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Test Standbox Audiovector R3 Arreté

Getrennt werden die Bereiche der 2,5-Wege Konstruktion durch die Frequenzweiche, die, wie oben schon beschrieben, mit Filtern erster Ordnung (6 dB/Oktave) arbeitet. Ein wesentliches Kennzeichen dieser Filter ist, dass sie die Phase kaum drehen. Ein anderes, dass sie mit sehr wenigen Bauteilen auskommen. Selbst mit den zusätzlichen Linearisierungen bringt Klifoth die komplette Weiche auf dem schmalen Terminal unter.

Audiovector R3 Arreté Frequenzweiche
Bei den Arreté-Modellen sind die Anschlüsse auf einer Karbonfaserplatte montiert. Da die Frequenzweichen-Bauteile direkt auf der anderen Seite des Terminal angebracht sind, werden so unerwünschte elektrische Interaktion unterbunden (Foto: H. Biermann)

Die Philosophie der 6-dB-Filter kennt man von vielen anderen Lautsprechern; Dynaudio beispielsweise hat diese puristischen Filter über viele Jahrzehnte verwendet und hoffähig gemacht. Auch B&W verwendet sie partiell. In sofern sind sie auch hier nichts wirklich Ungewöhnliches. Sie verweisen nur auf die hohe Belastbarkeit und die hohe Breitbandigkeit der selbst entwickelten Treiber.

Aber die Audiovector R 3 Arreté hat eine Besonderheit, die den technisch interessierten HiFi-Fan aufhorchen lassen sollte: eine „Freedom“ genannte Ableitung von Hochfrequenz.

Audiovector R3 Arreté Anschluss
Fünf stabile Anschlüsse am Terminal. Fünf? Ja genau. Der untere dient der Aufnahme des Freedom-Kabels (Foto: H. Biermann)

„Freedom“macht frei von HF-Störungen

Die Theorie hinter „Freedom“ sieht folgendermaßen aus: Zum einen induzieren die Antriebe der Tiefmitteltöner durch die Bewegung der Schwingspule Spannungen auf die Metallkörbe. Das ist Klang-verschlechternd. Ebenso ziehen die Metallteile Hochfrequenzmüll (HF) an wie ein Magnet. Dieser Hochfrquenzmüll vagabundiert ebenfalls auf den Metallteilen und verschlechtert die Wiedergabe. Klifoth verbindet die Metallkörbe der Tiefmitteltöner mit dünnen Käbelchen, die an diesem fünften Anschluss zusammengeführt werden, wo über ein kleines Filternetzwerk mit Hilfe des „Freedom“ Ground-Kabel (650 Euro, 5 Meter Länge) die lästigen Störer abgeführt werden können.

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Audiovector R3 Arreté Freedom-Anschluss
Am unteren Freedom Anschluss wird die angesammelte Hochfrequenz von Metallteilen abgeführt (Foto: H. Biermann)
Audiovector R3 Arreté Freedom-Verkabelung
Für den Kontakt vom „Freedom“-Anschluss mit der Erde einer Steckdose oder dem Ground-Anschluss eines Verstärkers mit Phonostufe könnte man jedes Kabel nutzen. Audiovector bietet hier eine besonders noble und sichere Form an (Foto: H. Biermann)
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Die Idee von der Ableitung ist nicht ganz neu. Die größeren Tannoy Modelle bieten sie schon seit vielen Jahren. Hier wie dort funktioniert dieser Trick erschreckend gut. Hatten wir das Freedom-Kabel eingesteckt, wurden alle Konturen noch schärfer, das Klangbild plastischer, tiefer, dreidimensionaler. Selbst satte Bässe bekamen mehr Kontur und Durchzug. Auch wenn 650 Euro für ein solches Kabel kein Pappenstiel sind, so muss ich es doch nachdrücklich empfehlen. Der Klangzuwachs ist es allemal wert.

Die Audiovector R 3 Arreté im Messlabor

Wie schon angedeutet, vertraut das Entwickler-Team mehr auf die die gehörrichtige Abstimmung denn als auf linealglatte Frequenzgänge. Die R 3 Arreté ist das beste Beispiel dafür. Den besonders sensiblen Mittenbereich um 3 KHz nimmt Klifoth deutlich zurück.

