de
Piega Premium 701 Aufmacher 1
Piege hat seine Premium-Linie überarbeitet und neue Bändchen entwickelt. LowBeats hatte die Premium 701 für 5.300 Euro Paarpreis im Test (Foto: Piega)

Test Standbox Piega Premium 701

Es gibt zwei Dinge, für die der Lautsprecherhersteller Piega steht wie kein anderer. Erstens: elegante Gehäuse aus Aluminium und zweitens: feinste Bändchentechnologie. In beiden Disziplinen haben die Schweizer in ihrer nun 31-jährigen Schaffenszeit enorm viel Wissen angehäuft. Es wäre vermessen zu sagen, ich hätte im Laufe dieser Zeit alle Piega Modelle im Test gehabt. Aber es waren doch sehr, sehr viele. Und nachdem ich nun die Piega Premium 701 über viele Tage intensiv gehört und am Ende auch noch fotografiert habe, scheint sie mir so etwas wie die Quintessenz von dem zu sein, wofür die Piega Macher Kurt Scheuch und Leo Greiner damals antraten: außergewöhnliche und außergewöhnlich gut klingende Lautsprecher zu einem fairen Kurs anzubieten.

Piega Premium 701 Füsse
Verleihen der schlanken Säule die angemessene Standsicherheit: die hübsche Fußkonstruktion der Premium 701 (Foto: H. Biermann)

Die Freude fängt hier tatsächlich beim Auspacken an. Egal, wo man hinschaut oder hinfasst: alles ist absolut makellos gemacht. Das Verhältnis von Höhe zu Tiefe, die elegante Fuss-Konstruktion, die beiden auch optisch passenden Lautsprecheranschlüsse auf der Rückseite – man spürt hier das gute Händchen des Designers Stephan Hürlemann, der schon viele Piegas entworfen hat.

Piega Premium 701 Single Wiring Anschluss
Selbst die beiden Lautsprecherschlüsse passen perfekt ins Bild – gar nicht so einfach bei einer fast runden Form (Foto: H. Biermann)

Das Gehäuse der Premium 701 besteht Piega typisch aus einem Aluminium-Strangguss (Stärke: 5 mm) und wird zum Finish hin liebevoll und mit Schweizer Präzision in Handarbeit geschliffen. Auch die Form hat sich im Laufe der Zeit geändert; entsprach die Grundfläche der Vorgänger Premium-Modelle eher einem „U“, ähnelt die Form jetzt eher einem „C“. Auf der Suche nach der optimalen Form haben die Piega Macher schon einiges versucht. Nun aber scheinen sie angekommen sein. Auf meine Frage, was es denn bringt, aus einem „U“ ein „C“ zu machen antwortete Kurt Scheuch verschmitzt: „sehr viel mehr, als du denkst.“

Der Aufbau der Piega Premium 701

Nun, das ist ja auch meine Erfahrung: Gehäuseform und -Bedämpfung sind für einen Lautsprecher essentiell – zumal bei einem, dessen Wandstärke bei gerade einmal 5 Millimeter liegt. Doch Aluminium ist ja um einiges fester als das klassische MDF der Holzboxen. Und durch die C-Wölbung bekommt es noch einmal eine höhere Festigkeit.

Piega Premium 701 C-Form
Die neuen Piega Premium-Modelle haben als Grundfläche eine dem „C“ angenäherte Form (Foto: H. Biermann)

Die Schallwand der Piega Premium 701 ist zweilagig: Sie besteht aus einer Lage Aluminium plus einer Lage MDF. Das sorgt für eine besonders große Resonanzarmut. Aus MDF sind auch die Verstrebungen, mit denen resonanzanfällige Gehäuseflächen ruhiggestellt werden. Alle Innenwände sind mit Resonanz-hemmenden Bitumenmatten beklebt; das bringt noch mehr Ruhe. Zusätzlich ist weißer Dämmstoff auf dem Bitumen aufgebracht. „Das ist“, so Scheuch, „der beste Mix.“

Piega Premium 701 Schallwand
Die Schallwand der Premium 701 besteht aus 8 mm starkem Aluminium plus aufgeklebtem MDF und ist somit stark genug, um die Einfräsungen für die Tiefmitteltöner umzusetzen. Im Hintergrund sieht man die Querverstrebungen, um die Gehäusewände noch ruhiger zu bekommen.  Die kleinen Punkte auf der Front (acht an der Zahl) sind eingelassenen Magnete; mit ihnen wird die Abdeckung gehalten (Foto: H. Biermann)

Die Tief- und Mitteltöner ihrer Modelle kauft Piega immer zu. Die Schweizer nutzen ihre langjährigen Kontakte, um von Zulieferern perfekt auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Treiber zu bekommen. Das gilt auch für die in der Premium 701 eingesetzten 14 cm Tiefmitteltöner. Das Prunkstück dieses Lautsprechers aber ist der neue Bändchenhochtöner LDR 3056, der tatsächlich vorerst der 701 vorbehalten bleiben soll. Die Namensgebung bei Piega ist immer sehr einfach: LDR 3056 heißt, die Fläche ist 30 mm breit und 56 mm hoch.

