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Canton Reference 5 im Paar
Mit der Reference 5 (Paarpreis: 8.000 Euro) hatten wir das fraglos attraktivste Modell der überragend gut gemachten Reference-Serie im Test (Foto: Canton)

Test Standbox Canton Reference 5: der erschwingliche Gipfelstürmer

In der Sesamstraße huschte immer ein Vampir vorbei. Graf Zahl. Von ihm habe ich meinen ersten Matheunterricht erhalten: Mehr ist besser als weniger – wenn es ganz hohe Zahlenreihen sind, dann fängt es an zu donnern. Seltsame Einleitung. Aber genau diese Gedankenkette fiel über mich her, als ich die Canton Reference 5 sah, anfasste und hörte. Denn Canton zählt eben nicht wie Graf Zahl: Je kleiner die Summe, desto heftiger donnert es. Die Reference 9 ist ein kleiner Regallautsprecher, die Reference 7 hat Chefkollege Holger Biermann für LowBeats getestet – ganz oben thront die Reference 1. Jetzt stellen sich gleich drei Fragen: Welches ist der beste Lautsprecher der neuen Serie, welches die beste Relation von Klang zu Preis – und wo endet die Liebe unter den praktischen Gesichtspunkten? Denn mit 81 Kilogramm pro Stereo-Box ist die Nummer eins ein nicht zu leugnender Monolith im Wohnraum. Da donnert es tatsächlich, wenn der Händler mit der Sackkarre die Treppenstufen herauf holpert. Die Nummer fünf in der Hierarchie ist deutlich leichter – bei 36 Kilo und 4.000 Euro, jeweils pro Stück. Wir haben natürlich die komplette Reihe der neuen Reference-Modelle gehört und sind am Ende der Meinung, dass die Canton Reference 5 in Preis, Form und Klang die wohl leckerste Sahneschnitte im Katalog ist…

Die Besonderheiten der Canton Reference 5

Der Test von Holger Biermann über die Schöpfungsgeschichte der Reference 7 ist in den Fakten und Hintergründen für die Reference 5 nahezu identisch. Hier die Kurzfassung: Das Kreativteam um Geschäftsführer Christoph Kraus beschloss ein organisches Design – rund ist Trumpf. Sogar die Schallwand ist nach außen geschwungen, sanft zwar, aber eine Herausforderung für Tischler wie Klangingenieure. Die edle Lösung war überraschend schnell gefunden: Die Front ist 51 Millimeter dick – einfach die Rundungen aus dem Vollen fräsen, auf der inneren Seite der Frontplatte ist alles plan. Zusätzlich integriert Canton das großartige Material Polyoxymethylen, kurz POM. Ein seltener Gast bei Lautsprechern, aber ein Dauergast bei vielen Plattenspielerherstellern, die hieraus ihre Teller drehen.

Die Win-Win-Situation ist schlau. Die abgerundete Front schmeichelt dem Auge und verbreitert zugleich die Abstrahlcharakteristik, gibt der Bündelung weniger Chancen. Gleich ein Tipp, der so überhaupt nichts mit dem Klang zu tun hat: Es gibt die Reference 5 in mattem Weiß und hochglänzendem Schwarz – klassisch, aber auch mutlos. Wer wirkliche Eleganz erleben will, denkt über ein Nussbaum-Furnier nach. Da wirkt das Design wie aus einem Guss, das hält auch im Zeitgeschmack für die nächsten zehn Jahre, kostet pro Box aber 400 Euro mehr – egal, jeder Ästhet wird sich schnell entscheiden.

Canton Reference 5 Rücken
Von hinten sieht man die zulaufende Form und das noble „R” für Reference: Auch in schwarz sieht die 5er einfach super aus (Foto: Canton)

Natürlich lassen es sich die Canton-Werbestrategen nicht nehmen, den Satz vom „Form Follows Function“ auszurufen. Mag und kann man nicht mehr hören. Obwohl es hier stimmt. Doch „unbändige Dynamik“ und „natürlicher Klang“ sollten schon im vergangenen Jahrtausend aus der Sprache aller Boxenbauer verschwunden sein.