Der Frequenzgang der Audiovector R 3 Arreté im LowBeats Hörraum. Der Einbruch bei 150 Hertz ist Messplatz-bedingt, die Senke bei 3 KHz gewollt (Messung: J. Schröder)

Der Impedanzverlauf indes ist völlig unkritisch und auf 4 Ohm linearisiert. Hier dürfte kein Verstärker ein Problem bekommen. Die R 3 Arreté hat zwar einen ordentlichen kapazitiven Phasenversatz, weil der aber durchweg im Hochton- und nicht im leistungsrelevanten Tieftonbereich liegt, werden die angeschlossenen Verstärker nicht überfordert.

Wir haben wie üblich die unterschiedlichsten Verstärker angeschlossen. Auch der kleine 300-B-Röhrenverstärker Mira Ceti von Fezz Audio war nicht wirklich überfordert. Aber viel Leistung macht auch hier einiges mehr. Besonders gut gefiel mir hier die Kombination mit der SPL Kombination Director2 (Vorstufe) / s800 (Endstufe).

Impedanz und Phase der Audiovector R 3 Arreté.  (Messung: J. Schröder)

Die Audiovector R 3 Arreté ist ja eine eher zierliche Standbox, aber ihr Maximalpegel ist erstaunlich hoch. Bei durchschnittlichen Wohnzimmerpegeln (grüne Messung) zeigen sich außer im oberen Mittenbereich so gut wie gar keine Verzerrungen.

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Bei 94 dB (1 m Entfernung) zeigen sich nur geringe Verzerrungen bei etwa 1.200 Hertz. Ansonsten tadellos (Messung: J. Schröder)
Bei 100 dB (1 m Entfernung) liegen die Verzerrungen durchgehend höher (Messung: J. Schröder)
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Bei sehr viel höheren Pegeln steigen auch die Verzerrungen erkennbar an. Der maximale Pegel liegt bei etwa 110 Dezibel – was für einen Lautsprecher dieser Größe ein guter Wert ist. Oder anders herum: Es ist das, was man heutzutage mit sehr guten 17 cm HiFi-Tieftönern erreicht. Aber man braucht, um die Audiovector auf diesen Pegel zu bringen, eine Menge Leistung. Wir nutzten dafür die SPL Vor-/Endstufen-Kombination aus Director2 plus s800. Das ist stilistisch sicherlich nicht ganz passend, klang aber magisch.

Audiovector R3 Arreté im LowBeats Hörraum mit SPL Vor-/Endstufe
Das musizierte gemeinsam überragend gut: SPL Vorstufe Director2 (3.500 Euro, rechts) und Endstufe s800 für 3.300 Euro mit der Audiovector R 3 Arreté (Foto: H. Biermann)

Die Audiovector R 3 Arreté im Hörtest

Wer schon einmal eine Audiovector gehört hat, weiß, was ich meine: Diese Lautsprecher umgarnen ihren Zuhörer vom ersten Takt an mit einem habhaften und warmen Klang. Das gilt auch für die R 3 Arreté. Man ist sofort im Wohlfühl-Modus und selbst in Passagen mit bissig geblasenem Saxophon oder bei Großorchester-Tutti wird sie nicht scharf, bewahrt meist ihre Contenance.

Wenn Sie solche Sätze lesen, ist dies meist eine gut gemeinte Umschreibung für eine ziemlich langweilige HiFi-Komponente. Für die R 3 Arreté gilt das explizit nicht. Es ist eine aufregende Box, eine, die den Zuhörer in ihren Bann zieht. Das beginnt schon mit der Bassperformanc: Die Audiovector punpt nämlich die Elektronikbässe à la Underworld oder Yello mit erstaunlicher Härte und Präzision in den Hörraum. Ganz unten hat sie nicht ganz die Substanz einer großen Standbox wie etwa der Canton A55. Aber wie auch? Sie ist halt zierlich.