Piega Premium 701 LDR 3056
Der Aufbau des neuen Bändchenhochtöner-Modells LDR 3056 ( Zeichnung: Piega)

Der LDR 3056 entstand aus den vielseitigen Erfahrungen, die man bei Piega mit all den anderen Bändchen gemacht hat. Die Fläche ist nun noch einmal größer – das sorgt für mehr unverzerrten Pegel, mehr Dynamik und einen nach unten ausgeweiteten Frequenzbereich. Zudem besitzt er eine neu entwickelte Aufhängung und wird durch eine masselose Bedämpfung annähernd perfekt kontrolliert.

Die Bändchen entstehen allesamt bei Piega in Horgen am Zürichsee. Diese Arbeit ist ausgesprochen diffizil. Ich durfte selbst mal versuchen, einen kleineren LDR zusammenzusetzen – und bin natürlich gescheitert. Die Magnete sind einfach zu stark, die Folien zu dünn. Und wenn man die Teile unachtsam zusammenführt, ist alles schneller kaputt, als man schauen kann…

Piegas Entwicklungs-Mastermind Kurt Scheuch mit dem MLS2-KOax
Piegas Entwicklungs-Mastermind Kurt Scheuch in der Bändchen-Produktion – hier mit dem großen Koax (Foto: H. Biermann)

Die hohe Qualität des neuen Bändchens zeigte sich auch in den LowBeats Verzerrungsmessungen. Die kleinen Tiefmitteltöner verzerren naturgemäß stärker, aber das Verzerrungsverhalten der LDR 3056 ist tatsächlich exzellent:

Piega Premium 701 @94dB
Das Verzerrungsverhalten der Premium 701 bei einem Dauerpegel von 94 Dezibel, gemessen aus einem Meter Abstand: vor allem im Hochton sehr niedrig (Messung: J. Schröder)

Doch auch bei einem hohem Pegel von 100 Dezibel klirrt das neue Bändchen nur erstaunlich wenig.

Piega Premium 701 @94dB
Das Verzerrungsverhalten der Premium 701 bei einem Dauerpegel von 100 Dezibel, gemessen in einem Meter Abstand: im Hochton sehr niedrig (Messung: J. Schröder)

Die Piega Premium 701 ist eine klassische 4-Ohm-Bassreflexbox – wie auch die Messungen zeigen. Gut ist, dass an keiner Stelle die Impedanz unter 4 Ohm fällt, was die Kombination auch mit schwächeren Impedanz-kritischen Verstärkern möglich macht. Der Übergang zwischen Tiefmittel- und Hochtonbereich liegt bei 4.000 Hertz.

Die Piega Premium 701 – Impedanzverlauf
Der Impedanz- und Phasenverlauf der Premium 701 ist absolut unkritisch. Er fällt nicht unter 4 Ohm (Messung: J. Schröder)

Damit die Premium 701 nach mehr Bass klingt, als sie eigentlich leisten kann, hat ihr Entwickler Kurt Scheuch einen kleinen Bassbuckel um 100 Hertz anerzogen. Gar nicht schlimm und weit weg vom Unpräzisen, aber so, dass der Klang auch bei niedrigen Pegeln wunderbar satt und angenehm tönt. Die Bassabstimmung ist so präzise, dass ich die 701 an verschiedenen Positionen im Hörraum aufstellen konnte und immer zufrieden war. Auch das ist ja für die Integration im Wohnraum wichtig.

Der Hörtest

Cover Art Sean Rowe "New Lore"
Plattencover Sean Rowe New Lore (Cover: Amazon)

Was den Umgang mit Piega Bändchen angeht, bin ich ein gebranntes Kind: wenn man die nicht wenigstens drei bis vier Tage einspielt, können sie ziemlich komisch klingen. Also ließ ich die (allerdings schon eingespielten) Boxen einige Tage einrauschen – und es hat sich gelohnt. Die 701 gefielen mir vom Beginn des Tests an richtig gut und stiegen über die Testtage immer weiter in meiner Achtung. Wie schafft man es, mit so schmalem Gehäuse und so wenig Tiefton-Membran mit einer Passivbox einen solchen Bass zu erzeugen? Das ist wirklich nicht übel. Aber die Vorzüge der neuen Premium 701 hört man eigentlich sehr schnell raus: Die Piega klingt unaufgeregt, mit einem insgesamt eher warmen und angenehmen Ton und doch zeigt sie ungemein leichtfüßig und transparent, was alles in der Aufnahme steckt. Und wenn es tatsächlich mal ans Eingemachte geht und eine hart getretene Bassdrum steht auf dem Programm, dann meistert die 701 das in einem Maße, der den Hörer Bass-erstaunt sein lässt. Mir jedenfalls erging es so.

