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Die Apogee Scintilla (Bild) sind – wie viele Flächen-Speaker – sensationelle Lautsprecher. Doch für sie gibt es kaum Reparatur-Möglichkeiten. Wir fanden einen Doktor für fast alle kranken Folien...

Folienzauber reloaded: DIS repariert auch die großen Bändchen-Legenden

Bändchen-Lautsprecher und Elektrostaten sind eine Rarität. Die eigenwilligen Schallwandler klingen meist fantastisch, aber gehen sie kaputt, schaut der Besitzer meist in die Röhre: Es gibt nämlich kaum jemand, der sie reparieren kann. LowBeats Autor Michael Jansen ist selbst bekennender Bändchen-Junkie und Besitzer etlicher Preziosen. Er hat somit auch das Problem vieler Bändchen-Freunde und verzweifelt bisweilen an der Reparatur-Situation. Also machte er sich auf den Weg, suchte und fand Lösungen – und zwar bei DIS in Pirna. Hier ist sein Bericht.

Ich fahre in ein Industriegebiet von Pirna und suche die Adresse. Auf der Rückseite einer ehemaligen Fabrikhalle der Textilindustrie mit dem Charme der 60ger Jahre finde ich schließlich den Eingang. Den zweistöckigen Gebäudekomplex teilen sich mehrere Firmen. Im ersten Stock hat Patrick Wagner zwei größere Räume angemietet. In beiden Räumen stehen neben großen Tischen für die Folienbespannung unzählige alte Preziosen, diverse neu aufgebaute Flächenstrahler und eine Unmenge an Ersatzteilen und Werkzeugen. Seltene Soundlabs sowie viele Apogee-Modelle schmücken die nüchternen Werkräume. Wer seine Apogee Fullrange zum Restaurieren hier her bringt, weiß den Lastenaufzug zu schätzen.

Eine restaurierte und mit neuen, verbesserten Rahmen und Blenden versehene Apogee Fullrange. Lebendgewicht 136 Kilogramm (Foto: M. Jansen)

Ich besuche Patrick Wagner, Firmeninhaber und kreativer Kopf der einstigen Elektrostaten Manufaktur DIS. 2001 gründete Wagner die Firma DIS-Elektrostaten, entwickelte und konstruierte elektrostatische Lautsprecher. Doch schon 2005 besann er sich auch auf die Restaurierung anderer in die Jahre gekommener elektrostatischer Folienwandler. 2007 sah er schließlich den großen Bedarf defekten Apogee Bändchen wieder Leben einzuhauchen. 2013 stellte Wagner die Produktion der eigenen Elektrostaten schließlich ein und konzentrierte sich kurzerhand mit seiner Reparaturwerkstatt auf die Restaurierung der Konkurrenzprodukte.

DIS: Aus einer Wette wurde eine Berufung

Der gelernte Elektriker und HiFi-Fan hat schon zu DDR-Zeiten jede Ostmark in sein Hobby gesteckt. 1986 kaufte der Sachse für nicht weniger als 10.000 Ostmark ein Alpine Cassetten Deck – soviel zur Leidenschaft für sein Hobby HiFi.

Beim Durchblättern einer Stereoplay in den 1990er Jahren faszinierte Wagner schließlich ein Martin Logan Elektrostaten-Test – und hier insbesondere die simple Prinzip-Skizze dazu. So etwas wollte er auch bauen. Eine Wette mit seinem Freund um eine Kiste Sekt, dass er einen Elektrostaten bauen kann aus dem auch ein Ton kommt, animierte ihn am nächsten Morgen, im Baumarkt das benötigte Material zu kaufen. Mit einer „Erste Hilfe Rettungsdecke“ also einer aluminiumbedampften Polyesterfolie als Membran lief der Elektrostat schon am Abend – zwar mit unzähligen Entladungsblitzen, aber er lief.

