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Lindenberg: Das Vermächnis der Nachtigall Rezension Aufmacherbild
Das Vermächnis der Nachtigall ist die ultimative Lindenberg-Compilation: 20 remasterte CDs. Preis: um 140 Euro (Foto: Universal Music)

Udo Lindenberg Das Vermächtnis der Nachtigall

Mit dem umfangreichsten Werk beenden wir unsere Reihe der „besten Compilations 2018“ (siehe Teil 1 und Teil 2). Denn während sich die meisten Musiker in puncto Backkatalog-Veröffentlichungen auf Box-Sets mit vielleicht vier oder sechs CDs beschränken, lässt es Udo richtig krachen: Der geniale Wahlhanseate mit der Nuschelstimme hebt den kompletten Archiv-Schatz seiner Polydor-Jahre: immerhin 20 CDs und eine DVD. Der Name des Epos: Udo Lindenberg Das Vermächtnis der Nachtigall.

Udo Lindenberg "Stärker als die Zeit" (Bild: Warner Music)
Ein Gesicht wie gemeißelt (Bild: Warner Music)

Was für ein Typ: Seit Jahrzehnten zeigt Udo der Republik und vielen anderen Musikerkollegen, wie man zackige Songs mit lyrischem Tiefgang und teils gewitzt verpackter politischer Botschaft schreibt. Seine Art, anno 1983 den innerdeutschen Beziehungen zu begegnen, mündete beispielsweise im Klassiker „Sonderzug nach Pankow“, in dem der „kleine Udo“ zusammen mit dem Panikorchester „Honni“ anbot, im Arbeiter- und Bauernstaat DDR aufzutreten. 1987 schenkte Udo dem Staatsratsvorsitzenden Honecker eine Lederjacke – und erhielt als Gegen-Gabe eine Schalmei.

Was waren das für Zeiten. 1983 steht auch für den Wechsel Udos von Telefunken zu Polydor. Bis 1998 nahm er bei dem Traditions-Label 17 Studioalben auf. Udo Lindenberg Das Vermächtnis der Nachtigall vereint diese Ära und ergänzt sie mit zwei raren, englischsprachigen Alben nebst DVD und opulentem Buch plus Poster. Den Schatz der 15 Jahre hob Udo im Team mit Universal Music. Udo: „Ist ja echt alles super liebe- und ehrenvoll aufbereitet hier,“ kommentiert’s der 72-jährige Meister locker. Dazu später mehr.

Musik prägte Udos Leben schon immer. Neben der Arbeit als Kellnerjunge in Düsseldorf trommelte er in Altstadtkneipen der Rheinstadt. Ein ganzes Jahr lang spielte er auf einem Luftwaffenstützpunkt im lybischen Tripolis und begann ein Musikstudium in Münster. Dann zog es ihn 1968 nach Hamburg, um bei der Folk-Combo City Preachers mitzumischen.

Mit Peter Herbolzheimer startete er die Band Free Orbit und beglückte die Brass-Rock-Formation Emergency sowie das Percussion-Ensemble Niagara. Renommée erlangte er schließlich in Klaus Doldingers Band Passport, die das Titelstück der TV-Krimiserie „Tatort“ stellt. Und raten sie mal, wer dabei damals am Schlagzeug saß …

Udo Lindenberg "Stärker als die Zeit" (Bild: Warner Music)
Rock-Ikone und kein bisschen leise: Udo L. aus G. (Bild: Warner Music)

1971 brachte Udo schließlich sein erstes eigenes Album heraus, 1973 schaffte er dann mit „Andrea Doria“ den Durchbruch. Sein aufrührerisches Rezept: gewitzte Texte, rockig-schnoddriges Ambiente und ein packend spielendes Panikorchester.

Nun also Udo Lindenberg Das Vermächtnis der Nachtigall, ein muskalischer Schatz sozusagen. Sämtliche 17 Studio-Alben der Polydor-Ära von 1983 bis 1998, angefangen mit „Odyssee“ über „Götterhämmerung“ (1984) und „Bunte Republik Deutschland“ (1989) sowie zu den Hommagen an seine Eltern „Hermine“ (1988) und „Gustav“ (1991) bis hin zu „Belcanto“ (1997), eingespielt mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg und dem 98er Werk „Zeitmaschine“.