Ein weiterer Punkt, der mich besonders erfreut, ist die sehr plastische und räumlich großzügige Abbildung der 701: Die Lautsprecher schienen nicht im Raum zu stehen, die einzelnen Sänger oder Instrumente hatten eine wunderbare Dreidimensionalität. Das war bei den Vorgängern keineswegs immer so…

Zwei Lautsprecher, die seit einiger Zeit als Preisklassen-Referenzen agieren, sind die Triangle Esprit Australe EZ  (3.400 Euro) und die Magnat Signature 1109 (4.000 Euro) Vor allem die Magnat ist mit der Piega schwer zu vergleichen, weil sie locker als dreimal so groß ist. Und doch ließ ich sie gegeneinander antreten. Der Kenner weiß natürlich, wie dieser Vergleich ausging: die Signature reicht einfach sehr viel weiter in den Basskeller, baut viel mehr Druck auf und schafft Pegel, da müssen die beiden kleinen 14er Bässe der Piega zwangsweise die Segel streichen.

Die noch impulsfreudigere Triangle ist ja ebenfalls ein echter Pegel-Hammer und erfreut mit einer fast schon live-haftigen Darstellung. Auch hier konnte die kleine Piega in vielen Belangen nicht mithalten.

Aber es gibt ja auch qualitative Kriterien: wie natürlich werden Stimmen wiedergegeben? Wie viele Details sind in diesen Stimmen noch zu hören, wie charakteristisch klingt eine bekannte Stimme? Hier schlägt sich die Kombination aus kleinem Tiefmitteltöner und vergleichsweise großem Bändchen hervorragend. Die Piega Premium 701 klingt an keiner Stelle überpointiert und doch sehr lebendig und informativ; bei normalen bis höheren Pegeln glänzte die Piega immer mit der höheren Durchsichtigkeit.

Der Singer Songwriter Sean Rowe (Album: New Lore) fordert durch seine charaktervolle, recht tiefe Stimme eine große Natürlichkeit in der Abstimmung. Die ist bei der Premium 701 bestens gelungen. Auch die begleitenden Instrumente stellte die Piega zwar weniger impulsfreudig, jedoch feiner dar als die wuchtige Magnat oder auch die impulsfreudige Triangle.

Wie üblich haben wir an der Piega verschiedenste, auch preislich passende Verstärker ausprobiert. Vom deutschen Piega Vertrieb in-akustik hatten wir noch den Primare I35 im Hörraum. Das klang nicht übel, aber mit unserem Preisklassen-Favoriten Atoll IN 300 bekam die Piega noch etwas mehr Agilität und Transparenz – sie leuchtete regelrecht. Ein echter Tipp also….

Fazit

Längere Zeit war ich mit den Lautsprechern der Piega Oberklasse nicht so recht zufrieden. Sie klangen mir immer etwas langweilig. Fast schien es, als sollten sie weder klanglich noch optisch auffallen. Den optisch dezenten Auftritt hat auch die Premium 701. Ich kenne kaum einen Lautsprecher, der mit aufgesetzter Abdeckung so unauffällig herumstehen kann wie diese 701. Beinah so, als hätte sich der Piega Designer Stephan Hürlemann vom US-Militär etwas Stealth-Technologie abgeschaut… Wenn man die 701 dann aber bewusst wahrnimmt, sieht man einen Lautsprecher mit anmutigen Formen und perfekter Verarbeitung.

Piega Premium 701 mit und ohne Abdeckung
(Foto: H. Biermann)

Und mit einem erstaunlich vollständigen Klang. Der Tieftonbereich ist vor dem Hintergrund seiner beiden kleinen Bässe gewaltig und auch bei höheren Pegeln nicht aus der Ruhe zu bringen. Der Übergang zum Bändchen geschieht absolut bruchlos – es entsteht ein Klangbild aus einem Guss und mit einer phänomenalen Räumlichkeit. Dieses neue Bändchen bringt noch einmal mehr Lebendigkeit ins Klangbild– das neue Premium-Flaggschiff wirkt, gemessen an den älteren Modellen, wie wachgeküsst. Es ist ein durch und durch toller Lautsprecher.

Es gibt etliche Mitbewerber in dieser Preisklasse, mit denen man sehr viel mehr Volumen, mehr Tiefbass und mehr Pegel bekommt. Aber schöner, dezenter und feiner ist keiner.

Piega Premium 701
2018/08
Test-Ergebnis: 4,4
SEHR GUT
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
 Natürliche, bruchlose sehr detailreiche Wiedergabe
Erstaunlich pegelfest
Wunderbare Räumlichkeit
Perfekte Verarbeitung

Vertrieb:
in-akustik
Untermatten 12 – 14
79282 Ballrechten-Dottingen
www.in-akustik.com

Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Piega Premium 701: 5.300 Euro


Mehr von Piega:

Piega MLS 2: Neuer Dipol-Linienstrahler
Test Piega AP 1.2: die High End Minibox

Mit- und Gegenspieler:

Test Triangle Esprit Australe EZ – Standbox mit 2 x Hochtonhorn
Test Magnat Signature 1109 – Standbox mit HiRes-Lizenz
Test Primare i35: Vollverstärker mit Class-D-Kraftwerk
Test Atoll IN 300: DAC-Amp mit Kraft und Feindynamik

Autor: Holger Biermann

Avatar-Foto
Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.