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Test Westend Audio Leo: 300B Röhren-Amp mit 2 x 20 Watt

Westend Audio Leo BT-Antenne
Auf der Rückseite sitzt die Antenne für Bluetooth-Zuspielung. Das Bluetooth-Modul des Leo ist so highendig wie möglich ausgelegt. Es folgt dem 4.2 Standard und ist AptX-fähig. Wird eine andere Quelle angewählt, schaltet sich das BT-Modul komplett ab (Foto: H. Biermann)

Auch ein anderes Stichwort ist schon gefallen: Der Leo hat eine ambitionierte Phonostufe, die sich intern zwischen MM- und MC umschalten lässt. Die Phonostufe ist eine hochwertige IC-Lösung, an der Mania einige Zeit getüftelt hat. Er wollte Top-Performance auf engstem Raum. Beides hat geklappt. I

ch habe eine ganze Reihe externer Stufen bis 700 Euro gegen die interne Lösung des Leo gehört. Er war in allen Fällen zumindest ebenbürtig. Eine Anpassung auf den angeschlossenen Tonabnehmer ist ebenfalls möglich, aber nur über parallel eingebaute Widerstände oder Kapazitäten in Cinch-Steckern. Die kann man – für den jeweiligen Tonabnehmer optimiert – bei Westend Audio für 10 Euro pro Stück nachordern.

Westend Audio Leo Phono-Modul
Äußerst kompakt: Die Phonostufe für MM und MC sitzt direkt an den Anschlussbuchsen und ist komplett mit integrierten Bauteilen umgesetzt (Foto: H. Biermann)

Vieles im Alltagsleben des Leo ist Mikroprozessor-gesteuert. Beispielsweise das dezente Hochfahren der Temperatur für die Heizfäden in der 300B. Das verlängert das Leben des Glaskolbens. Oder das Einstellen des optimalen Arbeitspunkts für die 300B. Das ermöglicht auch den schnellen Austausch gegen eine andere 300B. Oder die Möglichkeit, alle Eingänge im Pegel zu verändern beziehungsweise anzupassen. Dazu drückt man einen der vier Knöpfe auf der Front (Level) und justiert den Eingangspegel mit dem Lautstärke-Steller. Klasse.

Westend Audio Leo LS-Regler
Der Lautstärke-Regler des Leo ist mit LEDs umgeben, die die Pegelhöhe visualisieren. In der Aufwärmphase werden sie schrittweise alle angesteuert (Foto: H. Biermann)

Der Lautstärke-Regler an sich ist schon eine Show – allemal, wenn der Leo hochgefahren wird. Dann werden alle LEDs rund um den Regler aktiv und leuchten. Sehr chic.

Westend Audio Leo innen2
Die Anschlüsse sind praxisgerecht: 2 x Cinch- plus 2 x symmetrische (XLR-) Hochpegeleingänge sowie 1 x Line Out und 1 x Pre Out. Das sollte für die meisten Fälle reichen (Foto: T. Wendl)

Unser Testmodell hatte verchromte Aluminium-Rippen. Das sieht gut aus, ist aber schwer zu fotografieren. Den Leo gibt es quasi mit jeder erdenklichen Oberfläche. Da Westend Audio einen Oberflächen-Spezialisten als Geschäftsführer hat, kann man sich hier nicht nur auf höchste Perfektion verlassen, es gibt auch eine große Auswahl an verschiedenen Ausführungen. Stefan Trog: „Du musst dir mal den Leo in matt Schwarz anschauen. Das sieht Hammer-mäßig aus.“ Ich habe es mir angesehen und ich finde, er hat absolut Recht…

Westend Audio Leo High End 2018
Der Westend Audio Leo ist superb verarbeitet und in verschiedenen Oberflächen-Ausführungen zu haben (Foto: R. Vogt)

Der Leo im LowBeats Hörraum

2 x 20 Watt. Das ist für eine 300B-Schaltung zwar ziemlich viel, unterm Strich dennoch wenig; die Auswahl an Lautsprechern ist für so einen Verstärker einfach eingeschränkt. Und doch größer, als man denken sollte.

Was geht nicht? An allen normal effizienten Lautsprechern (also etwa um 85 – 86 dB pro Watt auf 1 Meter Abstand), die im Tieftonbereich mehrere Bässe haben, in der Impedanz deutlich unter 4 Ohm rutschen und womöglich eine Hochpassfilterung im Bass haben (wie zum Beispiel einige Canton- und Gauder-Modelle) tut sich der Westend Audio Leo erwartungsgemäß schwer. Hätte ich von meinem ersten Hördurchgang an der Canton A45 auf die Klangqualität des Leo schließen sollen, ich hätte satt danebengelegen.

