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Anna von Hausswolff Dead Magic
Anna von Hausswolff – auf ihrem neuem Album „Dead Magic“ erforscht die schwedische Sängerin und Organistin den Zauber des Unergründlichen mit anarchischen bis archaischen Klängen von Orgel-Rock bis Art-Pop.

Anna von Hausswolff Dead Magic – die CD der Woche 8

Sakral, erhaben-feminin und voller geheimnisvoll lockender Stimmungen: Die schwedische Organistin und Sängerin Anna von Hausswolff spielt Musik, die an Grenzen geht, Zwischenwelten durchschreitet, seelische Untiefen auslotet. Die Antwort des Underground auf die Softpop-Fee Enya also? Viel mehr als das: Anna von Hausswolff Dead Magic bringt einen doomig-philosophischen Soundkosmos mit Gänsehautgarantie – die LowBeats CD der KW 09

Eine Flasche Absinth, eine gute Mystery-Serie auf Blu-ray und dazu Anna von Hausswolff Dead Magic sollten in jedem gut sortierten Haushalt bereitstehen. Schließlich gilt es, auch für die etwas doomigerem Momente des Lebens präpariert zu sein. Im Fall der schwedischen Singer-Songwriterin und Organistin empfehlen sich natürlich das gefeierte 2014-Werk „Ceremony“, der 2015er-Nachfolger „The Miraculous“ – oder halt Dead Magic. Wann auch immer die Tochter des schwedischen Klangforschers, Musikers und Performancekünstlers Carl Michael von Hauswolff hinter einer Orgel Platz nimmt: Es eröffnet sich ein Kosmos an Klängen, die für Gänsehautmomente gut sind.

Mit Anna von Hausswolff Dead Magic zeigt die 31-Jährige aus Göteborg erneut ihr ganzes extravagantes Profil, das sich nicht mehr in Genres wie Singer-Songwritertum, Gothic Folk, Doom-Rock oder Indie-Psychedelica schubladisieren lässt. Auch der Verlockung, ihre Künstlerpersönlichkeit als dunkle Antwort des Alternative Rock auf Softpop-Fee Enya zu vermarkten, haben Label und Musikerin bisher widerstehen können. Zwar ist eine gewisse Verwandtschaft zu Kolleginnen wie Björk, Karin Dreijer Andersson und Kate Bush herauszuhören; auch PJ Harvey oder Patti Smith kommen einem in den Sinn. Und doch sind die Unterschiede größer als die Parallelen. Von Hausswolff musiziert weniger elektronisch als Dreijer, experimenteller als Kate Bush, hat mit normalem Rock kaum etwas am Hut und klingt auch vokal mindestens so eigenwillig wie die Avantgarde-Prinzessin aus Island.

Anna von Hausswolff Dead Magic Stück für Stück

Fünf Tracks nur umfasst Anna von Hausswolff Dead Magic; als einziger davon folgt das sechsminütige „The Mysterious Vanishing Of Electra“ konventionellen Kompositionsmustern, groovt aber dennoch meilenweit entfernt von normalen Airplay-Sound. Doch dazu später mehr.

Los geht die Reise durch diese also rechnerisch durchschnittlich zehn Minuten langen Epen mit dem voluminösem Brummeln, Säuseln und Zwitschern von „The Truth, The Glow, The Fall“: Auftakt eines philosophisch durchwirkten Werks über die Kraft der Magie, des Unerklärlichen im Leben – und über die Abwesenheit des Abgründigen. Stirbt die Magie, so ringen für Anna von Hausswolff nur noch die Verzweiflung und die Hoffnung um die Vorherrschaft in der menschlichen Seele.

Und so wandelt sich auch „The Truth, The Glow, The Fall“ unmerklich, aber unausweichlich vom kontemplativen Intro zu einem Wirbel aus repetitiven Rhythmen und schamanischen Beschwörungsformeln. Anna von Hausswolff Dead Magic, dieser 47-minütige Trip, dieses Plädoyer für das Mysteriöse, für die unergründlichen Zwischenwelten des Lebens fängt schließlich gerade erst an. Dieses Album lässt den Widerstreit der Gefühle fortan in furiosen Klanglandschaften lebendig werden, in deren Mittelpunkt von Hausswolffs Orgel steht.

Es ist der Klang der Orgel aus der spätbarocken Kopenhagener Frederikskirche („Marmorkirken“), die als eines der größten Kirchengebäude Nordeuropas eine Kapelle im Stil der römischen Sankt-Peter-Basilika beherbergt. Und Annas Spiel auf diesem Instrument ist ein Ereignis: Feierlich, zart, donnernd, ekstatisch klingt das, und famos aufgenommen – man hört die Orgelwinde förmlich durch die Pfeifen … äh: pfeifen. Begleitet wird von Hausswolff auf ihrem Grenzgang durch das Dunkle hin zum Himmlischen von einer fünfköpfigen Band. Die Gitarristen Karl Vento und Joel Fabiansson, Filip Leyman (Synthesizer), Bassist David Sabel und Schlagzeuger Ulrik Ording agieren dabei mal dezent und leise im Hintergrund, können aber auch ganz groß aufspielen. „Ugly And Vengeful“ etwa – zentrales Stück des Albums – prügelt Ording mit massiven Beats sechzehn Minuten lang förmlich durch die Dunkelheit ans Licht. Und das DuoVento/Fabiansson liefert von Hausswolffs Orgel mit ihren bissigen E-Gitarren ein packendes Duell. Ergebnis? Ein klares Unentschieden.

In „The Mysterious Vanishing Of Electra“ hämmern die Beats dann so wuchtig, als würde der Donnergott Thor persönlich die Drumsticks schwingen. Die E-Gitarren sirren dazu zwischen Post-Punk und Gothic-Rock umher und Anna lotet das Volumen ihrer dreieinhalb-Oktaven-Stimme voll aus: In der Schlusssequenz dieses Sechsminüters zwischen Traum und Alptraum tiriliert sich die blonde Schwedin quasi als „Königin der Nacht“ des Indie-Orgel-Rock durch ein fast arienhaftes Finale, das klingt wie von Mozart komponiert. Mit dem sakralen Orgel-Solo „The Marble Eye“ sowie „Källans återuppståndelse“, gesungen a capella zu Streichern und Orgel und von ein paar eisigen Synthieschlieren durchzogen, klingt dieser gespenstisch-schöne Soundtryptichon mit zwei apart angeflanschten Epilogen dann friedvoll und versöhnlich aus. Die Geister sind vertrieben, die Seele hat Frieden gefunden. Good night, sleep tight – bis zum nächsten Rendez-Vous mit unseren inneren Dämonen …

Anna von Hausswolff Dead Magic
Anna von Hausswolff Dead Magic (Cover: Amazon)

Anna von Hausswolff Dead Magic  erscheint bei City Slang im Vertrieb von Universal und ist erhältlich als CD, LP und MP3-Download.

Anna von Hausswolff Dead Magic
2018/03
Test-Ergebnis: 4,3
SEHR GUT
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Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Autor: Christof Hammer

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Seit vielen Jahrzehnten Musikredakteur mit dem Näschen für das Besondere, aber mit dem ausgewiesenen Schwerpunkt Elektro-Pop.