Der Gründer von Epos, Robin Marshall, galt als echter Lautsprecher-Könner. Karl-Heinz Fink, der die Marke Epos Anfang 2020 kaufte, ist immer noch einer. Beide verbindet die Idee, echtes Highend auch für noch bezahlbare Kurse erschwinglich zu machen. Darüber hinaus aber enden die Gemeinsamkeiten. Marshall galt als Verfechter möglichst „flacher“ Filter, Fink geht die Frequenzweichen-Topologie in der Regel steilflankig an. Und jetzt auch noch das: Mit dem neuen Flaggschiff der Marke, der Epos ES-28N, hat Fink jetzt eine ausgewachsene 3-Wege Konstruktion im Portfolio. Daran hatte sich Marshall nie gewagt.

Epos ES28N: entstanden aus dem Baukasten
Die Epos-Geschichte unter Karl-Heinz Fink ist ja noch kurz und umfasste bis vor kurzem nur zwei Kapitel: die rechte große Kompaktbox ES-14N und die kleine, sehr pfiffige Regalbox ES-7N. Und dennoch wurden hier schon so viele Grundlagen gelegt, dass bei der Standbox ES-28N umfänglich darauf zurückgegriffen werden konnte. Die eingesetzten Treiber beispielsweise kennen wir alle aus den Kompaktboxen: Der Hochtöner mit Aluminiumkalotte ist bei allen drei Modellen gleich…

… den 13 cm Mitteltöner der ES20N kennen wir aus der ES-7N und auch der 18 cm Bass, den wir in der ES-28N in doppelter Ausführung finden, findet sich in einer sehr ähnlichen Bauform in der ES-14N.

Fink, der ja bereits für dutzende namhafter Firmen Lautsprecher entwickelt hat, ist einer der versiertesten Kenner des Klippel-Analyse-Systems. Deshalb kann er auf besondere Anforderungen der Treiber immer sofort die richtige Antwort finden. Der Tieftöner beispielsweise bekam für seine Bass-Arbeit in der ES-28N eine minimal andere, gerade gezogene Membran. Für viele Firmen wäre das ein Problem. Fink braucht nur eine gewisse Zeit der Simulation und der anschließenden Vorgabe an die chinesischen Tiefton-Lieferanten.
Und damit ist eines der entscheidenden Stichworte schon gefallen: Simulation. Im Hause Fink wird extrem viel gemessen (auch per Laser-Vibrometer), viel simuliert und anschließend im wirklich sehr guten Hörraum viel gehört. Da gibt es eine Reihe von kenntnisreichen Freunden und Mitstreitern, die allesamt gut hören können und mit ihrer Einschätzung die Produkte auf das bestmögliche Niveau bringen. Neu im Team beispielsweise ist Rainer Finck (mit „ck“), jahrzehntelang der Grandseigneur bei allen highendigen Marantz-Entwicklungen. In der Branche geht halt keiner verloren…

Aus den Messungen und seiner Erfahrung heraus entstand bei Fink eine klare Vorstellung davon, wie ein optimales Gehäuse aufgebaut sein muss – nämlich mindestens doppellagig. Im Falle der ES-28N heißt das für den gesamten Korpus 10 mm + 10 mm MDF mit einer Viskoseschicht dazwischen und für die Front 10 mm + 30 mm +10 mm MDF. Kein Wunder, dass die ES-28N über 35 Kilo wiegt.
Das Ergebnis der aufwändigen Untersuchungen beziehungsweise Umsetzungen ist ein selten resonanzarmes Gehäuse, das jeden Klopftest nur mit einem leisen „Pock“ quittiert. Natürlich steht am Ende immer die Frage, was es bringt. Aber ich persönlich kann mich über so etwas echt begeistern…
Wie auch über jenes Details: Bei den Hörversuchen kam auch heraus, dass der Mitteltöner besser nicht in einem komplett luftdichten Gehäuse sitzt; das sorgt für hörbare Kompressionen. In die Metall-Platte, hinter der die Frequenzweiche sitzt, ist deshalb ein kleines Loch gebohrt; es sorgt für den Druckausgleich des Mitteltöners

Wer jetzt genau hingesehen hat, muss rätseln: Das Service-Board mit dem Loch sitzt doch hinter der Hochton-Kammer? Richtig. Auch zwischen Mittel- und Hochtongehäuse gibt es einen Kompressions-Ausgleich. Dann passt das wieder.
Waas natürlich nicht unerwähnt bleiben darf ist die Frequenzweiche. Während Epos-Gründer Robin Marshall am liebsten ohne Frequenzweiche ausgekommen wäre, hat Fink gerade mit der ES-28N einen echten Gegenentwurf gelandet. Sein Weichenkonzept (24 dB nach Linkwitz/Riley) ist sehr steilflankig ausgefallen und erfordert dafür sehr viele Bauteile – was die Sache natürlich teurer macht.