Die Dynaudio Contour 20 ist auch nicht lauter als die Canton. Aber mit ihr im Nahfeld deutete der Westend Audio Leo schon an, was in ihm steckt: unter anderem, Stimmen mit einem unglaublichen Gespür für Feinheiten und einer herausragenden Natürlichkeit wiederzugeben. Das klang schon sehr gut, aber dynamisch noch etwas flach.

Es war dann, als ginge ein Ruck durch den Verstärker, als ich die Q Acoustics C500 anschloss. Dieser Lautsprecher wird meines Erachtens nach immer noch unterschätzt und könnte auch das Doppelte seines derzeitigen Preises (4.500 Euro) kosten. Einer der größten Vorteile dieses Lautsprechers – neben seinem herrlich natürlich-offenen Klang – ist seine hohe Effizienz.

Fast 90 dB macht die schlanke Säule und damit um einiges mehr als die meisten Modelle der Ober- und Spitzenklasse. In Kombination mit dem Leo klang die C 500 grandios: Der Röhren-Amp kitzelte auch die letzten feindynamischen Fähigkeiten aus der 2-Weg-Kombination und klang auch im Bass sehr erwachsen. Wer sich nicht daran stört, einen 10.000 Euro Verstärker mit einer nicht mal halb so teuren Box zu kombinieren, hat hier eine Traumpaarung gefunden.

Nochmals etwas anspringender und auch vom Maximalpegel überzeugender war die Kombination mit den Kugellautsprechern Cabasse Grand Baltic 4 und dem Subwoofer Santorin 30-500. Kein Wunder: Den leistungsrelevanten Tieftonbereich übernimmt hier der aktive Subwoofer. Mit dem französischen Sub/Sat-System modellierte der Westend Audio Leo Konzertsäle und Aufnahmeräume mit so großer Genauigkeit und Tiefe, dass ich das Gefühl hatte, richtig dicht dabei zu sein und nicht nur in der ersten Reihe zu sitzen. Schon das war überwältigend.

Vor allem aber habe ich das Cabasse-Trio während der Vorbereitung seines Tests in keiner anderen Kombi so leicht und so unangestrengt gehört. Wo der französische Tri-Koax manchmal etwas härter wird, (Klavier, Streicher) gab er sich mit dem Leo geradezu leichtfüßig, ungemein präzise und fein-auflösend. Ein wirklich überzeugendes Erlebnis.

Westend Audio Leo im LowBeats Hörraum an Cabasse Baltic
Der Westend Audio Leo im LowBeats Hörraum im Zusammenspiel mit der Cabasse Grand Baltic 4 (Foto: H. Biermann)

Aber es ging noch besser, viel besser. An der LowBeats Lautsprecher-Referenz Wolf von Lange Audio Frame in der London-Ausführung (mit Lowther Breitbänder), ebenfalls bald im Test, zauberte der Westend Audio Leo Klangbilder von einer Schönheit und Authentizität, die ich mich nicht erinnern kann, so schon einmal gehört zu haben.

Beispiel: David Sylvians grandioses Album Secrets Of The Beehieve habe ich schon hunderte Male gehört. Aber noch nie so echt. Das Flirren der Gitarrenseiten: grandios. Die Plastizität der Gitarrenkörper: atemberaubend. Sylvians Stimme: so vielschichtig und ohne jede Eintrübung. Und alles kam so selbstverständlich, so leicht und überzeugend, dass ich den Hörabend erst einmal beenden musste: Saß ich hier einem Phänomen auf?

Am nächsten Abend nahm ich einen Freund mit, bekennender Lauthörer und Transistor-Verfechter. Ihm spielte ich den Leo an der WVL London vor und hörte erst einmal – ganz ungewohnt – gar keinen Kommentar. Und dann: „Mist. So gut habe ich das noch nie gehört. Können wir mal einen anderen Verstärker dagegen hören?“

Cover Art David Sylvian The Secret...
Secrets Of The Beehieve ist eines der filigransten Alben des Ex-Japan-Sängers. Anspieltipp: „When Poets Dreamed Of Angels“ (Cover: Amazon)

Natürlich konnten wir. Wie etwa schlägt sich der Leo gegen eine klassische 300B Konstruktion mit der üblich einstelligen Wattzahl? Spielt die Leistung überhaupt eine so große Rolle? Wir verglichen den Westend Audio mit dem Fezz Audio Mira Ceti, einem 300B-Verstärker üblicher Machart.

