualität |
| Mehr Heritage-Feeling geht nicht – zu diesem Preis, in dieser Form |
Vertrieb:
IAD GmbH
Johann-Georg-Halske-Str.11
41352 Korschenbroich
Telefon: 02161 / 617830
https://wharfedale-deutschland.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Wharfedale Super Denton: 1.200 Euro
Die technischen Daten
Wharfedale Super Denton | |
---|---|
Technisches Konzept: | 3-Wege Kompaktbox, Bassreflex |
Bestückung Hochton: | HT: 1 x 25 mm Seiden-Kalotte, MT: 1 x 50 mm Seiden-Kalotte, TT: 1 x 16,5 cm Kevlar |
Wirkungsgrad (2,83 V/m): | 86 dB |
Maximalpegel (Dauer / kurzfristig): | 93 /105 Dezibel |
Mindestleistung für max. Pegel (Dauer) | >15 Watt |
Farben: | Schwarz, Nussbaum, Mahagoni |
Abmessungen (B x H x T): | 24,6 x 36,0 x 29,5 cm |
Gewicht: | 9,2 Kilo |
Alle technischen Daten |
Mit- und Gegenspieler:
Test Kompaktbox Harwood LS 3/5a: der BBC-Klassiker für unter 1.000 Euro
Test Vollverstärker Atoll IN 50 Signature: volle Klangpracht für 750 Euro
Doppeltest Röhrenverstärker: PrimaLuna EVO 100 & 200
Mehr von Wharfedale:
Test Retrobox Wharfedale Linton – Wonneproppen aus einer anderen Welt
Wharfedale Elysian 4: der erste Hörcheck des Flaggschiffs