Es kommt nicht oft vor, das wir bei LowBeats ein Gerät zweimal testen. Bereits im Dezember 2019 hatte ich den damals neuen Lyngdorf TDAI-3400 getestet. Doch wie ein AV-Prozessor besteht auch solch ein komplett digitaler Streaming-Vollverstärker funktional und qualitativ zu mindestens 50 Prozent aus Software. Und die hat sich im Laufe der Jahre bei dem jung gebliebenen Produkt stets weiterentwickelt, genau wie die Einschübe für analoge Signale und HDMI. Im Streaming hat sich ebenfalls einiges entwickelt, vor allem aber wollten wir die aktuelle Version der RoomPerfect Raumkorrektur genauer studieren. Wir können an dieser Stelle schon einmal festhalten: Sie ist ziemlich gut und sehr viel besser als frühere Versionen. Zum Beweis hat Kollege Jürgen Schröder verschiedene Raum-Situationen aufgenommen: mit RoomPerfect, ohne RoomPerfect, usw. Das Ergebnis finden Sie am Ende des Tests, wo Sie mit Hilfe des LowBeats Klangorakels per Kopfhörer selbst hören können, wie gut dieses System mittlerweile funktioniert.
Die Hardware und ihre Steckplätze
Bleiben wir zunächst bei der Hardware. Hier hat sich tatsächlich praktisch nichts geändert. Das schnörkellose skandinavische Industriedesign wirkt zeitlos und alles ist tadellos verarbeitet. Eine Besonderheit: Der TDAI-3400 ist rundum geschlossen. Hier gibt es keinerlei Kühlrippen oder Gitter. Möglich machen das Class-D-Verstärker, die dank des hohen Wirkungsgrads wenig Wärme abstrahlen und trotzdem 800 Watt Gesamtleistung liefern. Allerdings sollte die Maschine trotzdem gut belüftet stehen, damit die Flächen, wie etwa der massive Deckel, ihre Wärme auch tatsächlich los werden. Also bitte nichts direkt darauf platzieren, es sei denn das Gerät verfügt über wirklich hohe Füße.
Neu, und noch nicht auf dem Foto mit der Rückseite des Lyngdorf ist die Analogplatine die einen Hochpegel-Eingang durch eine – wohl bemerkt analoge – Phonovorstufe tauscht. Die stand im Testgerät nicht zur Verfügung, es sollte mich aber wundern, wenn der Phono-Eingang qualitativ gegenüber dem Rest des TDAI-3400 zurückfiele. Wer maximale Phono-Qualität sucht, wird ohnehin stets einen separaten und in allen Parametern an seinen eigenen Tonabnehmer anzupassende Phono-Vorverstärker verwenden.
Ins Testgerät integriert indes war die aktuellste Version des HDMI-Boards mit voller Bandbreite und (im Rahmen dessen was ich testen konnte) auch problemloser Funktion bis 8K, und ARC-Ton vom TV über den HDMI-Ausgang. Und die HDMI-Schnittstelle scheint sehr sauber implementiert und entsprechend arm an Jitter zu sein.
Eins ließ sich nämlich feststellen: Alle Signalwege im TDAI-3400 klangen charakterlich und qualitativ beinahe verblüffend ähnlich, von Cinch analog bis USB-Audio, von Roon Ready zu HDMI. Wenn eine Abstufung überhaupt über das Subjektive hinaus erlaubt sei, dann klang Roon Ready (RAAT-Protokoll) am saubersten und musikalischsten, stets identische Quellen-Qualität vorausgesetzt.
Handhabung und Software-Funktionen
Die meisten werden wohl die Fernbedienung für den Lyngdorf verwenden, solange es darum geht, eine externe Quelle zu wählen oder nur mal die Lautstärke zu ändern. Dabei gibt es eine interessante Besonderheit für Kopfhörer-Liebhaber. Zwar gibt es in der Front nur eine Mini-Klinkenbuchse, aber dahinter verbirgt sich eine sehr potente, separate Kopfhörerendstufe. Und die lässt sich unabhängig in der Lautstärke regeln und auch parallel zu den Lautsprechern nutzen. Deshalb gibt es getrennte Mute-Tasten für Kopfhörer und Lautsprecher. Einziges Manko am sehr gut klingenden Kopfhörerausgang ist eine fehlende Klangregelung und auch die Voicing-Profile sind leider nicht anwendbar.