Vor dem Hintergrund seines farbigen, erstaunlich erwachsenen Klangbilds für knapp 2.500 Euro ist dieser kleine Röhren-Amp aus Polen fast schon als billig zu bezeichnen. Wenn man den Pegel nicht überreißt, spielt der Mira Ceti ebenfalls überragend natürlich – im Vergleich zum Leo aber etwas wärmer und fülliger – das ist durchaus angenehm, dafür aber weniger schnell und offen.

Da haben wir sie wieder: diese unglaublich feine Offenheit, diese Mühelosigkeit, die für den Leo so charakteristisch ist. Da stehen Töne absolut klar und natürlich im Raum. Und hier erkennt man auch die Handschrift des Transistor-Spezialisten Günther Mania wieder: „Präzise Natürlichkeit“ lautet hier das Credo. Die Nonchalance in Bass und Grundton, die so manche 300B-Konstruktionen kennzeichnet, hat der Leo einfach nicht.

Das macht sich auch im Vergleich zu Verstärkern seiner Gewichts- und Preisklasse deutlich bemerkbar. Der Octave V 80 SE (LowBeats Röhren-Referenz) und der Pass INT-60 (LowBeats Transistor-Referenz) brillieren immer durch die Farbigkeit ihrer Wiedergabe, mit hoher Lebendigkeit sowie immens großen grob- wie feindynamische Fähigkeiten. Vor allem der Octave zeigt auch in tiefen Lagen noch eine brutale Kraft und Kontrolle. Im Bereich Dynamik und Pegel sind sie dem Westend Audio Leo eine Nasenlänge voraus. So lange aber dessen Pegelreserven reichen, klingt der 300B-Verstärker noch diesen Tick leichter, luftiger, müheloser – ich würde sagen: letztendlich schöner. Diese Feinheit und Präzision im Mittelhochtonbereich ist tatsächlich überlegen.

Es sind also stehende Ovationen angebracht: Der Octave V80 SE, der Pass INT-60 und der Hegel H590 hatten es sich ja schon länger im exklusiven Zirkel der besten Vollverstärker um 10.000 Euro gemütlich gemacht. Nun kommt mit dem Leo ein vierter hinzu. Ein Verstärker mit 2 x 20 Watt. Und der einzige mit Bluetooth.

Fazit

Den Machern von Westend Audio ist mit dem Leo ein großer Wurf gelungen. Mit ihm holen sie das schon leicht angestaubte Thema „300B“ aus seiner Nische und machen diese einzigartige Triode aus dem Jahre 1938 fit für das moderne Wohnzimmer der Jetzt-Zeit. Man könnte nüchtern bilanzieren, dass der Leo der kräftigste, hübscheste und mit Abstand modernste Eintakt-300B-Verstärker am Markt ist.

Aber das wäre etwas kurz gesprungen: Wer diesen Verstärker gehört hat, kann ihn nicht emotionslos bewerten. Ich persönlich habe bislang nur ganz selten eine so natürlich feine, offene und atemberaubend selbstverständliche Wiedergabe erlebt. Das einzige Manko dieses Verstärkers liegt in seinem Wesen: Trotz der revolutionären Mania-Schaltung bringt die 300B nicht immer ganz die Pegel, von denen man bei diesem Klang-Zauber gar nicht genug bekommen kann…

Westend Audio Leo
2018/10
Test-Ergebnis: 4,7
ÜBERRAGEND
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Herausragend transparenter und selbstverständlicher Klang
Stabile und glaubwürdig tiefe Räumlichkeit
Für eine 300B-Konstruktion extrem viel Leistung
Überragende Verarbeitung, große Oberflächenvielfalt

Vertrieb:
Westend Audio Systems
Siegenburgerstr. 10
81373 München
www.westendaudiosystems.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Westend Audio Leo: 9.990 Euro

Mit- und Gegenspieler im Test:

Test Vollverstärker Pass INT-60: Faszination Class-A
Test Octave V 80 SE: der Referenz-Vollverstärker
Test Fezz Audio Mira Ceti: Günstiger 300B-Röhren-Amp
Test Cabasse Grand Baltic 4 plus Subwoofer Santorin 30-500
Test Standlautsprecher Wolf von Langa Audio Frame Chicago: die neue Referenz
Test Kompaktlautsprecher Dynaudio Contour 20: Absolute Natürlichkeit
Test Q Acoustics C 500 – beste Standbox unter 5.000 Euro

Mehr von Westend Audio:

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Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.