Audiovector R3 Arreté im LowBeats Hörraum
Die R 3 Arreté im großen LowBeats Hörraum. In einigen Hörsitzungen drehten wir die mobilen Rückwände so, dass die absorbierende Fläche (weiß) die rückwärtige Hochtonenergie der AMTs etwas reduziert. Doch mit reflektierendem Hintergrund klingt es feiner und spektakulärer (Foto: H. Biermann)

Mehr noch aber verblüfft sie mit ihrem extrem plastischen, detailreichen und leichtfüßigen Klangbild. Gemessen an der Q Acoustics C 500 und der schon erwähnten Canton A55 (beide allerdings auch nur halb so teuer) modelliert die Audiovector die einzelnen Instrumente und die Stimmen der Sänger um einiges genauer. Mit ihr passiert, was man sich als HiFi-Fan fast immer wünscht: Gut gemachte Aufnahmen erscheinen so dreidimensional, dass sie den Zuhörer zum Spaziergang zwischen den Instrumenten einladen.

Das mag auch am Dipol-Charakter des Hochtöners liegen. Stellt man die R 3 Arreté recht dicht vor die Rückwand (etwa 30 – 40 cm) und experimentiert ein wenig mit der Einwinkelung, wird die rückwärtig abgestrahlte Energie gut hörbar. Auch das vergrößert die Bühne und macht deutlich, welchen positiven Einfluss zusätzliche Hochtonenergie auf den Gesamteindruck hat: es klingt feiner.

Der Vergleich mit der kürzlich getesteten Betonart Arrivato unterstreicht die Ausrichtung der Audiovector: Die Arrivato ist eine auf maximale Transparenz gezüchtete, mitreißende Präzisions-Maschine. In den Bässen spielt sie daher kerniger, in den Mitten etwas frischer, direkter als die R 3 Arreté. Die Audiovector dagegen klingt etwas wärmer, freundlicher aber auch etwas feiner und plastischer.

Das Einbringen des Ground-Kabels verstärkt diesen Klangeindruck: Als hätte jemand eine feine Gardine aufgerissen, wirkt das gesamte Klangbild der R 3 Arreté mit dieser HF-Ableitung plastischer, tiefer, schärfer und sogar ein bisschen farbiger.

Fazit

Die Audiovector R 3 Arreté ist zierlich, klingt aber wie eine Große. Ihre Abstimmung ist entspannt, warm-angenehm, aber doch sehr fein, sehr audiophil. Und wenn es mal etwas lauter werden soll, beherrscht sie auch das. Familie Klifoth schafft hier den nur selten gelungen Spagat zwischen absoluter Mehrheitsfähigkeit und außergewöhnlichem High End. Ein Everybodies Darling, der zudem elektrisch gutmütig ist, chic aussieht und damit Verstand und Herz gleichermaßen berührt. Das gelingt auch in der 10.000 Euro Klasse nicht allzu oft.

P.S.: Das „Freedom“-Feature zur HF-Ableitung mag Manchem vielleicht als Gimmick erscheinen, ist es aber nicht. Von unserer Seite gibt es auch dafür eine klare Empfehlung.

 

Audiovector R 3 Arreté
2020/01
Test-Ergebnis: 4,6
ÜBERRAGEND
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Extrem angenehmer, dennoch detailreicher, feiner Klang
Überragend plastische Abbildung und Tiefenstaffelung
Tolle Verarbeitung, elegantes Downfiring-BR
Enormer Klanggewinn durch Spannungsabführung

 

Vertrieb:
in-akustik GmbH & Co KG
Untermatten 12 – 14
79282 Ballrechten-Dottingen
Telefon: +49 7634 5610 0
www.in-akustik.de

Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Audiovector r 3 Arreté: 9.900 Euro
Freedom Kabel: 650 Euro

Gegenspieler:

Erster Test Betonart Arrivato: Standbox mit perfektem Gehäuse
Test Canton A55: Mehr Box fürs Geld geht fast nicht
Test Q Acoustics C 500 – beste Standbox unter 5.000 Euro


Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.