Wer sowieso den ganzen Tag sein Smartphone in der Hand hat, wird die übersichtlich auf das Wesentliche konzentrierte App lieben. In der Ansicht mit großem Lautstärkerad lassen sich die Signalart anzeigen und der virtuelle Drehregler verhält sich wie der reale am Verstärke: Er dreht ein Stück weiter, wenn man ihn anschubst. Wer beim Streaming lieber groß die Cover im Blick hat, kann die Ansicht zu großem Cover mit kleinem Lautstärkerädchen wechseln.
Für tiefer gehende Einstellungen wechselt die App in der Webansicht in den Default-Browser. Hier kommt man in das Setup zur Konfiguration und Einmessung. Das gilt für jeden Browser im selben Netzwerk. Ich empfehle zur Einmessung und zur Grundeinstellung einen größeren Bildschirm von Laptop oder Tablet – einfach wegen der besseren Übersicht.
Wie gut arbeitet RoomPerfect?
Für die integrierte Raumkorrektur RoomPerfekt legt Lyngdorf dem TDAI-3400 ein professionelles Messmikrofon nebst sehr langem Kabel und flexibel auszurichtendem Stativ bei. Das ist wirklich lobenswert. Die Ausführung und die sehr gute – englische – Anleitung im Webmenü sollten jedem, der auch nur ein wenig technisches Grundverständnis besitzt, eine gute Einmessung der Anlage ermöglichen. Als Messsignale kommen ein lange anhaltender tieffrequenter und ein hochfrequenter Multiton zum Einsatz. Das klingt ein wenig so, als wäre jemand auf einem Orgelmanual eingeschlafen. Die langen Messtöne erlauben aber, dass sich die Dröhnfrequenzen im Raum akustisch „aufzuschaukeln“, dass Verzerrungen analysiert und kurze Störgeräusche (Nachbars Hunde bellen, Auto fährt vorbei, …) herausgerechnet werden können.
Wichtig ist dabei die korrekte Positionierung des Messmikrofons. Entgegen früherer RoomPerfect Anweisungen rät Lyngdorf nun, nach der möglichst exakt am Hörposition ausgeführten Focus-Messung weitere zusätzliche Messpunkte nahe dieser Position zu wählen: mal auf einem Nachbarplatz auf dem Sofa, etwas drüber und dahinter, etwas davor…
Der Fortschrittsbalken im Menü zeigt dazu als Zahlenwert das „Room Knowledge“ in Prozent an. Das ist quasi die Anzeige dafür, ob genügend unterschiedliche, aber auch gemeinsame Messwerte von Lautsprecher und Raumakustik erfasst wurden, um die kompensierende EQ-Kurve auszurechnen. Ab 90% kann man getrost die gesammelten Daten zur Anwendung bringen. Das war bei uns in der Praxis nach fünf, manchmal erst nach sechs Messungen (inklusive Focus) erreicht. Geschmackliche oder Wunschkorrekturen werden bei Lyngdorf mit einer zweiten, manuell editierbaren Filter-Ebene namens Voicing durchgeführt.