Und natürlich findet man auf Fink’schen Frequenzweichen immer ungewöhnliche Lösungen. Hier beispielsweise Widerstände, die eigentlich für Schaltnetzteile entwickelt wurden, aber auch in Passiv-Lautsprechern ganz vorzüglich und weit besser als die üblichen Zement-Widerstände klingen.
Praxis
Die Epos ES-28N ist eine 3-Wege Standbox mit mittlerem Wirkungsgrad (86,1 dB) und weitreichendem Tiefbass (BR-Abstimm-Frequenz: 30 Hertz), der ab 100 Hertz ganz sanft beginnt, abzufallen. Es ist einer von Finks Tricks, um Lautsprecher auch in der Nähe der Rückwand nicht allzu „dick“ klingen zu lassen. Karl-Heinz Fink sagt dazu: „Wir haben ziemlich viel gehört, um den richtigen Kompromiss zwischen einem schnellen, sauberen Bass und gleichzeitig genügend Substanz für alle Arten von Musik zu finden.“ Allerdings ist das Tiefton-Fundament der Epos doch so kräftig geraten, dass ich eine Aufstellung mit weniger als 50 oder 60 Zentimeter Abstand zur Rückwand nur Freunden des ganz satten Tiefbass empfehlen kann.
Absolut erfreulich sind die niedrigen Verzerrungen, welche die Epos-Standbox zu einem Dauer-Pegel von 107 dB befähigt – bevor die LowBeats Mess-Systeme Alarm schlagen.
Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass die ES-28N mit dynamischen Musiksignalen fast 120 Dezibel Schalldruck erreichen kann, bevor sie unbotmäßig verzerrt – ein exzellenter Wert. Der aber nur erreicht wird, wenn ein entsprechender Verstärker angehängt wird: Gut 300 Watt (4 Ohm) pro Kanal wären dafür nötig. Das schaffen in der Regel aus dem passenden Preisbereich nur Oberklasse Transistor-Boliden wie der Atoll IN 300, der Musical Fidelity M6si oder der Rotel 1592 MKII. Ich hatte die Epos ES -28N auf einer Messe auch einmal am Creek 4040 A (1.000 Euro, ebenfalls im IDC-Vertrieb) gehört. Das klang überraschend „komplett“ und detailreich, nur im Pegel gab es dann halt irgendwann Limits. Dass auch kleinere Verstärker an der Epos brillieren können, legen auch unsere Impedanz-Messungen nahe:

Hörtest
Wir haben während der Hörtests trotzdem auf “kleinere” Verstärker verzichtet. Die LowBeats Referenz-Verstärker, die Vor-/Endstufen-Kombination Canor Hyperion P1 + Virtus M1 (Mono-Endstufen) kommen ja sowieso immer zum Einsatz. Als neuen Gast nahmen wir den kürzlich überarbeitete Atoll IN300 (Test folgt in Kürze), der mit seiner äußerst gradlinigen und griffig-präzisen Art besonders gut mit der ES-28N harmoniert.
Dass der Atoll hier so gut passt, liegt am universell-globalen Charkter der Epos, die mit einem recht kräftigen Oberbass gesegnet ist. Das klingt immer wohlig-angenehm, lässt aber manchmal die letzte Präzision in den Bässen vermissen. Deshalb sind Verstärker mit hoher Kontrolle hier genau richtig.