Dazu die zwei englischsprachigen Alben I Don’t Know Who I Should Belong To von 1987 mit dem Spliff-artigen „Americans In Europe“ und dem bislang unveröffentlichten Longplayer „Casanova“ von 1988. Dazu: Eine „Raritäten“-CD, die rares Liedgut, Remixe und Alternative Songversionen kurzweilig vereint. Beispiel: Der „Klerikal-Radikal Turbo-Mix“ von „Nonnen“ mit unheiligen funky Grooves. „Ein Kommen und Gehen“ wiederum schmust sich mit rollendem Piano und Soul-Appeal in die Seele.

So klingt Udo Lindenberg Das Vermächtnis der Nachtigall

Sämtliche 226 Songs von Udo Lindenberg Das Vermächtnis der Nachtigall wurden remastert; angesichts der großen Spanne von 15 Jahren und 17 Alben nebst drei Extra-CDs variiert die Bandbreite der Klangqualität. Der stramme Rock von „Odyssee“ oder dem aufmüpfigen „Du knallst in mein Leben“ von 1983 klingt ordentlich und recht homogen – drei Sterne.

Der 85er Song „Commander Superfinger“ legt da mit etwas mehr Dynamik nach. „Samenbank“ von 1988 geht dabei als smoother Song mit prima Auflösung durch – vier Sterne. Auch das 95er Album Kosmos zeigt im psychedelisch-experimentell angehauchten Stück „Salomon“ ein klares, aufgeräumtes Klangbild mit Groove-Druck und feiner Auflösung. Das neuzeitlichere Zeitmaschine hievt einige Songs wie den streicherbombastischen Opener schon beinahe in audiophile Umlaufbahnen – was auch für Songs der Raritäten-CD gilt, beispielsweise das erwähnte „Nonnen“.

Herrlich: Die DVD mit Lindenberg-Musikvideos, darunter die kecke Nena-Parodie, in der Udo „98 Lustballons“ besingt, während er einen Präser übers Mikro streift. Nachtigall ick hör dir trapsen. Obwohl Bild und Ton der DVD eher als „historisch“ einzuordnen sind, ein nettes Schmankerl. Aber weil bei LowBeats der Klang zwangsweise mit in die Benotung eingeht, senkt die sehr gemischte Klang-Qualität die Endnote – was aber nichts an der Größe des Gesamtwerks ändert.

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Lindenberg: Das Vermächnis der Nachtigall
Das volle Programm: 20 CDs und 1 DVD (Foto: C. Dick)
Lindenberg: Das Vermächnis der Nachtigall
Nett gemachtes Buch – mit vielen Fotos und viel Information (Foto: C. Dick)
Lindenberg: Das Vermächnis der Nachtigall
Alles in allem ein pralles Paket (Foto: C. Dick)
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Und dann auch noch das: Ein 68seitiges-Hardcover-Buch vereint neben einem Udo-Vorwort exklusive Infos zu jedem Album plus viele großformatige Fotos und diverse Memorabilia. Wer noch Platz in seiner Wand-Bildergalerie hat, kann diese mit einem doppelseitig bedruckten Poster erweitern: Einerseits lockt das „Sündenknall“-Gemälde, andererseits das „UDO“-Mosaik.

Auch wenn der Titel Udo Lindenberg Das Vermächtnis der Nachtigall  wie ein kleiner Abschied des 72-Jährigen wirkt – wir sind sicher: Hinter dem Horizont geht’s weiter, Däd-däd’n-dähdöööh …

Lindenberg: Das Vermächnis der Nachtigall
(Foto: C. Dick)

Udo Lindenberg Das Vermächtnis der Nachtigal: mit limitiertem 20-CD-/1-DVD-Box-Set inklusive Buch und Poster
Polydor / Universal Music, erhältlich unter anderem bei Amazon.

Weitere gelungene Box-Sets:
Die besten Compilations 2018 Teil 1: Chris Cornell, The Cranberries, John Lennon, Tom Petty
Die besten Compilations 2018 Teil 2: Phil Collins, Bob Dylan, Fleetwood Mac/ Lindsey Buckingham, The Kinks, The Rolling Stones

Udo Lindenberg
Das Vermächtnis der Nachtigall
2018/12
Test-Ergebnis: 4,2
SEHR GUT
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.