Die Technik: brandneu und in Eigenregie

Doch allen „Alte Sprach-Floskeln zum Trotz spielt die neue Canton-Serie technisch an der Speerspitze der Entwicklung. Weil der Chefentwickler Frank Göbl viel weiß und viel kann und weil Canton auch Herr seiner eigenen Fertigungswege ist – eben bis zu den Membranen, die in einem eigenen Werk kurz hinter der tschechischen Grenze entstehen. Nix Ankauf – den gibt es sichtbar nur beim WBT-netgen-Terminal im Rücken. Weil es die anderen Profis von WBT eben besser können. Doch bei den Chassis zeigt Canton den eigenen Aufschlag.

Das Bass-Fundament holt sich die Reference 5 aus einer Doppel-Bestückung. Die zwei Tieftöner mit 17,4 Durchmesser Zentimetern teilen sich dabei nur ein ähnliches Aussehen mit dem oben sitzenden Mitteltöner. Frank Göbl trennt bei 170 Hertz. Der Hochtöner springt bei 3.000 Hertz an. Ein klassischer Dreiwege-Aufbau mit der Bassreflexöffnung zum Boden. Den Hochtöner mixt Canton aus Aluminium und Keramik, die drei Mitspieler aus Keramik und Wolfram.

Canton Reference 5 Hochtöner
Der Hochtöner mit Waveguide-Schallführung ist (wie auch die Tief- und MItteltöner) perfekt in die geschwungene Schallwand eingepasst. Genial gemacht (Foto: Canton)

Trotz gleicher Größe und Optik ist der Mitteltöner umfassend anders konstruiert als die beiden Tieftöner. Er folgt der TCC-Technologie, „Triple Curved Cone“. Der Name verrät fast alles, das ist ein dreifach gekrümmter Konus, entstanden in vielen Computer-Simulationen. Das Profil der Membran besteht aus drei aufeinanderfolgenden Radien. Die machen die Gesamtkonstruktion steifer und technisch eleganter beim Übergang zur Sicke. Wieder hat Frank Göbl am Abstrahlwinkel geschraubt und zugleich die Verzerrungen gesenkt, abermals in der langen Reference-Geschichte.

Canton Reference 5 Fuss
Der abgesetzte Fuß macht die Reference optisch leichter. Hier steckt auch der Bassreflex-Ausgang, der nach unten abstrahlt (Foto: Canton)

Die Membranen von Tief- und Mitteltöner bestehen aus „Black Ceramic Tungsten“-Material. Das „Black“ könnte man als simple Einfärbung abtun. Ist es aber nicht, erst durch einen Tauchgang in einer oxidierenden Flüssigkeit wird der satte Schwarzton erreicht. Der erhöht vornehmlich die innere Dämpfung. Also wieder der schlaue Mix aus Ästhetik und technologischem Neuland. Flankierend dazu hat das Entwicklerteam die bereits etablierten Wave-Sicken in eine neue Generation gebeamt. Das Ein- und Ausschwingen bleibt auch unter hohem Arbeitsdruck stabil – alles ist am Computer animiert und in die Serienfertigung übertragen worden. Übersetzt in den Alltag eines potenziellen Käufers bedeutet das: Die neue Referenzserie kann hohe Pegel, ohne Leistungsdruck und Verzerrungen. Das war schon immer ein Markenkern von Canton, nun konsequent weitergeführt. Und das sagt auch unsere Labor-Messung.

Canton Reference 5 Anschluss
Beste WBT-Anschluss-Klemmen (NextGen) und ein schnell verständliches Messingknopf-Feld zur Anpassung von Hoch- und Mitteltöner (Foto: Canton)

Drehen wird das gute Stück um. Oh, was sehen wir da? Ist es ein Angebot an den Zeitgeschmack? Auf der Rückseite der Reference 5 liegen oberhalb der WBT-Stecker vier großformatige Messingregler: Hier bietet Canton eine Pegelanpassung an. Einfach das verbindende Messing-Blättchen neu setzen. Geliefert wird strikt linear, im Selbstversuch kann der Neubesitzer die Mitten und Höhen anheben oder senken. Alles sehr, sehr dezent – wir haben nachgemessen: Das ist maximal ein Dezibel in den Mitten, um 7 Kilohertz noch weit weniger. Also ein Nichts, aber ein kleiner, feiner Problemlöser bei vielleicht zu stark bedämpften Hörräumen.