Das spornte Wagner dazu an weiter zu entwickeln bis schließlich um die Jahrtausendwende sein erster funktionsfähiger und auch verkaufbarer Lautsprecher herauskam. Vermarktet über eine eigene Website und Ebay verkaufte er immerhin etwa 200 Pärchen seiner Dünnhäuter als Bausätze und Fertigprodukte. Seine Kunden waren Leute, die immer schon so einen faszinierenden Paravent haben wollten, sich aber nie einen leisten konnten. Für schmales Geld brachte Wagner seine Modelle an die Frau und den Mann. Sein Meisterstück war schließlich ein vollaktiver Elektrostat mit akustischer Linse, Röhrenverstärker und DSP-Frequenzweiche. Nachdem er jedoch nur wenige Paare davon verkaufte und sich die Produktion für ihn kaum rechnete, besann er sich voll und ganz auf das Reparieren und Restaurieren von Flächenstrahlern zu konzentrieren.

Wagner kennt natürlich jede Problemzone und jeden Kniff im Umgang mit der Restaurierung dieser großflächigen und nicht selten großartigen Wandler. Wer sonst kann diese Exoten der Gattung Schallwandler besser reparieren als jemand, der solche Lautsprecher selbst entwickelt und gebaut hat?

Alles, was technisch machbar ist, kann auch umgesetzt werden

Derzeit hat der Sachse im Restaurationsportfolio vor allem Lautsprecher von Quad, Apogee, Audiostatic, Martin Logan und Magnepan. Aber auch Exoten wie Audio Exclusiv – Pütz, Acoustat, Koss, JansZen, Sombetzki, Final, Soundlab, Eurostatic oder Braun sind kein Problem für ihn. Doch selbst für die kleinen Magnetostaten von Infinity und Fostex sowie Technics, Eminent und Carver hat der Techniker Folienersatz in der Entwicklung. Habe ich irgendwelche Modelle vergessen? Wenn ja, Wagner fragen. Er findet fast immer eine Lösung. Sein Motto: „Alles, was technisch machbar ist, kann auch umgesetzt werden.“

Wer möchte kann die geliebten Exoten auch komplett restaurieren lassen, bei Bedarf inklusive neuer Rahmen in Wunschfarbe. Sogar Ersatzteile wie Übertrager und Netzteile für die Elektrostaten hat der Mann aus Pirna im Programm. Und eigens für die schmalen Bändchen hat sich Wagner eine Vorrichtung machen lassen, die die Streifen aus Aluminium oder einem Aluminium/Kunststoff-Folienlaminat mit einer Querriffelung versehen. Damit bekommen die Bändchen erneut die nötige Stabilität und Federwirkung.

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Kontrolliertes Chaos: Neben den Polyester-Folien für die Elektrostaten kommen für die Magnetostaten vor allem Polyimid-Folien (gelb) als Grundträger für die Aluminium-Leiterbahnen zum Einsatz (Foto: M. Jansen)
Mäanderförmig angeordnete Aluminium-Leiterbahnen auf Polyimid-Trägerfolie in Fotoätztechnik hergestellt (Foto: M. Jansen)
Ein Audiostatic Elektrostat ist nur einer von vielen Marken-Produkten, denen er neues Leben einhaucht (Foto: M. Jansen)
Hochtonbändchen einer Apogee Fullrange aus Aluminiumfolie. Durch die Anordnung zweier Folienstreifen hintereinander im Magnetspalt mit bipolarer Abstrahlung kommen die zwei Meter langen Hochtöner auf einen Gleichstromwiderstand von etwa 1,1 Ohm. Nicht jeder Verstärker mag das (Foto: M. Jansen)
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Perspektivisch möchte Patrick Wagner in Zukunft nur noch Ersatzfolien für kleine Mittel- und Hochton-Magnetostaten herstellen und bei Bedarf auch montieren. Hier liegt sein Fokus derzeit auf den Marken Infinity, Fostex, Technics und Quadral. Erst wenn die „gedruckten Schaltungen“, also in Fotoätztechnik hergestellten Folien, seinem hohen Fertigungsstandard Genüge tun, gehen sie in Produktion.

Wir nutzten den Besuch zu einem kurzen Interview mit dem Folien-Meister.

Patrick Wagner vor einer seiner Folien (Foto: M. Jansen)

LowBeats: Sie machen den Job seit vielen Jahren: Welches sind die größten Schwachstellen der Folien-Speaker?