Das Augenmerk der RoomPerfect-Algorithmen liegt dabei auf einer Linearisierung des sogenannten Energy Response. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das, dass die Kombination aus Direktschall von der Box in Summe mit der Raumakustik in jeder Tonhöhe gleichbleibt. Im Wormser Hörraum, der recht stark und breitbandig bedämpft ist, hat RoomPerfect völlig korrekt im Bass einige Frequenzbereiche ein paar Dezibel angehoben und einige vorlaute Tonhöhen – vor allem in Grundton – abgesenkt. Auch verschwindet die erste harmonische Quermode bei 74 Hertz, wie sich eindrucksvoll im Wasserfalldiagramm sehen lässt. Es ist im Wasserfall gut zu erkennen, was auch deutlich zu hören ist: Die Musik erhält Substanz und der etwas vorlaute Bereich um 150-400Hz wird eingebremst. Dazu kommt ein definierter Hochtonabfall
Die zweite Versuchsreihe mit der Aufstellung längs im Raum, also Lautsprecher und Sofa an den schmalen Enden des Hörraums, mit ungefähr 4,5m Hörabstand ergänzt die zwei Canton Townus 90 um einen potenten Velodyne Deep Blue 15 Subwoofer. Man kann den TDAI-3400 ziemlich frei für vier Ausgangskanäle konfigurieren, allerdings nur für Stereophone-Subwoofer (Links/Rechts zugeordnet) oder monaural. Speziellere Multi-Subwoofer-Installationen sind nicht vorgesehen.
Achtung: Anders als bei vollautomatischen Systemen herkömmlicher Surround-Receiver ist es beim TDAI-3400 notwendig, das Bassmanagement komplett manuell zu konfigurieren. Und zum Glück ist das dank der frei setzbaren und wählbaren Filter, Pegel und Laufzeitanpassung als Distanzangabe, leicht umsetzbar. Vor der RoomPerfect-Einmessung sollten also alle Filter und Phasenübergänge (per Delay) und Pegel bereits eingestellt sein. Angenehm: Die grafischen Anzeigen im Menü für Frequenzen und Anschlussschema. Hinweis dazu: Die RoomPerfect Korrektur arbeitet immer nur Stereo, entsprechend vor dem Bassmanagement. Der Subwoofer erhält keine separaten Filter, sondern wird wie das Musiksignal in Stereo anteilig für Lautsprecher und Subwoofer verarbeitet.
Auch hier klang es wieder mit RoomPerfect signifikant ausgeglichener und voller im Bass. Und ein guter Bass räumt nun einmal Gehör-physiognomisch den Mitteltonbereich auf, weil dann immer weniger Maskierungseffekte auftreten. Die Durchhörbarkeit steigt. Und die aktuelle RoomPerfect Version klingt auch nicht mehr dynamisch eingebremst wie das früher der Fall war. Eher im Gegenteil. Insbesondere mit zuvor manuell gut angepasstem Subwoofer spielte das Set dynamischer, tiefer und trotzdem räumlicher und feiner aufgelöst und konnte zudem beträchtlich lauter spielen.
Eine weitere Testreihe haben wir mit der Aufstellung quer im Raum durchgeführt. Das ergab perfekt geometrisch ein Stereodreieck mit knapp über zwei Metern Kantenlänge. Durch entferntere Grenzflächen für die Lautsprecher und den höheren Direktschallanteil ergibt sich eine ganz neue akustische Situation.
Die Ergebnisse waren mit der vorigen Situation vergleichbar: Mit RoomPerfect klang es schlicht ausgewogener und musikalischer, bei besserer Durchhörbarkeit von Details. Zusätzlich führten wir noch einen weiteren Versuch durch, da der Zugang zu unserem Hörraum über eine Tür in der Ecke führt, also im Druckmaximum der Raummoden. Alle Versuche bis dahin wurden mit geöffneter Tür durchgeführt. Mit geschlossenen Türen konnte nun der Algorithmus von RoomPerfect tatsächlich ohne manuelles Zutun die geänderte akustische Situation korrekt analysieren und zum Tiefbass hin korrekt erweitern – und das nicht unerheblich. Um hier einen Zufall auszuschließen haben wir die Einmessung mehrmals wiederholt und das unterschiedliche Ergebnis mit geöffneter oder geschlossener Korrektur ließ sich exakt reproduzieren.
Die RoomPerfect Raumkorrektur zum Nachhören
Für den differenzierten RoomPerfect-Hörvergleich im nachfolgenden Player haben wir die letztendlich bessere Quer-Aufstellung mittels Kunstkopf binaural aufgenommen. Das heißt: Für ein möglichst authentisches, immersives Klangerlebnis sollte man daher unbedingt Kopfhörer und keine Lautsprecher (schon gar nicht die im Rechner oder Smartphone!) verwenden.