Wenn die Epos dann spielt, hat sie augenblicklich etwas Erhabenes. Es klingt einfach im besten Sinne “schön”, sehr natürlich, glaubhaft-räumlich und satt im Bass. Auffällig – auch im Vergleich zur kleineren ES-14N – ist die hohe Spielfreude und eine schöne Leichtigkeit im gesamten Mittelhochton. Ein Lautsprecher, der derart heftig nach audiophil aufgenommenen Singer Songwritern aus dem Hause Stockfisch ruft? Der bekommt erst einmal Deftiges. Auf dem “Burning Down The House”-Cover vom E-Bass-Virtuosen Marcus Miller schmettern die Bläser, dass es nur so eine Freude ist. Und unter all dem dieser kernig groovende Bass des Meisters.
Die ES-28 dividiert das alles schön auseinander, lässt die Bläser funkeln und trifft exakt den richtigen Ton. Der Bass kommt satt und schön druckvoll, wenn gewünscht mit brutalem Pegel, aber nicht immer mit der letzten Präzision.
Die etwa gleichteure Børresen X2 ist hier genauer: Mit ihr kommen die Bässe etwas knochiger, anfassbarer. Auch gelingt der hübschen Dänin eine ähnlich gute Bühnenabbildung. Mit Stimmen, etwa der von Heather Nova (Album: “Breath & Air), klingt die Børresen schlanker, etwas fahler und weniger habhaft.

Spätestens jetzt schlug die Stunde der Epos, welche die scheinbar zerbrechliche – manchmal nur gehauchte – Stimme von Heather Nova nahezu perfekt in den Raum stellt. Klangfarben-Stärke und die Kunst der feinen Mittenauflösung ergeben hier ein wunderschön organisches Ganzes. Wäre ich Heather Nova nicht schon vor Jahrzehnten verfallen, wäre es spätestes nach dem Hören des neuen Albums über die Epos um mich geschehen…
Fazit Epos ES-28N
Karl-Heinz Fink ergänzt seine audiophile Epos ES-Reihe mit einer Standbox, die technisch-akustisch alles mitbringt, was gut gemachte Passiv-Lautsprecher heute auszeichnet. Damit setzt er im Markt ein dickes Ausrufezeichen. Im Vergleich zu anderen Lautsprechern dieser Preis- und Anspruchsklasse (etwa: Audio Physic Tempo, Børresen X2, Canton Reference 5, vielleicht auch noch die DALI Rubikore 8) ist die Epos äußerlich vielleicht noch am ehesten als klassische “Box” zu erkennen. Klanglich indes ist sie – zusammen mit Canton und DALI – als ausgesprochen universell einzustufen und insgesamt so verzerrungsarm, dass mit entsprechenden Verstärkern enorme Pegel möglich sind.
Darum aber geht es ja nur in Ausnahmefällen. Im Vordergrund steht – jedenfalls bei LowBeats – immer noch der sogenannte „beste Klang“ bei gehobener Zimmer-Lautstärke. Und diesbezüglich, vor allem in Bezug auf Klangfarben, Mittentransparenz und Feinheit, sehe ich die ES-28N uneingeschränkt vorn.
Bewertungen
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Audiophiler, harmonisch-lebendiger Klang mit sattem Bass |
| Sehr pegelfest |
| Ungewöhnlich resonanzarmes Gehäuse |
| – |
Vertrieb:
IDC Klaassen oHG
Am Brambusch 22
44536 Lünen
www.idc-klaassen.com
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Epos ES-28N: 8.000 Euro
Technische Daten
Epos ERS-28N | |
---|---|
Konzept: | 3-Wege Passivbox (Bassreflex) |
Bestückung: | HT: 1 x 28 mm Alu-Keramik Kalotte, MT: 1 x 13,0 cm PP-Membran, TT: 2 x 18 cm |
Wirkungsgrad (2,83 V/m): | 86,1 Dezibel |
Nenn-Impedanz: | 3,6 Ohm |
Maximalpegel (Dauer/kurzfristig): | 107 / 119 Dezibel |
Mind.-Leistung für Max.-Pegel: | >290 Watt |
Übertragungsbereich: | 30 – 25.000 Hertz |
Aufstellungs-Tipp: | frei, mind. 50 – 60 cm Abstand zur Rückwand |
Farben: | Halbmatt Weiß, halbmatt Schwarz, Jade grün |
Abmessungen (H x B x T): | 105,0 x 25,0 x 36,0 cm |
Gewicht: | 35,2 Kilo |
Alle technischen Daten |
Mit- und Gegenspieler:
Test Børresen X2: die Bestie im Maßanzug
Test Vor-/Endstufen-Kombination Canor Hyperion P1 + Virtus M1
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