Er spielt die Jazztrompete wie kaum ein anderer hierzulande oder sogar europaweit. Till Brönner blickt neben 18 Studioalben auf zahlreiche Teamworks mit Dave Brubeck, Tony Bennett, Mark Murphy, James Moody, Nils Landgren, Klaus Doldinger und dem Schweizer Elektro-Duo Yello zurück. Seit rund 15 Jahren lehrt der Viersener zudem an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden – klar: Jazztrompete. Und 2016 ist er gar mit KollegInnen Im Weißen Haus vor Barack Obama aufgetreten. Dass zahlreiche Auszeichnungen seinen Karriereweg pflastern, muss dabei nicht groß erwähnt werden.
Nun gut. Aber was hat der 54-Jährige mit Italien am Hut? Till Brönner wuchs teilweise in dem mediterranen Land auf, genauer gesagt in Rom. „Es war eine Phase in meinem Leben, die mich tief geprägt hat – vor allem diese ganz besondere römische Lebensart. Das ist etwas, von dem “Italia” inspiriert ist.
Dass Till Brönner das Album in Bari und Rom aufgenommen wurde ist also nur folgerichtig. Am Regiepult saßen er und Nicola Conte, ein DJ und Jazz-Musiker, der für sein Händchen in punkto kluge Genre-Blends geschätzt wird. Und ebenso ist es kein Wunder, dass die Repertoireauswahl von „Italia“ weitgehend aus den 1970ern bis frühen 1980ern stammt, wo vieles auch in Frankreich und Deutschland im Radio rauf und runter gespielt wurde. „Italien hat eine Art paneuropäischen Sound geschaffen und eine Atmosphäre, die für eine ganze Generation prägend war“, so Brönner. Und Nicola Conte fügt hinzu: „Wir haben uns auf einen Moment der italienischen Kulturgeschichte konzentriert, der bis heute einer der spannendsten, künstlerisch relevantesten und farbenprächtigsten ist.“
Das klingt wie von einem Markenbotschafter formuliert. Ist die Herangehensweise also kitschig? Nein. Oder klischeehaft. Jein. Warum sollte man nicht scheinbar gute alte Zeiten auf- und hochleben lassen – angesichts von durchaus zweifelhaften Gegebenheiten im politischen Ambiente, die gar nicht immer dolce sind. Aber lassen wir das und blenden wir wieder rüber zur Musik. Zu den auserwählten Protagonisten des Samplers zählen Lucio Battisti, Tony Renis, Paolo Conte und Film-Komponisten wie Ennio Morricone. Aber auch bei uns weniger bekannte Musiker wie Piero Piccioni oder Franco Micalizzi. „Das Album enthält viele Songs, die – zumindest aus italienischer Sicht – sehr bekannt sind. Aber es gibt auch Überraschungen. “Nichts ist langweiliger als eine Platte, bei der man schon nach den ersten Tönen genau weiß, wie sie klingen wird“, so Brönner.
Die Musik von Till Brönner „Italia“
Also hören wir mal rein: Gleich im besagten „Viva La Felicità“ erhebt Brönner höchstselbst seine Stimme – con passione auf italienisch. Ebenso wie in „L’Appuntamento“, den Ornella Vanoni einst in der Welt berühmt machte. Oder „Parole…“ intoniert von der Singer-Songwriterin und Pianistin Chiara Civello – molto pericoloso schön. Die Stücke bereichern auch noch andere KollegInnen vokal, so Chiara Civello, Sera Kalo Mario Biondi, Mandy Capristo und Giovanni Zarrella. Das Instrumentarium geriet dabei schillernd: Till Brönner am Flügelhorn, Trompete und Synthesizer, hinzu scharten sich zwölf enge Kollegen und Kolleginnen sowie fünf Gäste mit Gitarren, Piano, Flöten, Saxofon, Doppel- und Elektro-Bass, Drums und Percussion um die Notenblätter. Die Arrangements leuchten seidig wie eine sanfte Adriabrise. Und wirken heiter. Da spielt zum Beispiel auch ein gewisser Signor Rossi eine Rolle, respektive ein Thema: Der Cartoonheld der 70er Jahre zieht in „Viva La Felicità“ mit seinem roten Hut voller Optimismus in die Welt. Und das lassen Brönner & Co auch so mit Dolcezza erklingen.
Das Album kam bereits im September heraus, wärmt uns aber sicherlich mindestens den ganzen Winter hindurch. In Italien verweilt der Sommer bekanntlich ja ohnehin etwas länger. Auch wenn das Album keine Pioniertat des Jazz verkörpert – um das geht es hier auch nicht – wirkt „Italia“ frisch, sensibel austariert und energetisch mit großer innerer Strahlkraft. Grazie mille!

Kurz vor Redaktionsschluss erklomm Till Brönner übrigens mit „Italia“ die Spitze der deutschen Jazz-Charts. Dort stand er bereits zum neunten Mal. Nächstes Jahr am 31. März geht dann seine „Italia Tour 2026“ in Dortmund an den Start.
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Video-Clip „Amarsi Un Po“
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