Der Einfluss der Hoch- und Mitteltonanpassung bei Canton Reference
Die Messung zeigt, dass der Einfluss gar nicht sonderlich groß ist. In den Mitten wirken diese Filter lediglich im Bereich zwischen 100 – 400 Hertz und mit einer Intensität von etwa +/- ein Dezibel. Im Hochton sind sie fast noch dezenter

Der Hörtest

Als Verstärker hatten wir unter anderem ein Schwergewicht aufgefahren, den Westend Audio Monaco MK2. Das ist ein Röhrenschönling im Chromglanz, mit je zwei E130L-Röhren in Push-Pull, es liegen stabile 100 Watt an. Das ist technisch eine feine Kombi, finanziell aber „deppert“, wie die bayrischen Hersteller von Westend Audio sagen würden. Der Monaco MK2 kostet 24.900 Euro. Aber er zeigt auch, wo die limitierenden Elemente in der Kette liegen. Die Canton Reference 5 ist es nicht.

Canton war noch nie dafür bekannt, ein schwächelndes Sensibelchen zu sein. Unter der Ägide von Frank Göbl wurde der klangliche Markenkern noch ausgebaut – man kann mir drei Takte vorspielen und ich würde im Blindtest (höchst wahrscheinlich) unter fünf Vergleichslautsprechern sicher auf die Canton zeigen. Da ist dieser Wille zum Schub, zu großen Emotionen, wie am Bühnenrand. Also kein Lautsprecher für Klassik-Fans oder Jazz-Freunde? Habe ich nicht gesagt, dazu gleich. Zuerst jedoch zu einem Klassiker seines eigenen Stils – Frank Zappas Album „Apostrophe“.

Zappa-Apostrophe-50-Vinyl
Frank Zappas Album „Apostrophe“ ist zum 50. Geburtstag als „Super Deluxe“-Version erschienen, wichtiger noch: im Edelmix bei 24 Bit und 96 Kilohertz (Cover: Amazon)

Schon beim Einstiegssong darf man annehmen, dass der Meister etwas geschnupft hat, das damals die Sittenwächter auf den Plan gerufen hätte. „Don’t Eat The Yellow Snow“, ruft uns Zappa zu. Hatten wir auch nicht vor, eklig. Aber klanglich ist das ein fettes, psychedelisches Experiment mit freiem Medley-Übergang. Die Stimme Zappas in der Mitte, von rechts und links unterbrechen ihn Schreie, Blechbläser, Marimbafon, das Schlagzeug ist eine Peitsche, die Gitarre kreischt, der Bass gibt sich unbeeindruckt groovig. Das ist genau die Musik, bei der man in der ersten Reihe am audiophilen Bühnenrand stehen will. Energie, mehr Energie fordert Zappa – und die Reference 5 liefert. Da geschieht nichts hinter der Membran-Ebene, alles steht weit davor im Raum. Das kenne ich sonst nur von einer Hornkonstruktion, dann aber auch mit den Eigenwilligkeiten der Bauform.

Die Reference 5 hingegen zaubert nicht auf Kosten der Geradlinigkeit, das ist farbstark, doch frei von Verfärbungen, das ist hochdynamisch, aber nicht hochtrabend, alles von einem starken Bass geerdet.
In der Klassik wird gerade die Remastering-Schraube angedreht. Überdreht? Galten 96 Kilohertz als superb, so müssen es nun partout 192 Kilohertz sein. Universal hat bei seinem Label Decca den legendären Solti-Ring in diesem Format herausgebracht – unfassbar gut!

Doch gelingt das Klangwunder auch bei den alten Bändern der Deutschen Grammophon, oder wird hier eine Zielgruppe mal wieder mit den Namen der alten Helden finanziell gemolken? Wie eben den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan. Die gemeinsame Aufnahme der „Symphonie fantastique“ von Berlioz ist 1975 entstanden – auf dem Höhepunkt der gegenseitigen Liebe, dem höchsten Geldzufluss und leider auch in einer Zeit, da Karajan in Cinemascope dachte. Weit, breit und noch breiter. Würde heute kein Tonmeister mehr so realisieren. Damals war es Kult. Wie Schlaghosen. In der Neuauflage hat die Deutsche Grammophon den Effekt zurückgefahren, der Raum ist kantiger, präziser. Ich kenne die Erstpressung auf Vinyl, das grausame erste CD-Master, viele weitere Zwischenschritte – die 24/192er-Gegenwart ist klangtechnisch der Gipfel. Wie Zappa schickt auch Berlioz seinen fiktiven Helden im letzten Satz in den Wahn, auf das Schafott, mit Hexen und Fallbeil. Das muss rocken – genau jene Klassik, die Canton wunderbar bedienen kann.