Aufgenommen haben wir einen unkorrigierten Durchgang (Bypass), eine Einmessung auf den Hörplatz (Focus) sowie eine Art globalere Einmessung für den gesamten Raum (Global). Zusätzlich hat LowBeats Tonmeister Jürgens Schröder das Musik-Original ganz ohne RoomPerfect-Durchgang hinzugestellt. Man kann die unterschiedlichen Einmess-Aufnahmen einfach miteinander vergleichen, indem man auf die vier verschiedenen Kurven anklickt.
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Fazit: Lyngdorf TDAI-3400 wird immer besser
Peter Lyngdorf hatte mit seinem Konzept alles konsequent digital, modular und flexibel zu konstruieren schon recht. Der TDAI-3400 ist dank dieses Prinzips mit hochwertigen Schaltnetzteilen und -endstufen auf der einen Seite so effizient, dass die Maschine in zeitlosem Design ohne sichtbare Kühlung auskommt. Andererseits ist sie dank HDMI- und Analog-Einschüben in Sachen Ausstattung und Adaption an neue Technologien oder Standards gut auf der Höhe der Zeit zu halten. Zu guter Letzt ermöglicht die konsequent digitale Signalverarbeitung mit bis zu vier Kanälen Subwoofereinsatz und schließlich RoomPerfect wie der Name andeutet eine schlüssige Anpassung an den Raum. Musik via Streaming klingt extrem gut, auch dank des zuletzt mit Firmware-Update nachgerüstetem Tidal Connect.
Vor allem scheint aber auch die Raumeinmessung gewonnen zu haben, die in allen Versuchen stets eine spürbare Verbesserung mit ausgewogenerem Klangbild mit sich brachte. Besonders empfehlenswert ist der Einsatz mit Subwoofer. Kritik: Man muss den Subwoofer zunächst manuell exakt einrichten und an die Lautsprecher anpassen. Lob: Man kann dank wählbarer Filter, fein einstellbarer Verzögerung und Pegel alles wunderbar präzise und flexibel einstellen. Was stets resultierte, war ein einerseits satter, aber dabei präziser und geschmeidiger Klangcharakter mit schönen, tendenziell dunklen Farben. Wer „digital“ immer noch mit harsch und kantig assoziiert wird hier schnell eines Besseren belehrt. Der Lyndorf TDAI-3400 ist eher ein Softie, aber mit viel Kraft und knackiger Attacke, dabei nie aggressiv. Damit hat er sich ein zusätzliches halbes Sternchen in der Klangbewertung gegenüber dem ersten Test verdient.
Lyngdorf TDAI-3400 | 2024/08 |
Sehr gut |
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Hohe Leistung, satte Klangfarben |
| Bluetooth-Fernbedienung, App, Webinterface |
| Modularer Aufbau, zeitloses Design, präzise verarbeitet |
| Konfigurierbare Ausgänge inkl. Bassmanagement |
Vertrieb:
DREI H Vertriebs GmbH
Stormsweg 8
22085 Hamburg
Deutschland
www.3-h.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Lyngdorf TDAI-3400: 5.799 Euro
inkl. HDMI-Modul 6.599 Euro
inkl. Analog MM 6.299 Euro
inkl. HDMI + Analog 7.099 Euro
Einschübe separat/Nachrüstung:
Analog Modul MM 649 Euro
HDMI-2.1-Modul 790 Euro
Vorangegangene Lyngdorf-Tests:
Test: Lyngdorf TDAI-3400 – Raumkorrektur & Streaming
Test Streaming-Amp Lyngdorf TDAI 1120
News: Lyngdorf Cue-100: danish Design goes High-End
Technische Daten
Lyngdorf TDAI-3400 | |
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Ausgangsleistung: | 2×400 W RMS 4Ohm / 2x200W RMS 8Ohm |
Streaming: | Roon Ready, Spotify Connect, DLNA Support (uPnP) Airplay, Local file playback (USB), Internet Radio (vTuner, airable) |
Maße: | 45 x 10.5 x 36 cm |
Gewicht: | 8,2 kg |
Alle technischen Daten |