Patrick Wagner:  Bei Magnetostaten sind fast immer die Folieneinspannungen defekt. Das heißt die seinerzeit verwendeten Schaumstoffstreifen sind porös geworden oder haben sich komplett aufgelöst. Damit fehlt am Rahmen die Bedämpfung und man hört bei bestimmten Frequenzen ein „Schnarren“. Oft sind die Folien selber eigentlich noch okay., doch ein Tausch der Einspannungen erfordert auch einen Tausch der Folien. Seltener sind ausgeleierte Hochtöner. Bei den Elektrostaten sind zumeist die Folien „taub“. Das heißt sie können keine Ladung mehr speichern und damit wird das Panel über die Jahre immer leiser. Grund dafür ist ist erster Stelle Tabakrauch, der sich auf den Folien absetzt und die Hochspannung ableitet. Auch Kamine oder offene Küchen sind nicht gut für die Folien, die alles, was in der Luft schwebt anziehen – sogar Katzenhaare.

Des Weiteren sind die oft verwendeten Nextel-Lackierungen der Gehäuse beziehungsweise Blenden nicht mehr schön anzusehen und klebrig geworden. Hier biete ich dann neue Blenden an.

LowBeats: Kann der Kunde auch nur die Bassfolien bei Ihnen kaufen und selbst einbauen?

Patrick Wagner: Bei den Apogees schon, aber er muss sich bewusst sein, dass ein Austausch nicht an einem Wochenende gemacht ist. Es erfordert schon Zeit und Geschick. Eine Einbauanleitung liefere ich jedenfalls dazu. Die Elektrostaten werden immer von mir restauriert.

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Vorher: So oder so ähnlich kommen die zerknitterten Folienderivate in Wagners Werkstatt. Hier ein ausgesprochener Exot: Die koinzidente Anordnung von Mittel- und Hochtonbändchen der Apogee Scintilla in ein und dem gleichen Magnetfeld – hinter dem breiten Mitteltonbändchen sind übrigens nochmals zwei weitere Hochtonbändchen angeordnet (Foto: M. Jansen)
Nachher: Hinter Gittern – das feinmaschige Kunststoffgitter schützt die sensiblen Folien auch vor neugierigen Katzen (Foto: M. Jansen)
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LowBeats: Welche Flächenstrahler sind am schwierigsten zu restaurieren?

Patrick Wagner: Pütz erste Generationen sind nicht zerstörungsfrei zu reparieren. Für solche Problemfälle bietet ich dann eigene neue und zudem noch bessere Panele an. Kleine Folienwandler sind meist schwieriger zu reparieren als große. Die Folien lassen sich auf großen Biegeradien leichter spannen als auf kleinen. So ist eine Martin Logan Statement einfacher zu bespannen als etwa ein kleiner Hybrid-Elektrostat der Amis.

LowBeats: Sind Ihre Produkte originale Nachbauten oder haben sie verbesserte Eigenschaften?

Patrick Wagner: Teils, teils. Bei den Hochtönern sollte man schon die Folienstärke möglichst einhalten, bei Mitteltonbändchen kommt es nicht auf ein Mikrometer drauf an. In punkto Fertigungspräzision biete ich teilweise höhere Genauigkeit als das Original. Durch Fotoätztechnik über ein und die gleiche Belichtungsmaske sind meine Folien der Apogees alle gleich – im Gegensatz zu den handgeschnittenen originalen Folien.

LowBeats: Was machen Sie alles selbst und was lassen Sie machen?

Patrick Wagner: Wenn`s richtig werden soll, dann lieber selbst machen. Folien muss ich natürlich in den entsprechenden Stärken – und leider auch großen Mengen – zukaufen.

LowBeats: Wie werden potenzielle Kunden auf Sie aufmerksam?

Patrick Wagner: Neben meiner Website, die ich auch über Ebay bewerbe, ist eine Weiterempfehlung durch zufriedene Kunden die beste Werbung…

LowBeats: Vielen Dank für das Gespräch und die tiefen Einblicke.

 

Kontakt

Patrick Wagner
Am Osthang 14
01796 Pirna
Telefon: 0172 7927758 oder 03501-4763418
info @ dis-elektrostaten.de
www.dis-elektrostaten.de

Autor: Special Guest