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Die „Symphonie fantastique“ von Berlioz ist 1975 von Herbert von Karajan eingespielt worden (Cover: Amazon)

Die Analyse ist hoch, aber nie schreiend, jede dynamische Information liegt auf der Goldwaage. Könnte ein Studiomonitor sein. Nein, dafür ist die Reference 5 zu sehr Vollblüter.

Mal was wirklich Abgefahrenes für leistungswillige Ketten? Tony Levin hat seinen Viersaiter herausgeholt und gute Freunde ins Studio gebeten. E-Bass and Friends, die Schublade bei Qobuz sagt „Jazz Fusion und Jazzrock“. Stimmt. Die Gegenwelt des kleinen Jazz-Clubs. Natürlich ist der Bass der Hauptdarsteller. Am besten ist Tony Levin, wenn er „unbehandelt“ zupft, also kein Plektrum, keine Hallmaschine, keine Effekte. Anspieltipp: „Floating in Dark Waters“.

Tony Levin - Bringing It Down to the Bass
Grandioses Album eines großartigen Bassisten: Tony Levin „Bringing Down To The Bass” (Cover: Amazon)

Wie schon angedeutet: Wir haben mit allen genannten Tracks (und weit mehr) auch den Vergleich zwischen der Reference 7 und 5 verglichen. Bei vielen der Stücke war die Familienähnlichkeit unüberhörbar, die kleinere Reference 7 schlug sich beachtlich. Doch spätestens bei Tony Levin wurde der Unterschied übergroß. Die große Fünf zeigt mehr Resonanzraum, mehr Kontrast und die ganz feinen Informationen. In den besten Momenten sieht man die Finger über die Roundwounds gleiten und den Zeigefinger hart am Tonabnehmer. Das soll unerbittlich klingen und die Reference 5 liefert es unerbittlich gut. Da kommt die Reference 7 nicht mehr mit…

Canton Reference 5 und Reference 7
Die Reference 5 ist kaum größer als die Reference 7 und kann doch so vieles mehr… (Foto: H.Biermann)

Fazit Canton Reference 5

Diese unmittelbare Genauigkeit des Klangbilds weit vor den Lautsprechern – in der Reference 5 treibt es Canton auf eine neue Spitze. Nein, stimmt nicht, das klingt in der Formulierung zu brutal. So rockig diese Standboxen sein können, sie bleiben audiophil und freundlich, mehr noch – musikfreundlich. Alles hat majestätische Ausmaße, knackig, knurrend, dynamisch. Dabei überaus unkompliziert in der Verstärkerwahl – und über eine kleine, sinnige Option auch wirklich audiophil an den Hörraum anzupassen. In der Preis/Musik/Erlebnis-Relation nach unserer Meinung der Scheitelpunkt innerhalb der neuen Reference-Serie. Und – fast unnötig zu unterstreichen – einer der besten Lautsprecher dieser Klasse obendrein.

Canton Reference 5
2024/10
Test-Ergebnis: 4,7
ÜBERRAGEND
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Super-präsentes, sehr feines „komplettes“ Klangbild
Hoch stabil im Bass und sehr pegelfest
Elegante Feinanpassung an den Raum
Tolle Verarbeitung, zeitgemäßes Design

Vertrieb:
Canton Elektronik GmbH + Co. KG
Neugasse 21 – 23
61276 Weilrod
www.canton.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Canton Reference 5: 8.000 Euro
Canton Reference 5 Nussbaum-Furnier: 8.000 Euro

Technische Daten

Canton reference 5
Konzept:3-Wege-Standbox, Bassreflex
Bestückung:TT: 2 x 17,4 cm, MT: 1 x 17,4cm, HT: 1 x 25 mm
Nominelle Impedanz:3,8 Ohm
Wirkungsgrad (2,83 V/m):90,3 Dezibel
Max. Pegel (Dauer/kurzfristig):108 /120 Dezibel
Min.-Leistung für Max.-Pegel (Dauer):>260 Watt
Abmessungen (B x H x T):30,0 x 101,2 x 46,3
Gewicht:
36,2 Kilogramm
Alle technischen Daten
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Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.